Halle, Opernhaus/ Händel-Festspiele – IL FLORIDANTE

von Georg Friedrich Händel, Dramma per musica in drei Akten, Libretto: Paolo Antonio Rolli, UA: 9. Dezember 1721, King’s Theatre Haymarket, London
Regie: Vincent Boussard, Bühnenbild: Vincent Lemaire, Kostüme: Stéphanie Zani, Video: Anke Tornow
Dirigent: Christopher Molds, Händelfestspielorchester Halle auf historischen Instrumenten
Solisten: Mariselle Martinez (Floridante), Elin Rombo (Timante), Raimund Nolte (Oronte), Ki-Hyun Park (Coralbo), Virpi Räisänen (Elmira), Sonya Yoncheva (Rossane)
Besuchte Aufführung: 5. Juni 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
halle-floridante.jpgFloridante, Prinz von Thrakien, kehrt als Feldherr des persischen Heeres nach gewonnener Schlacht, an den Hof Orontes, König von Persien, zurück. Des Königs Töchter Elmira und Rossane erwarten den Helden mit ungeduldiger Vorfreude, denn der Vater versprach Floridante und Elmira die Hochzeit. Rossane wartet auf Nachricht ihres Verlobten Timante, Prinz von Tyrus, welcher sich als Sklave verkleidet unter den Gefangenen versteckt. Unerwartet überbringt Coralbo Floridante den königlichen Befehl, sofort die Führung des Heeres abzugeben und das Land zu verlassen. Die Töchter versuchen, den Vater umzustimmen, aber dieser bleibt hart. In einer ruhigen Minute gesteht Oronte Elmira seine Liebe; er will sie selbst zur Frau nehmen. Diese, entsetzt über den vermeintlichen Inzest, weist ihn entschieden zurück. Oronte erzählt ihr, sie sei gar nicht seine leibliche Tochter, sondern die einzige Thronfolgerin des vorherigen Herrschers. Timante offenbart Floridante seine wahre Identität und bietet seine Hilfe an. Rossane und Timante gestehen sich ihre gegenseitige Liebe. Elmira versteckt Floridante als Mohr verkleidet im Palast, doch werden beide von Oronte entdeckt und in den Kerker geworfen. Der Tyrann bietet Elmira die Wahl zwischen Thron oder Tod, aber ihre Liebe zu Floridante ist stärker. Coralbo erklärt ihr, daß das Volk immer noch dem alten Herrscher und dessen verloren geglaubten Tochter die Treue hält. Zusammen mit Timante zettelt er einen Aufstand an, wodurch Oronte vom Thron vertrieben wird. Elmira krönt Floridante zum rechtmäßigen Herrscher.
Aufführung
Noch während sich das Auditorium mit Gästen füllt, kann man auf der schräg nach hinten zulaufenden Bühne Oronte mit seinen Töchtern beim Speisen beobachten. Zusätzlich von einer Kamera gefilmt und gleichzeitig auf einen Teil der Glaswand projiziert, die die gesamte Szene umgibt, spiegelt sich die Szene dank des Lichtes zweifach. Im weiteren Verlauf der Oper werden Tisch sowie Stühle zu den wichtigsten Requisiten umfunktioniert. So dient der nun hochkant aufgestellte, ovale Tisch mit seiner spiegelglatten, schwarzen Oberfläche in der Verkleidungsszene Floridantes z.B. als Spiegel. Die Protagonisten sitzen oder liegen darauf, verstecken sich darunter oder nutzen sie als imaginäre Grenzen. Farbliche Kontraste zu der schlichten, nur durch Lichtstimmungen variierenden Glasbaukonstruktion als moderne Variante eines persischen Palastes und den durchgehend schwarzen Möbeln, bieten einige rote Rosen sowie Erdbeeren, mit denen sich Rossane und Timante liebevoll neckend gegenseitig bewerfen. Die ebenso schlichten Kostüme bilden eine Mischung aus historisch-barock angehauchten und modern-zeitgenössischen Elementen. So erscheint zum Beispiel Elmira während Orontes Herrschaft im schlichten weißen Korsagenkleid, präsentiert sich aber ihrem Volk zum Schluß im eng taillierten dunkelblauen Blazer mit dazu passender Röhrenjeans.
Sänger und Orchester
Das vorwiegend junge Ensemble erfüllt das Intrigenspiel durch frisches Auftreten und Freude am kunstvollen Gesang mit purer Lebensenergie. Mariselle Martinez (Floridante) verleiht ihrer Hosenrolle heroische Männlichkeit. Besonders in den langsamen Ariosi zeigt sie ihr stimmliches Können. Ruhig fließende Töne langer Legatobögen stellte sie in Kontrast zu spritzigen, aber exakt pointierten Koloraturen. Elin Rombo gab Timante jugendlich-männlichen Charme und verschmolz regelrecht mit ihrer Rolle. In all ihren Arien, aber vor allem in dem kurzen Amor commanda, onore invita – Amor befiehlt mir, mich ruft die Ehre zeigte ihr kraftvoller Sopran sowohl schwungvolle als auch konkrete Koloraturen. Eher enttäuschend hingegen war Virpi Räisänen als Elmira. Ihr engagiertes Spiel half nicht über den Makel einer zu schwachen Stimme hinweg, welche trotz direkter Plazierung an der Rampe selten über das von Dirigent Christopher Molds differenziert geführte Händelfestspielorchester Halle hinwegtrug. Ihre Koloraturen wirkten angestrengt und ungenau. Sonya Yoncheva verlieh ihrer Rossane eine naive-liebliche Note. Ihr kraftvoller Mezzo bildete ein perfektes Pendant zu Elin Rombos’ Stimme. Raimund Nolte und Ki-Hyun Park als einzige Männerstimmen rundeten das Ensemble sowohl stimmlich als auch darstellerisch ab.
Fazit
Die vom Regieteam geschaffenen märchenhaft-lichten, poetischen Bilder und Kostüme in Kombination mit dem Klanggeschehen, historische Instrumente und junge, kraftvolle Stimmen, verwandelt die Händeloper in ein zeitlos gültiges Geschehen. Dieser gleichzeitig durchdachte und unterhaltsame Opernabend zeigt beim Applaus jedoch ein gespaltenes Publikum.

Josephin Wietschel
Bild: Gert Kiermeyer
Das Bild zeigt: Sonya Yoncheva (Rossane) erblickt zum ersten Mal Elin Rombo (Timante), während sich Virpi Räisänen (Elmira) und Mariselle Martinez (Floridante)freudig begrüßen nach der Heimkehr des siegreichen Feldherrn.

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