von Wolfgang A. Mozart (1756-1791); Opera buffa in vier Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte, UA: 1. Mai 1786 Wien, Burgtheater
Regie: Susanne Lietzow, Bühne/Kostüme: Marie-Luise Lichtenthal und Julia Pommer
Dirigent: Alexander Merzyn, Philharmonisches Orchester, Opernchor des Landestheater Coburg, Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio
Solisten: Felix Rathgeber (Figaro), Julia Da Rio (Susanna), Salomon Zulic del Canto (Graf Almaviva), Ana Cvetkovic-Stojnic (Gräfin Almaviva), Verena Usemann (Cherubino), Francesca Paratore (Barbarina), Michael Lion (Bartolo), Gabriela Künzler (Marcellina), Dirk Mestmacher (Don Basilio, Don Curzio), Freimut Hammann (Antonio)
Besuchte Aufführung: 8. Juni 2017
Figaro und Susanna sind Bedienstete des Grafen Almaviva und wollen heiraten. Cherubino entdeckt, daß der Graf Susanna nachstellt und deshalb will der Graf ihn als Offizier wegbefördern. Nachdem Cherubino der Gräfin ein Liebeslied vorgetragen hat, klopft der wütende Graf an die Tür. Cherubino kann aus dem Fenster flüchten, der Graf findet nur Susanna vor. Der Gärtner Antonio berichtet, er habe Cherubino aus dem Fenster springen sehen, aber Figaro behauptet, er wäre es gewesen. In den Tumult platzt Marcellina herein. Sie hatte Figaro Geld geliehen und verlangt das vereinbarte Geld für das Heiratsversprechen. Die Heirat ist vom Tisch, als sich herausstellt, daß Marcellina Figaros Mutter ist. Nachts erwartet die Gräfin in Susannas Kleidern den treulosen Ehemann im Park. Figaro glaubt hingegen, seine Ehefrau will ihn betrügen. Einige Verwirrungen später finden die Paare wieder zueinander.
Aufführung
Auf einer sonst leeren Bühne, vor einem mal hellen, mal dunklen Hintergrund stehen einzelne barocke Möbel. So steht im zukünftigen Zimmer der Bediensteten ein Umzugskarton, aus dem ein großes Prunksofa herauskommt, unter deren Polsterung sich trefflich Verstecken spielen läßt. Im Zimmer der Gräfin stehen zwei große Spiegel, die Seitenwände deuten die Wandschränke nur an. Statt eines Fensters springt Cherubino in eine Bodenluke, der Gärtner Antonio klettert daraus hervor. Auf den Hintergrund werden barocke Tapeten-Figurinen, Charakterstudien der handelnden Personen oder graphische Erläuterungen zur Handlung projiziert. Für den Garten stehen dabei überdimensionale Blütenpflanzen. Die farbenfrohe Kleidung zeigt einen frivol-frechen Blick auf barocke Gewandungen: Cherubinos Kostüm unterstreicht die Zwitterhaftigkeit der Rolle, während Basilio eine Mischung aus Gothic und dunklem Vampir ist. Dem blinden Bartolo fehlt der modebewußt-knurrende Blindenhund, denn die barocken Perücken sind turmhoch-schräg.
Sänger und Orchester
Felix Rathgeber kann den Figaro nicht nur charakterlich, sondern auch stimmlich vielschichtig gestalten. Sein sicherer Baßbariton verfügt über eine große Palette an Stimmfarben und Ausdruckskraft. Die jugendlich strahlende Julia Da Rio paßt als Susanne wunderbar zu ihm. Salomon Zulic del Canto als Graf Almaviva gibt den souverän zurückhaltenden Barockfürsten: Trotz voluminöser Stimme und überzeugender Rollengestaltung wäre etwas mehr Ausdruck im „Sturm und Drang“ schön.
Ana Cvetkovic-Stojnic ist seine ideale Gräfin. Sie verfügt über eine leuchtende und manchmal etwas zu durchschlagsstarke Stimme. Sie demonstriert ein wirkliches zärtliches verhaltenes Pianissimo mit dem sie ihre Auftrittsarie Porgi, amor, qualche ristoro al mio duolo– Gib Liebe, etwas Linderung meinem Schmerz zum Erlebnis macht. Die hohen Töne erreicht sie mit Kraft und Nachdruck. Das etwas gespaltene Verhältnis des alten Ehepaares wird so sehr glaubhaft. Für Verena Usemann entwickelt sich der Cherubino zu einer Hauptrolle. Voi che sapete che cosa è amor – Ihr, die ihr wißt, was Liebe ist kann mit dem Tempo Schritt halten, die Noten singt sie aus und der Text bleibt verständlich. Mit ihrer jugendlich-naiven und glasklar-leichten Stimme wird die Mann-Frau-Rolle nicht nur plausibel, sondern auch eine beispielhafte Interpretation.
Michael Lion als tiefensicherer Wagnersänger hat keine Probleme, den Bartolo als etwas ahnungslose Gestalt zu zeichnen. Gabriela Künzler als Marcellina ist mit ihrer harten Altstimme – mit Tendenz zum Mezzo – eher eine „rauhe Geliebte“ und paßt zu diesem Bartolo wunderbar. Dirk Mestmacher ist als Spieltenor mit der Doppelrolle mit Don Basilio und Don Curzio als Witzfiguren gut im Rennen. Ein weiterer Erfolgsgarant ist das Philharmonische Orchester unter Alexander Merzyn. Schon die Ouvertüre ist inspirierend, als ob die Musiker freudestrahlend ins Haus marschierten. Musikalische Kostbarkeiten werden gepflegt, Figaros Arie Non più andrai, farfallone amoroso, notte e giorno d’intorno girando,– Du streichst nicht mehr Tag und Nacht wie ein verliebter Schmetterling umher ist nicht nur ein Spottlied auf Cherubino, sondern erlebt man wirklich als ein Marsch.
Fazit
Dieser Figaro ist eine heitere Sommerverwechslungskomödie – allein schon wegen der frivol-farbenprächtigen pseudo-barocken Kostüme. Die Handlung folgt dem originalen Vorwurf und bemüht sich, die komplizierten Verstrickungen zu erläutern – auch mittels erläuternder Videos im Hintergrund. Sängerisch ist diese letzte Produktion der Intendanz von Bodo Busse mit einem erfahrenen Ensemble heraus sangesfreudig mitreißend besetzt. Stürmischer Applaus zum würdigen Abschluß!
Oliver Hohlbach
Bild: Andrea Kremper
Das Bild zeigt: Michael Lion (Bartolo), Gabriela Künzler (Marcellina) schmieden Ränke