Die Zauberflöte – Paris, Opéra Comique

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Singspiel in 2 Akten, Libretto: Emmanuel Schikaneder, U.A.: 30. September 1791 Wien, im Theater Freihaustheater auf der Wieden

Regie: Suzanne Andrade/Barrie Kosky, Bühne/Kostüme: Esther Bialas, Animation: Paul Barrit, Konzeption: Collectif 1927 (Susanne Andrade/Paul Barritt) und Barrie Kosky, Dramaturgie: Ulrich Lenz, Licht: Diego Leetz

Dirigent: Kevin John Edusei, Orchester der Komischen Oper Berlin und der Arnold Schönberg Chor.

Solisten: Vera-Lotte Böcker(Pamina), Tansel Akzeybek (Tamino), Christina Poulitsi (Königin der Nacht), Wenwei Zhang (Sarastro, Sprecher), Dominik Königer (Papageno), Martha Eason (Papagena), Johannes Dunz (Monostatos), Nina Bernsteiner (1. Dame), Gemma Coma-Alabert (2. Dame), Nadine Weissmann (3. Dame), Timothy Richards (Erster Geharnischter), Philipp Maierhöfer (Zweiter Geharnischter), Drei Knaben des Tölzer Knabenchors

Besuchte Aufführung: 6. November 2017 (Premiere, eine Produktion der Komischen Oper Berlin)

Kurzinhalt

Die Königin der Nacht schickt dem fremden Prinzen Tamino das Bild ihrer Tochter Pamina, in das er sich verliebt. Sie fordert ihn auf, Pamina aus der Gefangenschaft des bösen Magiers Sarastro zu befreien, was Tamino verspricht. Er macht sich mit dem Vogelfänger Papageno als Begleiter auf den Weg. Tamino findet Pamina, und ihre Liebe zueinander entflammt.

Tamino erkennt bald, daß Sarastro kein böser Geist, sondern ein nobler Weiser ist, der Pamina vor ihrer selbstsüchtigen Mutter retten will. Um Pamina zu gewinnen, ist Tamino bereit, die Proben auf sich zu nehmen, die Sarastro ihm auferlegt. Sein vorgeschriebenes Schweigen treibt Pamina fast in den Freitod. Papagenos menschliche Schwächen lassen ihn die Proben nicht bestehen, aber die Götter bescheren ihm dennoch die lang ersehnte Papagena. Die letzten Proben bestehen Tamino und Pamina gemeinsam, bevor sie die Weihen empfangen dürfen. Die Königin der Nacht macht verschiedene Versuche, ihre Tochter wiederzugewinnen, stürzt aber schließlich in ewige Nacht hinab.

Aufführung

Die Sänger und Sängerinnen treten, durch drehbare Öffnungen entweder unten oder oben wie auf kleinen Balkonen, vor der bühnengroßen „Filmleinwand“ auf. Oft sieht man nur deren Kopf oder deren Büste, während der übrige Körper mit seinen Bewegungen projiziert wird. Das läßt fantastische Bilder zu, faszinierend schaurig die Königin der Nacht als Riesenspinne oder – zauberhaft – die Schmetterlingsschwärme bei der Rettung Paminas durch die drei Knaben-Schmetterlinge oder – voller Fantasie – die Tiefseefische, die bei der Wasserprobe vorbeiziehen. Auch sonst hüpfen, flattern oder kriechen eine Unzahl virtueller Geschöpfe über die Bühne.

Die Kostüme sind meist schwarz-weiß gehalten. Smoking und Cocktail- oder Abendkleid für Tamino und Pamina, Sarastro, hoch zu Elefant, und seine Priester in schwarzen Mänteln mit Vollbart und Zylinder, Monostatos als weißer Nosferatu mit schwarzem Teufel Gefolge. Nur Papageno trägt einen beigefarbenen Anzug und seine Papagena ein Glitzerkleidchen, aufputzt wie ein Zirkuspferd. Alle haben weiße Gesichter mit stark geschminkten Augen und Münder.

Die gesprochenen Dialoge des Singspiels, die nicht-deutschen Sängern und Zuhörern oft Schwierigkeiten bereiten, sind hier, wieder in Anlehnung an den Stummfilm, durch Mimik mit projizierten Spruchbändern ersetzt, die von Mozartischer Klaviermusik begleitet werden.

Sänger und Orchester

Vera-Lotte Böcker, eine der vielversprechendsten jungen Sängerinnen der deutschen Bühnen, war mit leuchtendem, nuanciertem Sopran eine anrührende und beglückende Pamina. Tansel Akzeybeks Stimme wirkte etwas gequetscht; vielleicht war er indisponiert oder auf Kriegsfuß mit der deutschen Sprache, oder beides, jedenfalls wuchs er erst im Laufe des Abends halbwegs in seine Rolle hinein. Christina Poulitsi beeindruckte als Königin der Nacht durch kühle Dramatik und kristallklares Timbre.

Wenwei Zhangs Baß ist als Sarastro gediegen und auch in der großen Tiefe noch klangvoll. Dominik Königer spielt und singt den gepeinigten Papageno mit schöntimbrierter Leichtigkeit und sauberer Stimmführung. Martha Eason ist die kinderreiche Papagena und Johannes Dunz der dämonische Monostatos.

Klangvoll erfreulich vollenden die drei Schwatz-Tratsch-Klatsch-Damen und die drei Knaben das Ensemble. Der Schönberg Chor singt kraftvoll die quasi sakralen Chöre der Oper und die zwei Geharnischten singen Furcht erregend Mozarts Version des strengen Lutherchorals von 1524.

Kevin John Edusei leitet mit Freude und Ernsthaftigkeit Soli, Chor und Orchester.

Fazit

Die Inszenierung ist weitgehend von der künstlerischen Entwicklung der 1920iger Jahre inspiriert, vor allem von Stummfilm, Kabarett, aber auch von den lebendigen Scherenschnitt-Filmen Lotte Reinigers, von Comicstrips, Tarockkarten, Walt Disney Figuren und alten Trickfilmen, ein bißchen Arik Brauer, ein bißchen Roy Lichtenstein. Kurz, ein vielfältiges Kaleidoskop, das, getragen von raffinierter, genauestens ausgeklügelter Video- und Filmtechnologie und bereichert durch Hunderte von witzigen, sich überstürzenden Einfällen, eine verspielte, etwas kühle und statische, aber heitere Kintopp-mit-Gesang-Aufführung ergibt. Man mag nicht mit allem einverstanden sein, aber es ist ohne Zweifel eine der amüsantesten und einfallsreichsten Zauberflöten Inszenierungen der letzten Jahrzehnte und gerade auch für Kinder, denen man die Oper näherbringen will, ein reichhaltiges Vergnügen.

Die musikalische Darbietung steht der szenischen nicht nach und erfreut durch jugendliche Frische. Der Applaus war stark und einhellig.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: KOB Zauberfloete DRIko Freese drama-berlin

Das Bild zeigt: Christina Poulitsi (Königin der Nacht), Tansel Akseybek (Tamino)

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