von Gaetano Donizetti, Dramma tragico in drei Akten, Libretto: Salvatore Cammarano nach dem Roman The Bride of Lammermoor von Sir Walter Scott. UA: 26. Sept. 1835, Neapel, Teatro San Carlo
Regie: Sabine Hartmannshenn, Bühne: Dieter Richter, Kostüme: Susana Mendoza, Dramaturgie: Ursula Benzing
Dirigent: Marco Comin, Orchester, Opernchor, Extrachor des Staatstheaters Kassel
Solisten: Geani Brad (Lord Enrico Ashton), Nicole Chevalier (Lucia di Lammermoor, seine Schwester), Erin Caves (Edgardo di Ravenswood), Johannes An (Lord Arturo Bucklaw), Derrick Ballard (Raimondo Bidebent, Geistlicher), Inna Kalinina (Alisa, Vertraute Lucias), Jae-Wan Kim (Normanno, Untergebener Enricos)
Besuchte Aufführung: 12. Juni 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Die Adelshäuser Ravenswood und Ashton sind verfeindet. Um seine Macht zu retten, will Lord Ashton seine Schwester Lucia mit dem reichen Lord Bucklaw verheiraten. Diese aber liebt Edgardo di Ravenswood. Normanno, ein vertrauter Ashtons, berichtet vom Verdacht, daß Lucia den Feind liebt. Edgardo muß nach Frankreich. Zum Abschied tauscht er mit Lucia Ringe. Mit einem gefälschten Brief Edgardos, der seine Untreue bezeugt, überredet Enrico Lucia zur Hochzeit mit Bucklaw. Lucia wünscht sich den Tod, unterzeichnet aber, dem Bruder zuliebe, den Ehevertrag. Da erscheint Edgardo und fordert seine rechtmäßige Braut. Als ihm der unterschriebene Ehevertrag gezeigt wird, verstößt er Lucia. Die Hochzeitsfeier wird von Raimondo unterbrochen, der berichtet, Lucia habe Bucklaw im Brautbett ermordet. Sie erscheint, blutüberströmt und wahnsinnig. Dann bricht sie zusammen. Als Edgardo hört, daß Lucia gestorben sei, folgt er ihr in den Tod.
Aufführung
Der vordere Teil der Bühne, auf dem die erste Szene stattfindet, ist vom hinteren Teil mit einem Vorhang aus Plastik-Lamellen getrennt wie man sie in Schwimmbädern findet. Wieso das zweite Bild in Lucias Badezimmer spielt, blieb unklar. Im 50er-Jahreschick sind Bühnenbild sowie Kostüme: braun, ocker und senfgelb dominieren die Bühne.
Erstarrt wie eine Puppe wird Lucia nach ihrer Zustimmung zur Hochzeit, in ihr Brautkleid gesteckt.
Im letzten Akt ist das Bühnenbild auf einer Leinwand mehrfach nach hinten projiziert. In Grau- und Grünstufen gehalten ergibt dies einen gruseligen Effekt, als die geistig verwirrte Lucia, nun in dreifacher Ausführung, auf der Hochzeitstafel entlangkrabbelt. Sie hält einen Eimer Blut, aus dem sie schöpft und immer wieder ihr Gesicht, das Kleid und schließlich die Hochzeitsgäste beschmiert. Zum Entsetzen vieler Zuschauer trinkt sie auch daraus.
Von der Reue des Enrico ist in dieser Inszenierung nichts zu sehen. Der Betrunkene tanzt torkelnd mit der entsetzten Alisa um die zusammenbrechende Lucia herum.
Hervorgehoben wird in dieser Fassung die Verderbtheit des Raimondo: Er ist nicht nur für den gefälschten Brief verantwortlich, sondern zieht im zweiten Bild ein kleines Mädchen auf seinen Schoß, im dritten berührt er Lucia mehrmals unsittlich. Passend hierzu wirft sie sich im Wahn Raimondo in die Arme, entblößt seinen Oberkörper und übergießt ihn mit dem restlichen Blut aus ihrem Eimer, begleitet vom Schluß der Wahnsinnsarie
Edgardo erscheint mit Benzinkanistern und verteilt deren Inhalt auf der Bühne und zuletzt über sich selbst. So will er Lucia in den Tod folgen.
Sänger und Orchester
Mit ihrer fantastischen Stimme und genialen schauspielerischen Leistung vervollkommnet Nicole Chevalier als Lucia das Drama. Sie singt Donizettis Belcanto so glasklar, sauber und emotionsgeladen, daß man die Augen schließen und sich wünschen möchte, die ganze Oper sei eine einzige Arie der Lucia. Für ihre Darstellung erhielt Chevalier tosenden Applaus. Das Duett Sulla tromba – auf dem Grab verliert an Harmonie, da Erin Caves (Edgardo) mehrmals die Stimme wegbricht. In der Pause gibt es eine Ankündigung und Entschuldigung ob seiner bereits angegriffenen Stimmbänder. Daß er trotz seiner Disposition seinen anspruchsvollen Part mit nur wenigen Patzern zu Ende singt, bringt ihm Bravorufe ein. Derrick Ballard (Raimondo) bekommt für seine Darstellung ebenfalls Bravorufe, sein sanfter Baß wäre jedoch für eine positiven Rolle des Raimondo passender. Die Tenöre Jae-Wan Kim (Normanno) und Johannes An (Bucklaw) runden mit dem Bariton Geani Brad (Ashton) die starke Riege der Solisten positiv ab.
Fazit
Buhrufe gab es für Kostüme, Bild und Inszenierung, da die drei Verantwortlichen jedoch nicht einzeln auf die Bühne kamen, war unklar, wem diese galten. Bedauerlich, daß einige Gäste bereits in der Pause gingen, sie verpaßten ein wesentlich besseres Bühnenbild, den Höhepunkt der dramatisch-verstörenden Inszenierung, welche jedoch vielen Zuschauern zu sehr einem Horrorstreifen ähnelte, und die geniale Wahnsinnsarie der Lucia, welche allein bereits einen Besuch dieser Oper wert ist.
Janine Schreier
Bild: Dominik Ketz
Das Bild zeigt: Erin Caves (Edgardo), Nicole Chevalier (Lucia di Lammermoor) und Inna Kalinina (Alisa) mit Opernchor und Statisterie.