Meiningen, Südthüringisches Staatstheater – WOZZECK

von Alban Berg, Oper in 3 Akten, Libretto vom Komponisten, UA: 14. Dezember 1925, Berlin
Regie: Klaus Rag; Bühnenbild: Bernd Dieter Müller; Kostüme: Annette Zepperitz
Dirigent: Stefanos Tsialis, Meininger Hofkapelle, Chor, Einstudierung: Sierd Quarré
Solisten: Erdem Baydar (Wozzeck), Elizabeth Hagedorn (Marie), Stan Meus (Hauptmann), Dominik Nekel (Doktor), Jacques le Roux (Andres), Hans Georg Priese (Tambourmajor), Maida Karišik (Margret), Jannis Biehler (Mariens Knabe)
Besuchte Aufführung: 12. Juni 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
meiningen-wozzeck.jpgDer arme Soldat Wozzeck kämpft sich durch das Leben indem er seinen Hauptmann regelmäßig rasiert und einem Arzt als Versuchsobjekt dient. Unverstanden, gehetzt und schikaniert von der Gesellschaft hofft er bei seinem Freund Andres oder seiner Geliebten Marie, welche einen Sohn von ihm hat, Verständnis zu finden. Aber auch diese schrecken vor den verrückten Reden Wozzecks zurück. Zu der geistigen Verwirrung paart sich Wut und Eifersucht, nachdem er erfahren muß, daß sich Marie mit dem stattlichen Tambourmajor eingelassen hat. Bei einem gemeinsamen Abendspaziergang schneidet Wozzeck ihr kaltblütig die Kehle durch. Von der Gesellschaft angeekelt und von seiner eigenen Tat verfolgt ertränkt er sich kurze Zeit später in einem Teich. Am Ende bleibt nur der das Kind von ihm und Marie zurück.
Aufführung
Die Bühne wird durch einen grauen, nach rechts schräg ansteigenden Kasten ausgefüllt. Die Rückseite besteht aus drei verschiebbaren Wandteilen mit an Schießscharten erinnernden Fenstern. Der linke und einzige gerade Teil des Bodens ist mit Sand gefüllt. Im Verlauf der Oper wird dieser neutrale Raum abwechselnd zu Maries Stube, Kaserne, Zimmer des Doktors, Wald, Straße oder Kneipe umfunktioniert. Dazu dienen vor allem verschiedene Lichtstimmungen und Effekte. So werden zum Beispiel alle Außenszenen und die Wirtshausszene im zweiten Akt mit einer Wasserprojektion überzogen, wodurch zusätzlich die Verwirrtheit Wozzecks unterstrichen wird. Ist zu Beginn der Oper die Bühne hell, grau und kalt, so erscheint beim Abendspaziergang nun ein drohender, roter Mond im Hintergrund, welcher beim Mord zerfließt und die gesamte Bühne blutig überzieht. Die Kostüme sind der zeitlichen Einordnung der Handlung entsprechen. Die Mäntel und Jacken sind aus derben Stoffen. Auch hier dominiert grau. Maries Kleid und Mantel setzen sich nur durch eine Verschiebung zu taubenblau von der Allgemeinheit hab. Einzige Ausnahme bildet das Kostüm Margrets, die Nachbarin Maries. Als Charakter eher lebhaft, vulgär und aufreizend, so ist sie auch die Einzige in rot gekleidete Figur.
Sänger und Orchester
Es ist grundsätzlich schwierig über die Musik dieses Werkes zu sprechen, da sie abgesehen von ihrer Fähigkeit die dramatischen Situationen zu durchleuchten und zu verstärken, hauptsächlich aus sogenannten absoluten Formen der reinen Instrumentalmusik, zum Beispiel Fugen, Inventionen, Sonatensätzen etc. besteht, welche aber, von Alban Berg gewollt, wenig beim Hören erkannt bleiben.
Dennoch erreicht die Meininger Hofkapelle unter der Leitung von Stefanos Tsialis mit der deutschen Erstaufführung der Fassung für kleines Orchester von John Rea ein klar strukturiertes, transparentes Zusammenspiel zwischen Sängern und Musikern. Erdem Baydar interpretiert Wozzeck vor allem als eifersüchtigen, wütenden Menschen, doch der geistigkranke Mörder bleibt darstellerisch flach. Stimmlich hingegen bringt er alles, was man sich von einem Wozzeck erwartet: technische Exaktheit in der schwierigen, zwischen Gesang und gesteigertem Sprechgesang wechselnden Partie, gepaart mit Gefühl und Ausdruck. Auch Elizabeth Hagedorn als Marie läßt sich sowohl stimmlich als auch schauspielerisch – im positiven Sinne – gehen. Ihr kraftvoller Sopran überstrahlt das, zwar kleinere, aber dadurch nicht kraftlosere Orchester und wechselt problemlos von höchster Höhe in tiefen, naturalistischen Sprechgesang. Stan Meus (Hauptmann), Dominik Nekel (Doktor), Jacques le Roux (Andres), Hans Georg Priese (Tambourmajor) und Maida Karišik (Margret) präsentieren sich stimmlich von ihren besten Seiten und bilden darstellerisch ein groteskes, ausgelassenes Ensemble.
Fazit
Der Mensch liebt den Skandal. Auch ein Opernpublikum kann sich dieser Eigenschaft nicht entziehen und so bleibt das Schicksal Wozzecks für immer zum einen ergreifend-traurig und unfaßbar grauenvoll, zum anderen eine unterhaltsame, in Falle Bergs, kunstvolle Ablenkung vom Alltag. Auch in Meiningen dankt das Publikum dem großartigen Ensemble mit langem und freundlichem Applaus. Doch die letzte Szene mit dem allein zurückbleibenden Kind bleibt noch lange nach dem Verlassen des Theaters wie ein dunkler Schatten auf dem Gemüt hängen.

Josephin Wietschel

Bild: H. H. Dohmen
Das bild zeigt: Elisabeth Hagedorn (Marie) ist frustriert von dem Verhalten Erdem Baydars (Wozzeck),

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