Die Tote Stadt – Dresden, Semperoper

von Erich Wolfgang Korngold (1897-1957), Oper in drei Bildern, Libretto: E. W. Korngold und Paul Schott, UA:4. Dezember 1920 Hamburg und Köln

Regie: David Bösch, Bühne: Patrick Bannwart, Kostüme: Falko Herold

Dirigent: Dmitri Jurowski, Staatskapelle Dresden, Sächsischer Staatsopernchor, Kinderchor der Sächsischen Staatsoper Dresden, Chor:  Jörn Hinnerk Andresen und Claudia Sebastian-Bertsch

Solisten: Burkhrad Fritz (Paul,) Manuela Uhl (Marietta/Marie), Christoph Pohl (Frank/Fritz), Christa Mayer (Brigitta), Tahnee Niboro (Juliette), Grace Durham (Lucienne), Khanyiso Gwenxane (Victorin), Timothy Oliver (Graf Albert)

Besuchte Aufführung: 16. Dezember 2017 (Premiere)

Kurzinhalt

In der „Toten Stadt“ Brügge lebt Paul zurückgezogen nach dem Tod seiner Frau Marie. Unversehens begegnet er der Tänzerin Marietta, die eine auffallende Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Frau hat. Auf Maries Laute begleitet sich Marietta beim berühmten Lied Glück, das mir verblieb. Für Paul verschwimmen Wirklichkeit und Traum zu einer Vision: Marietta verläßt, von Liebhabern umschwärmt, das Theater und spielt die diabolische Nonnenerweckung aus Giacomo Meyerbeers Oper Robert le Diable. Paul beschuldigt Marietta daraufhin der Gottlosigkeit. Marietta folgt Paul in sein Haus, tanzt mit der „Reliquie“, der Haarflechte der verstorbenen Marie, bis Paul sie in höchster Erregung erdrosselt. Paul erwacht aus seiner Vision und beschließt, Brügge zu verlassen.

Vorbemerkung

Theoretisch ist die Tote Stadt nur eine „kleine Oper“, denn neben den zwei Hauptdarstellern existieren nur noch Nebendarsteller, von dem Brigitta, Frank und Fritz die bedeutendsten sind. Allerdings ist die Besetzung dieser Rollen meist schwierig.

Aufführung

Das Bühnenbild zeigt einen düsteren, heruntergekommenen Wohnraum, der wie eine Leichenhalle aus einem Horrorfilm wirkt. Beherrscht wird die Szene durch ein expressionistisches graues Bild von Marie, das man auch als Sterbebild sehen kann. Die weißgekleideten Nonnen, die eigentlich gerade aus ihren Gräbern heraufsteigen, werden später ähnliche Bilder tragen, die noch deutlicher den Tod zeigen. Der aufbewahrte Zopf der Marie ist durch ein riesiges, staubiges Spinnennetz ins Unendliche verlängert. Einzig die roten Rosen sorgen für einen Farbfleck, genauso wie die Kostüme der Marie und ihrer rot-weißen bleichen Harlekine und Kolumbine. Auch die kirchliche Prozession bringt kein Leben. Das kommt erst wieder auf, wenn mit Marie Licht in die dunkle Bude kommt. Auch Paul findet zum Leben zurück.

Sänger und Orchester

Keine Probleme hat Burkhard Fritz als Paul. Er ist kein großer Heldentenor, aber er klingt durchschlagsstark, bleibt mit langem Atem dem Ziel der unendlichen Melodie verbunden und kann Poesie „ausstrahlen“. Manchmal fehlt ihm jedoch ein wenig Sicherheit. Seine Muse ist Manuela Uhl als Marie/Marietta, die über einen jugendlich klaren Sopran verfügt. Das zeigt sich anhand einer sicheren und durchschlagsstarken Mittellage, leider klingt die Höhe manchmal etwas eindimensional, da die Stimme zu eng geführt wird. Eine der Nebenrollen ist eigentlich keine solche, denn die Rolle des Frank und der Pierrots Fritz ist – wie es meisten geschieht – zusammengelegt und da hier nichts gestrichen ist, ist dies durchaus eine Herausforderung für Christoph Pohl, der daran wächst. Diesem dreiteiligen Charakter (Freund, Zerrbild eines Freundes und Pierrot mit der Arie Mein Sehnen) kann dieser ausdrucksstarke und facettenreiche Spielbariton gerecht werden. Christa Mayer und ihr schwerer, samtener Mezzo verleiht der Brigitta das trauernde Moment einer verzweifelten Hausdame, die ins Kloster geht, als ihr klar wird, daß sie Paul nicht bekommen kann. Wirklicher Herr des Geschehens ist Dmitri Jurowski.

Die Staatskapelle Dresden meistert das schwierige Stück mit Bravour und meist getragenem Tempo, die spätromantischen und impressionistischen Klangfarben kommen klar zur Geltung und die dargestellten Gefühlswelten bringen die Zuschauer in Wallung. Auch hinsichtlich der Lautstärke kann die Staatskapelle unter Jurowski deutlich differenzieren – vom gehauchten Piano bis hin zum wirklich infernalischen Fortissimo. Solide der Chor, auch wenn er meist unsichtbar oder unauffällig bleibt.

Fazit

Man könnte zwar sagen, daß David Bösch etwas übertreibt, denn bisher wurde die Handlung eher surreal gesehen, hier ist sie sehr düster und morbide, aber absolut werkgetreu – bei schwacher Psyche würde man aber eher vom Besuch abraten: eben einer toten Stadt mehr als würdig. Ebenso würdig die fast strichfreie Spielfassung: Mit der Auferstehungsszene, der impressionistisch flackernden Übergangsmusik zwischen dem ersten und zweiten Akt und der religiösen Prozession im dritten Akt. Auch die musikalische Umsetzung ist in allen Belangen eine herausragende Staatsopernproduktion: Stürmischer Applaus des Publikums.

Oliver Hohlbach

Bild: David Baltzer

Das Bild zeigt: Manuela Uhl (Marietta), Burkhard Fritz (Paul)

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