La Cenerentola – Lyon, Opéra National

von Gioachino Rossini (1792-1868), Dramma giocoso in zwei Akten, Libretto: Jacopo Ferretti, UA: 25. Januar 1817 Rom, Teatro Valle,

Regie: Stefan Herheim, Bühne: Daniel Unger & Stefan Herheim, Kostüme: Esther Bialass, Dramaturgie: Alexander Meier-Dörzenbach

Dirigent: Stefano Montanari, Orchestre et Chœrs de l‘Opèra de Lyon, Choreinstudierung: Barbara Kler

Solisten: Cyrille Dubois (Don Ramiro), Nikolay Borchev (Dandini), Renato Girolami (Don Magnifico), Clara Meloni (Clorinda), Katherine Aitken (Tisbe), Michèle Losier (Angelina/Cenerentola), Simone Alberghini (Alidoro)

Besuchte Aufführung: 28. Dezember 2017, (Neuproduktion in Zusammenarbeit mit dem Opernhaus Oslo)

 

Kurzinhalt

Don Magnifico hat drei Töchter. Wenn es nach ihm geht, sind nur zwei davon – Clorinda und Tisbe – für etwas Besseres bestimmt. Cenerentola dagegen muß putzen, kochen, waschen. Als zufällig Prinz Don Ramiro mit seinem Diener Dandini im Hause Magnificos erscheint, um nach einer Braut Ausschau zu halten (beide haben zu Beginn ihre Rollen(Prinz/Diener) getauscht), werben Clorinda und Tisbe beide um den Prinzen. Dieser jedoch erkennt den wahren Charakter Cenerentolas. Des Prinzen Lehrer Alindoro verschafft Cenerentola Zutritt zum Ball. Während Clorinda und Tisbe mit ihrem Verhalten keinen Eindruck hinterlassen, gelingt es Cenerentola, das Herz des Prinzen zu gewinnen.

Aufführung

Der Regisseur öffnet bei Beginn der Ouvertüre den Vorhang und präsentiert dem Zuschauer eine Art Vorgeschichte. Grundidee und roter Faden ist die Darstellung des Theaters im Theater. Viele in sich verschachtelte Bühnenportale minimieren sich zu einem Fluchtpunkt, so daß selbst der Zuschauer nicht weiß, ob er dieser Illusion oder der Wirklichkeit angehört. Das Übertreten der Grenze zwischen Bühnen- und Zuschauerraum – für den erfahrenen Opernbesucher ein öfters erlebtes Phänomen – ist ein weiteres Werkzeug, dessen sich die Inszenierung des öfteren bedient. Ein weiterer Dreh- und Angelpunkt ist das Erscheinen des Komponisten (im folgenden entpuppt er sich als Don Magnifico) als Arrangeur und Strippenzieher der Geschehnisse. Mit einem Gänsekiel in der Hand dirigiert er die handelnden Personen. Amüsant auch der Chor: alle Herren erscheinen mit Rossiniperücken und vervielfachen die Gegenwart des Komponisten ins uferlose. Schön zu sehen sind die Arrangements des Ensembles zu plastischen Gruppenbildern, was in seiner harmonischen Architektonik eine Freude das Auge des Zuschauers ist.

Sänger und Orchester

Unter der Stabführung von Stefano Montanari entfaltet sich eine für Ohr und Geist erfreuliche Klangkulisse. Das Orchester schmiegt sich dem italienischen Gusto des Dirigenten an, vor allem die Holzbläser (Flöte, Oboe, Klarinette) strahlen eine wohlige Wärme aus und treten in eine lyrische Symbiose mit den Sängerinnen und Sängern. Eindrucksvoll präsentiert sich Renato Girolami in der Partie des Don Magnifico. Er ist ein echter Italiener, was er durch Gesang und Artikulation unmißverständlich zum Ausdruck bringt. Sein Landsmann Simone Alberghini als Alidoro steht im hier in nichts nach. Auch die Partie der Cenerentola (Michèle Losier) kann sich hören lassen. Auch wenn die virtuosen Belcanto-Passagen teilweise ein wenig brav und verhalten wirken, rauscht ihr weicher Mezzosopran sinnlich durch die anspruchsvolle Partie. Der Tenor Cyrille Dubois in der Partie des Don Ramiro ist ein klarer, leicht metallic klingender Belcanto. Seine Worte sind klar verständlich, nur in den Spitzentönen neigt er dazu, ein wenig zu verkrampfen und dadurch die Vokalfärbung zu verwässern, was den Glanz seines Könnens ein wenig trübt. Eine solide, an einigen Stellen zum possenhaft neigenden Baritonpartie präsentiert uns Nikolay Borchev als Dandini. Das Schwesternduo Clorinda-Tisbe (Clara Meloni – Katherine Aitken) ist gut aufeinander eingespielt, die beiden Stimmen vereinen und trennen sich beinahe wie auf natürliche Weise. Lediglich die Unterschiede des Stimmfaches (Sopran – Mezzosopran) lassen den Zuhörer die beiden deutlich voneinander unterscheiden.

Fazit

Die Franzosen zeigen mit dieser Produktion, daß sie zurecht Rossini als einen der Ihren bezeichnen können. Den Opernfreund erwartet ein humorvolles Stück in einer souveränen musikalisch-künstlerischen Darbietung und einer schönen szenischen Aufbereitung mit wohl ausgewählten Kostümen. Ab und an fühlt man sich von der Anhäufung der Regie-Einfälle überrannt. Daß der Zuschauer bereits während der Ouvertüre eine Überzahl optischer Eindrücke zu verarbeitet hat, weist auf manch spätere Situation hin – manchmal ist weniger mehr.

Daniel Rilling

Bild: Jean-Pierre Maurin

Das Bild zeigt von li nach re: Clara Meloni (Clorinda), Renato Girolami (Don Magnifico), Katherine Aitken (Tisbe), Michèle Losier (La Cenerentola-Das Aschenputtel), Cyrille Dubois (Don Ramiro, der Prinz), Simone Alberghini (Alidoro) und Nikolay Borchev (Dandini)

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