von Richard Wagner (1813-1883), Musikdrama in drei Aufzügen, Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Libretto: R. Wagner, UA: 26. Juni 1870 München, Königliches Hof- und Nationaltheater
Regie: Vera Nemirova, Bühnenbild Günther Schneider-Siemssen, Rekonstruktion Bühnenbild und Kostüme: Jens Kilian
Dirigent: Christian Thielemann, Sächsische Staatskapelle Dresden
Solisten: Peter Seiffert (Siegmund), Georg Zeppenfeld (Hunding), Vitalij Kowaljow (Wotan), Anja Harteros (Sieglinde), Anja Kampe (Brünnhilde), Christa Mayer (Fricka), u.a.
Besuchte Aufführung: 17. April 2017
Der verfolgte Wälsunge Siegmund findet bei der verlorengeglaubten Zwillingsschwester Sieglinde Zuflucht und zeugt Siegfried. Fricka verlangt Sühne für Ehebruch und Blutschande. Durch die eigenen Gesetze gebunden, muß Wotan Siegmund opfern. Todgeweiht will Siegmund die Schwester lieber töten, als ungeschützt zurückzulassen. Da beschließt Brünnhilde, entgegen Wotans Befehl, die Wälsungen zu retten, doch Wotan bewirkt Siegmunds Tod. Brünnhilde flieht zunächst mit Sieglinde vor Wotan, aber Wotan bestraft Brünnhilde und bettet sie in einen Feuerring, aus dem nur ein Held sie erretten kann.
Aufführung
Dominant, omnipräsent und aus dem mystischen Dunkel stets wirkend: die Bühnenbilder von Günther Schneider-Siemssen haben Operngeschichte geschrieben, zeigen relativ einfach gestaltete Motive. Da ist die riesige Esche mit einem Tor zwischen den Wurzeln, wie ein riesiger Mammutbaum. Da ist die bühnenfüllende Ringscheibe, die sich teilen und verfahren kann und die beiden letzten Akte bestimmt. Relativ wenige Gegenstände kommen noch in den Blick: ein Sessel für Wotan und Fricka (getragen von zwei Widdern), eine Feuerstelle für die Wälsungen, Stockpferde für die Walküren und ein schlicht-feuriger Feuerzauber zum Schluß. Die Kostüme sind den Original-Kostümen nachempfunden, entstammen mystischen Urzeiten oder einem Designer der Gegenwart.
Sänger und Orchester
Mit der Walküre ist die Staatskapelle wie im Schlaf vertraut: die Abstimmung aller Instrumentengruppen ist perfekt austariert, da gibt es keine Intonationsprobleme oder im Zusammenspiel Lautstärkeunterschiede. Man kann die Crescendos über mehrere Takte hinweg verfolgen (und es ist wirklich eine Steigerung!) oder einen harten Schnitt zwischen Fortissimo und Pianissimo machen. So wird der Walkürenritt eher zu einer epischen Erzählung über die Walküren und weniger zu einer blechlastigen Filmmusik. Man kann von einer Zusammenarbeit und eher weniger von einer Leitung durch Christian Thielemann sprechen: man atmet miteinander, man wirkt zusammen, da wird das Gesamtkunstwerk Wagners zum Leben erweckt und nicht herunter gespielt.
Auch bei der Solisten-Besetzung kann man von historisch sprechen. Peter Seiffert sang bis 2000 in Bayreuth den Ritter Stolzing – als einer der wenigen Heldentenöre im Wagnerfach, die dieses Attribut verdienen. Als Siegmund nimmt er sich etwas zurück, die Stimme klingt kaum brüchig, die exponierten Töne sitzen. So wird die Rolle tiefsinnig ausgeleuchtet.
Georg Zeppenfeld befindet sich jetzt als Wagnerbaß in der Weltspitze. Mit seiner wohlklingenden Stimme gibt er jeder Rolle entsprechende Tiefe und charakterisiert den Hunding als intellektuellen Bösewicht. Anja Kampe hat als Brünnhilde bei den dramatischen Ausbrüchen kleinere Probleme. Das Forcieren kostet Kraft und geht auf Kosten der Schönheit. Die Gestaltung von Brünnhildes Abschied gelingt dank tadelloser Stimmführung, vereint mit mädchenhafter Attitüde. Daß dieses Duett unvergeßlich ist liegt an Vitalij Kowaljow als Wotan: Sichere Höhe, fast schwarze aber dennoch leuchtende Tiefe und unendliche Kraftreserven. Mühelos sicher gelingt ihm Leb wohl, du herrliches kühnes Kind als Ausdruck von Verzweiflung und Zuneigung: Fast könnte man von Taschentuch-Oper sprechen.
Anja Harteros ist ein schwerer Sopran und deckt damit gerade im ersten Akt die Schönheiten im Liebeschwur der Sieglinde zu. Der Verzweiflung und Dramatik während der Flucht gestaltet sie hingegen mit großem Ausdruck. Auch Christa Mayer hat viel Erfahrung im Wagner-Fach. Ihre Fricka ist durch dezent geäußerte Häme und Spott gegenüber ihrem sich windenden Gatten gekennzeichnet. Deiner ew’gen Gattin heilige Ehre wird zum Menetekel des Untergangs Siegmunds und damit auch Wotans.
Fazit
Fünfzig Jahre alt werden die Salzburger Osterfestspiele in diesem Jahr. Da ist es zulässig auf diese fünfzig Jahre zurückzublicken und sich mit der Eröffnungsproduktion aus dem Jahr 1967 zu beschäftigen, für das Günther Schneider-Siemssen legendäre Bühnenbilder schuf, während Herbert von Karajan für Regie und musikalische Leitung verantwortlich zeichnet, er hat die Festspiele auch aus dem Boden gestampft. Die Bühnenbilder hat man aufwendig liebevoll rekonstruiert.
Das Bühnengeschehen wird von Vera Nemirova neu in Szene gesetzt, die sich hinsichtlich Regieeinfällen und Überaktionismus dankenswerterweise zurückgenommen hat und wahrscheinlich den Intentionen Karajans sehr nahe kommt – wenn man absieht von Texten und Grafiken zusätzlichen, die in den Hintergrund projiziert werden. Die mystischen Bühnenbilder tragen die Produktion, beseelen auch die Staatskapelle Dresden mit Christian Thielemann, den man ja auch als eine Art Nachfolger Karajans sehen kann. Stürmischer Applaus ungeahnten Ausmaßes für alle Beteiligten – eine Sternstunde der Oper!
Oliver Hohlbach
Bild: OFS/Forster
Das Bild zeigt: Anja Harteros (Sieglinde), Georg Zeppenfeld (Hunding)