von Richard Wagner, Oper in drei Aufzügen, Libretto : Richard Wagner, UA: 2. Januar 1843 Dresden
Regie: Reinhardt Friese, Bühne/Kostüme: Annette Mahlendorf
Musikalische Leitung: Walter E. Gugerbauer, Hofer Symphoniker, Opernchor, Choreinstudierung: Hsin-Chien Fröhlich
Solisten: Rainer Mesecke (Daland), Tanja Christine Kuhn (Senta), Alexander Geller (Erik), Stefanie Rhaue (Mary), Minseok Kim (Steuermann Dalands), James Tolksdorf (Holländer), u.a.
Besuchte Aufführung: 22. September 2017 (Premiere)
Der fliegende Holländer ist dazu verdammt, auf ewig die Weltmeere zu befahren, bis er durch die Liebe einer Frau seine Erlösung im Tod findet. Daland, der in einer Bucht auf ihn trifft als er Schutz vor einem Sturm sucht, ist von seinen Schätzen beeindruckt und verspricht ihm die Hand seiner Tochter, die ihm auch die erhoffte ewige Treue verspricht. Als der Holländer jedoch mitanhören muß, wie der Jäger Erik sie an ein einst ihm gegebenes Treueversprechen erinnert, fühlt er sich betrogen, kehrt auf sein Schiff zurück und lichtet die Anker. Senta stürzt sich ins Meer. Das Schiff des Holländers versinkt, Sentas Tod aus Liebe bringt dem Holländer die Erlösung.
Aufführung
Die Regie läßt Senta träumen – auf einer surrealen Spielfläche mit „lebendigen“ Toten, die die Bühne unsicher machen. Senta ist somit zweimal auf der Bühne im weißen Kleid. Die lebenden Leichen der übrigen (Alp-)Traumfiguren sind eher dunkel gewandet und passen zur Entstehungszeit ins Biedermeier. Nur der Holländer mit seinen Rüschen verweist auf die mystischen Urzeiten. Gespielt wird im Vordergrund auf einem Podest, im Hintergrund sind scherenschnittartig Schiffe zu sehen, die unterschiedlich beleuchtet werden, sich zu bewegen scheinen. In der Spinnstube sieht der Frauenchor durch Bullaugen, wie das Ballett die weißen Puppen tanzen läßt.
Sänger und Orchester
Die große Überraschung ist die herausragende Besetzung der Rollen des Erik und Senta durch Gäste: Tanja Christine Kuhn verfügt über einen jugendlich klaren aber auch durchschlagsstarken Sopran, der mit den Höhen und Tiefen und den hohen Ansprüchen der Ballade keinerlei Probleme hat. Ihre Senta ist nicht (nur) die Träumerin, sie steht mit beiden Beinen fest im Leben. Alexander Geller ist ein wunderbarer ausrucksstarker Spieltenor, der der Gesangslinie mit spielerischer Leichtigkeit folgen kann und Willst jenen Tags dich Du nicht mehr entsinnen? mit viel Gefühl und Verve an Senta richtet.
Die Hauptrolle des Holländers füllt James Tolksdorf mit großer Durchschlagskraft und ausgefeilter Stimmführung aus. Mit seiner extrem hohen Reichweite vom Baß bis hin zu tenoralen Lagen hat er keinerlei Probleme von Anfang an mit dem Auftrittslied Die Frist ist um zu überzeugen. Stefanie Rhaue formt die Mutterfigur Mary zu einer zentralen Rolle. Mit ihrem dunkel timbrierten, kräftigen Alt kann sie sowohl mitfühlend als auch bösartig keifig sein – und nicht ganz frei von Schärfe. Rainer Mesecke kann nur im baritonalen Bereich punkten, in der Tiefe fehlt ihm jegliche Stehkraft. Als Daland ist er fehlt am Platz.
Minseok Kim aus dem Chor kann als Steuermann zumindest einen Achtungserfolg erringen, sein Textverständnis sorgte für ungewollte Heiterkeit. Walter E. Gugerbauer gibt diesem Frühwerk des großen Meisters, der eher mit der Nachbarstadt Bayreuth verbunden ist, die entsprechende Dynamik, auch wenn die Feinabstimmung zwischen Orchester und Chor noch etwas verbesserungswürdig ist. Er nimmt das Stück nicht nur mit „stürmischer“ Wucht, auch die leisen Passagen kann er einfühlsam gestalten, so daß man auch immer wieder neue Schönheiten zu entdecken glaubt.
Fazit
Wenn ein sogenanntes kleines Haus Wagner spielt, sind alle knappen Ressourcen ausgereizt: Der Damenchor besteht aus zehn Frauen, der Herrenchor immerhin aus zwanzig Männern, das Orchester spielt in kleiner Besetzung, das funktioniert an kleinen Bühnen erstaunlich gut, nur szenisch sollte man sich etwas einfallen lassen.
Aber leider rettet sich das szenische Konzept von Intendant Friese von Notlösung zu Notlösung, wirft mehr Fragen auf als beantwortet werden können und kommt auch zu keinem Schluß: Die träumende Senta geht ab und läßt ihre Traumgestalten hilflos zurück. Das Ballett ersetzt den Geisterchor, der offensichtlich per Band zugespielt wird: Der Auftritt ganz in weiß wirkt wie eine makabre Clowneske aus der Commedia del Arte und wirkt planlos und deplaziert. Ob ein vom Bühnenboden fallendes weißes Bündel die von der Klippe springende Senta darstellen soll – die außerdem sowieso schon zweimal auf der Bühne in persona steht – weiß nur der Regisseur. Vorhang zu und viele Fragen offen! Der Begeisterung des Publikums tut dies keinen Abbruch. Geradezu heftiger Applaus für die Solisten, Chor und Orchester.
Oliver Hohlbach
Bild: Harald Dietz