Die Hochzeit des Figaro – München, Bayerische Staatsoper

von Wolfgang A. Mozart (1756-1791); Opera buffa in vier Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte UA: 1. Mai 1786 Wien, Burgtheater

Regie: Christof Loy, Bühne: Johannes Leiacker, Kostüme: Klaus Bruns

Dirigent: Constantinos Carydis, Bayrisches Staatsorchester, Chor der Bayrischen Staatsoper,  Choreinstudierung: Stellario Fagone

Solisten: Alex Esposito (Figaro), Olga Kulchynska (Susanna), Christian Gerhaher (Graf Almaviva), Federica Lombardi (Gräfin Almaviva), Solenn‘ Lavanant-Linke (Cherubino), Anna El-Kashem (Barbarina), Paolo Bordogna (Bartolo), Anne Sofie von Otter (Marcellina), Manuel Günther (Basilio), Dean Power (Don Curzio), Milan Siljanov(Antonio)

Besuchte Aufführung: 10. November 2017

Kurzinhalt

Figaro und Susanna sind Bedienstete des Grafen Almaviva und wollen heiraten. Cherubino entdeckt, daß der Graf Susanna nachstellt und deshalb will der Graf ihn als Offizier hinwegbefördern. Nachdem Cherubino der Gräfin ein Liebeslied vorgetragen hat, klopft der wütende Graf an die Tür. Cherubino kann aus dem Fenster flüchten, der Graf findet nur Susanna vor. Der Gärtner Antonio berichtet, er habe Cherubino aus dem Fenster springen sehen, aber Figaro behauptet, er wäre es gewesen. In den Tumult platzt Marcellina, die Figaro im Gegenzug für ein Heiratsversprechen Geld geliehen hatte und nun auf das Eheversprechen pocht. Die Heirat ist vom Tisch, als sich anhand eines Körpermals herausstellt, daß Marcellina Figaros Mutter ist. Nachts im Park erwartet die Gräfin in Susannas Kleidern den treulosen Ehemann. Figaro glaubt hingegen, seine Ehefrau will ihn betrügen. Einige Verwirrungen und eine Ohrfeige für Figaro von Susanne. Doch später finden die Paare wieder zueinander.

Aufführung

Das Bühnenbild wächst mit! Am Anfang sieht man riesige Türen und die Menschen ganz klein. Zunächst spielt die Handlung vor dem verkleinerten Bühnenportal des Nationaltheaters – teilweise mit Puppen. Dann blickt man schräg seitlich auf einen weißen Saal mit zwei Türen auf der linken Seite. Rechts befindet sich eine barocke Landschaft als Wandgemälde. Während das Bühnenbild wächst fokussiert man entweder Türen oder Landschaft. Auf Dekorationen wird weitgehend verzichtet, einen Wandschrank oder Betten gibt es nicht, dafür Stühle für Chorauftritte oder die Schuhe der Gräfin, man geht oft einfach seitlich ab, auch ein Sprung aus einem Fenster gibt es nicht. Das „Versteckspiel“ in Figaros Zimmer findet auf einem großen Sessel mit Decke statt, im Garten „ereignet“ es sich statisch auf abgedunkelter Bühne. Im Garten steht man bewegungslos nebeneinander, die Verwechslungen sind unglaubhaft, Verstecke gibt es nicht. Die Garderobe ist an die heutige Abendgarderobe angelehnt.

Sänger und Orchester

Mozarts Anforderungen an die Sängerdarsteller sind hoch. Allerdings ergeben sich schon Probleme für die Rolle des Figaro. Alex Esposito klingt schwach, hat weder Ausdruck noch Glanz in seiner Stimme. Schon das Vermessungsduett geht im Wettrennen mit dem Orchester unter. Er ist eindeutig kein stimmgewaltiger Baß, aber eine solide Tiefe ist vorhanden. Dabei ist Olga Kulchynska als Susanna ein wirklich kraftvoller, jugendlich strahlender und mitreißend Duettpartner – und der Liebling des Abends. Christian Gerhaher, ist ein guter Liedsänger, aber noch lange kein guter Opernsänger. Er kostet die Schönheiten Mozarts aus, aber Ausdruck und Charakterzeichnung gewinnt er selten, nur im Forte: sein Graf Almaviva wirkt hier wie ein völlig Unbeteiligter. Federica Lombardi (Gräfin Almaviva), ist eher ein Mezzo als der geforderte Sopran. Ihre Gräfin hat Konturen, sie verfügt über ein zart schwebendes Piano für ihre Auftrittsarie Porgi, amor, qualche ristoro al mio duolo, a‘ miei sospir – Gib, Liebe, etwas Linderung meinem Schmerz, meinen Seufzern bezüglich der Sauberkeit der Koloraturen scheut sie aber den Vergleich mit Olga Kulchynska.

Anne Sofie von Otter, entspricht der Forderung der neuen Mozartausgabe als Sopran, ist aber entsprechend der Rolle der Marcellina meist keifig. Ihr immer noch glänzendes Stimmpotential kann sie mit der meist gestrichenen Arie Nr. 25: Der Ziegenbock und die Ziege unter Beweis stellen, das mit heftigen Szenenapplaus goutiert wird. Ebenso Soloapplaus bekommt Manuel Günther (Basilio) als schöner tenoraler Liebhaber, während Paolo Bordogna (Bartolo), häufig zu tief und außerhalb des Takts singt und nicht unbedingt als Baß durchgeht. Auch Solenn‘ Lavanant-Linke hat Probleme als Cherubino. Die erste Arie ist zu verhetzt, die zweite Arie wird nicht so schnell gespielt, wirkt eloquenter, bleibt aber völlig unauffällig. Das ist nicht überraschend, denn die Solisten erhalten kaum Unterstützung durch Constantinos Carydis, der das Bayrische Staatsorchester wenig inspiriert leitet – und das Tempo streckenweise viel zu überhastet nimmt. Schon die Begleitung zu Figaros Arie Non più andrai, farfallone amoroso, notte et giorno d’intorno girando – du streichst nicht mehr Tag und Nacht wie ein verliebter Schmetterling umher

ist weder ein Spottlied auf Cherubino, noch eine Karikatur eines Marsches. Im übrigen glaubt man, daß Solisten und der bestens eingestellte Chor unabhängig vom Orchester wirken – also ein Nebeneinander und kein harmonisches Miteinander.

Fazit

Wenn man überlegt wie viele hochgelobte Produktionen von Figaros Hochzeit es in der Geschichte der Münchner Staatsoper gegeben hat, dann wird die Enttäuschung noch schlimmer. Szenisch geht das „wachsende“ Bühnenbild nicht auf, die Szenen im Garten wirken ungeprobt und erzeugen keinen Zauber, sondern Langeweile. Auch musikalisch Licht und Schatten. Am Ende halbherziger Applaus des Publikums. Von der Münchner Staatsoper (gerade auch für die Opernfestspiele) muß man mehr erwarten können.

Oliver Hohlbach

Bild: Wilfried Hösl

Das Bild zeigt: Olga Kulchynska (Susanna), Alex Esposito (Figaro), Christian Gerhaher (Graf Almaviva)

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