von Peter Iljitsch Tschaikowski, Oper in 3 Akten, Libretto: Modest Iljitsch Tschaikowski nach einer Novelle von Alexander Puschkin, Deutsch von Wolf Ebermann und Manfred Koerth (unter Mitarbeit von Horst Seeger), UA: 19. Dezember 1890, Mariinski-Theater, Sankt Petersburg
Regie: Sandra Leupold, Bühne: Andreas Walkows, Kostüme: Gabriele Jaenecke, Dramaturgie: Hannah Dübgen, Beleuchtung: Martin Witzel
Dirigent: Till Hass, Philharmonisches Orchester und Opernchor des Theaters Kiel
Solisten: Ivar Gilhuus (Hermann), Jörg Sabrowski (Graf Tomski), Tomohiro Takada (Fürst Jeletzki), Fred Hoffmann (Tschekalinski, Festordner), Hans Griepentrog (Surin), Steffen Doberauer (Tschaplitzki), Hans Georg Ahrens (Narumow), Ortrun Wenkel (Gräfin), Ekaterina Romanova (Lisa), Marina Fideli (Polina), Şen Acar (Mascha) und Anka Perfanova (Gouvernante)
Besuchte Aufführung: 13. Juni 2009 (Premiere, in deutscher Sprache)
Kurzinhalt
Hermann leidet unter Mittellosigkeit und der unglücklichen Liebe zu Lisa, die unfreiwillig Fürst Jeletzki versprochen wurde. Hermanns letzte Hoffnung ist die Gräfin: Sie kennt eine geheime Kartenkombination. Kennt man diese, gewinnt man jedes Glücksspiel. In der Vergangenheit wurde ihr die Kombination anvertraut und eine Prophezeiung besagte, daß sie durch den Mann, dem sie das Blatt verraten würde, getötet werden würde. Auf einem Maskenball steckt Lisa Hermann einen Schlüssel für ein Rendezvous im Hause der Gräfin zu. Statt Lisa zu treffen, kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung zwischen Herrmann und der Gräfin, bei der die Gräfin stirbt und das Karten-Geheimnis mit in den Tod nimmt. Lisa sieht in Hermann einen Mörder und erkennt, daß er nicht ihretwegen in das Haus gekommen ist. In einer Vision erscheint die Gräfin Hermann und verrät ihm die Kartenkombination: Drei, Sieben, As. Lisa scheidet aus dem Leben, weil ihre Liebe unerfüllt bleibt und Hermann nur noch von den Karten besessen ist. Hermann macht bei einem Spiel mit, bei dem ihm die ersten beiden Karten zum Gewinn verhelfen. Bei der dritten nennt er statt As Pique Dame. Nun bleibt auch Hermann nur noch der Tod.
Aufführung
Das Einheitsbühnenbild von Andreas Walkows ist karg gehalten, so daß lediglich eine sehr steile Rampe zu erkennen ist, aus dessen Hintergrund die Darsteller an der Spitze auftauchen. Die einzigen Requisiten sind Feuerzeug, Brautkleid, Karton, Kartenspiel und rote Lippenstifte, mit denen die Maskenballszene durch große gemalte Münder bei den Darstellern angedeutet wird. Die Kleidung ist durchweg unauffällig in dunklen Farben gehalten, das russische Milieu wird durch Pelz und Stiefel verdeutlicht. Einzig die Gräfin sticht in ihrem roten Kleid und der aufgetürmten barocken Frisur hervor. Unterschiedliche Lichteffekte bewirken auf der düsteren Bühne verschiedene Stimmungen. So wird der Zuschauer nach Lisas Tod so geblendet, daß er kaum noch etwas erkennen kann.
Sänger und Orchester
Ivar Gilhuus (Hermann) prägt den Abend. Facettenreich stellt er die seelischen Abgründe dar: Zum einen die Liebe zu Lisa, die er gefühlvoll, aber auch eindringlich und fordernd mit Liebe, du einzige, du Göttin, du Engel! darstellt. Weiterhin seine Außenseiter-Stellung, der Wahnsinn und die Kartenspiel-Besessenheit, die gequält, schrill und rauh in seiner Stimme von Anfang an wiederzufinden sind: Ich kenne mich selber schon nicht mehr. Neben ihm glänzt Ortrun Wenkel als wandelbare Gräfin. Einerseits ist sie die würdevolle alte Dame, andererseits läßt sie ihre Jugend mit der französischen Arie aufleben (eine Komposition von A.E.M. Grétry (1741-1813), in der ihre Stimme unverbraucht und frisch klingt. Ekaterina Romanova (Lisa) verleiht der unglücklichen Liebe durch ihren jugendlichen, traurigen und gefühlvollen Sopran Glaubwürdigkeit. In ihrer Sterbe-Szene versinkt sie wahrhaftig im Boden. Dem Philharmonischen Orchester unter der Leitung von Till Hass gelingen jederzeit die schnellen Stimmungswechsel: Mal klingt das Orchester unmittelbar wirklichkeitsnah, mal todtraurig. Die Szenen des Opernchores, die die Hochzeitsvorfreude oder den Spaß am Kartenspiel darstellen, schaffen einen gelungenen unterhaltsamen und energievollen Kontrast.
Fazit
Schon in der Pause wirft die Oper Kontroversen auf – die Meinungen scheiden sich zwischen „atemberaubend“ und „fürchterlich“. Letztlich wird die Leistung der Darstellung von schonungsloser Dramatik mit solidem, aber langanhaltendem Applaus belohnt. Die Inszenierung tritt in den Hintergrund, so daß Musik und Schauspiel sich vereinen und Hermanns Gefühle der Verzweiflung und des Wahnsinns in ihrer vollen Ausprägung wirken können.
Frederike Arns
Bild: Olaf Struck
Das Bild zeigt Ivar Gilhuus als Hermann und den Opernchor.