Götterdämmerung – Dresden, Semperoper

von Richard Wagner (1813-1883), in drei Aufzügen und einem Prolog, Dritter Tag Der Ring des Nibelungen, Text vom Komponisten UA: 17. August  1876 Bayreut., Festspielhaus

Regie: Willy Decker, Bühne: Wolfgang Gussmann, Kostüme: Frauke Schernau

Dirigent: Christian Thielemann, Staatskapelle Dresden, Sächsischer Staatsopernchor Dresden, Chor:  Jörn Hinnerk Andresen

Solisten: Andreas Schager (Siegfried), Iain Paterson (Gunther), Falk Struckmann (Hagen), Nina Stemme (Brünnhilde), Albert Dohmen (Alberich), Edith Haller (Gutrune), Christa Mayer (Waltraute) u.a.

Besuchte Aufführung: 1. November 2017 (Wiederaufnahme)

Kurzinhalt

Für Siegfried besitzt der von Alberich verfluchte Ring des Nibelungen ewige Macht. Auch Hagen, Halbbruder des Fürsten Gunther, möchte den Ring besitzen. Als es Siegfried an den Rhein zu Gunther verschlägt, verliert er unter dem Einfluß eines Zaubertranks jede Erinnerung an Brünnhilde, heiratet Gutrune und verspricht Gunther Brünnhilde zur Frau. Haßerfüllt wendet sich Brünnhilde gegen Siegfried und berichtet, daß sie quasi vermählt seien. Für seinen Betrug an Gunther tötet Hagen auf der Jagd Siegfried, doch Hagen erringt nicht den Ring, denn Brünnhilde stürzt sich mit dem Ring in den für Siegfried brennenden Scheiterhaufen. Die Flammen erfassen Walhall, die Götterdämmerung bricht an: Der Ring versinkt im Rhein und die Welt ist erlöst vom Fluch.

Aufführung

Die Nornen treffen sich noch auf den Stuhlreihen aus der Walküre, auf den Walkürenfelsen sieht man durch ein rundes Guckloch. Die Gibichungen wohnen in einer monumentalen Villa mit Panoramafenster, durch das man auf das Rheintal blickt. Ein riesiger Globus und Ledersofa gehören auch zum Inventar. Siegfrieds Tod findet wieder auf einer Stuhlreihe statt. Auf dieser finden sich auch die Götter ein samt letztem Auftritt Wotans, um den Weltenbrand zu erleben, der leider nur ein roter Feuerschein ist. Zum Schluß rollt Erda die Weltenkugel aus dem Rheingold herein. Die Kostüme sind etwas phantasielos einer zeitlosen Abendgarderobe-Mode entnommen.

Sänger und Orchester

Andreas Schager hat sich zu einem der führenden schweren Wagner Heldentenöre entwickelt. So zeigt er tenoralen Schönklang, strahlenden Glanz, auch in der Höhe Durchschlagskraft und klingt doch immer unangestrengt und leuchtend. Und er kann dem tumben Naturburschen Siegfried durchaus intellektuell-menschliche Züge verleihen. Iain Paterson ist ein unangestrengter Gunther, Albert Dohmen ist in der Rolle des hämisch drohenden Alberich an jeder Staatsoper die erste Wahl. Falk Struckmann gibt den Hagen mit einer wortgewaltigen Rollengestaltung, wenn der altgediente Wagnerbariton machtvoll zum Mord ruft.

Nina Stemme ist durchaus ein dramatischer Sopran, zeichnet von der Brünnhilde ein dynamisches, ein vielschichtiges Bild. Auch Edith Haller kann man zu den dramatischen Sopranen rechnen. Mit klaren sicheren Höhen sorgt sie für vokale Klarheit. Sozusagen eine „verschwenderische“ Besetzung der Gutrune, die so die Konturen einer stolzen germanischen Fürstentochter bekommt. Christa Mayer und ihr schwerer, samtener Mezzo ist kaum noch aus dem Wagnerfach wegzudenken. Der Verzweiflung und der nachdrücklichen Forderungen der Waltraute gibt sie weiten Raum.

Diese Götterdämmerung zeigt eindrucksvoll, wie stark die Staatskapelle und Christian Thielemann zusammengewachsen sind: Die Abstimmung aller Instrumentengruppen ist perfekt austariert, da gibt es keine Intonationsprobleme oder im Zusammenspiel Lautstärkeunterschiede. Man kann die Crescendos über mehrere Takte (und sie zeigen wirklich eine Steigerung!) oder einen harten Schnitt zwischen Fortissimo und Pianissimo hin verfolgen. So wird der Siegfrieds Rheinfahrt eher zu einer epischen Erzählung und keinesfalls zu einer blechlastigen Filmmusik. Diese Zusammenarbeit mit Christian Thielemann ist eindrucksvoll: Man atmet miteinander, man wirkt zusammen, da wird das Gesamtkunstwerk Wagners zum Leben erweckt.

Fazit

Sicherlich, etwas problematisch ist die Inszenierung: Willy Decker war nach der Götterdämmerungs-Premiere sogar bereit den ganzen Ring noch einmal zu überarbeiten. Am Ende der langen Entstehungsdauer (die große Elbeflut unterbrach die Arbeiten am Ring) wirkt das Finale sehr erzwungen, um seine Vorgaben aus dem Rheingold und Walküre zu treffen. Aber außer der Vergewaltigung Gutrunes und ihre Ermordung Hagens bleibt die Handlung und die plausible Personenregie erfreulich werkkonform. Die Solisten sind eine stimmgewaltige Auswahl der besten Wagnersänger derzeit. Thielemann und die Staatskapelle sind im Wagnerfach ebenfalls in der Weltspitzengruppe – wenn man von den Wacklern im Blech absieht: das verbucht man unter der Tagesform. Nach dem Finale atemlose Spannung im Publikum, bis nach gefühlten 30 Sekunden sich der Enthusiasmus Bahn bricht. Eine Sternstunde!

Oliver Hohlbach

Bild: Erwin Döring

Veröffentlicht unter Dresden, Semperoper, Opern