von Ludwig van Beethoven (1712-1773), Oper, Libretto: Joseph Sonnleithner/Stephan von Breuning/Georg Friedrich Treitschke; UA: 20. November 1805 Wien, Theater an der Wien.
Regie: Georges Delnon, Bühne: Kaspar Zwimpfer, Kostüme: Lydia Kirchleitner, Licht: Michael Bauer, Video: fettFilm, Dramaturgie: Johannes Blum, Klaus-Peter Kehr
Dirigent: Kent Nagano, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Chor der Hamburgischen Staatsoper
Solisten: Kartal Karagedik (Don Fernando), Werner Van Mechelen (Don Pizarro), Christopher Ventris (Florestan), Simone Schneider (Leonore), Falk Struckmann (Rocco), Mélissa Petit (Marzelline), Thomas Ebenstein (Jaquino), Thomas Gottschalk (1. Gefangener), Christian Bodenburg (2. Gefangener)
Besuchte Aufführung: 28. Januar 2018 (Premiere)
Die unter dem Namen Fidelio als Mann verkleidete Leonore dient im Gefängnis beim Kerkermeister Rocco, um ihren Ehemann Florestan zu befreien, der von Don Pizzarro aus Angst vor Enthüllungen widerrechtlich eingesperrt wurde. Als sich der Minister zur Inspektion ankündigt, will Pizarro Florestan töten, damit sein Häftling nicht entdeckt wird. Es gelingt Fidelio jedoch, in den Kerker zu gelangen und sich schützend vor Florestan zu stellen. In diesem Augenblick erscheint der Minister. Alle Gefangenen werden befreit, Leonore und Florestan fallen sich in die Arme.
Aufführung
Das über beide Akte weitgehend gleich bleibende Bühnenbild ist eine im Stil der Mitte des 20. Jahrhunderts gehaltene Mischung aus Wohnzimmer und Büro – stark an DDR-Ästhetik erinnernd. Hinter der breiten Fensterfront wird durchgehend der deutsche Wald als Videoanimation projiziert, mal mit Reh, mal mit Wolf. Die Gefangenen sind wie Bücher in ein komplett ausfahrbares Regal gezwängt. An der Wand steht ein Klavier, auf dem Marzelline zu Beginn der Aufführung Für Elise spielt. Diese entgeht im Verlauf mehrfach Jaquinos Vergewaltigungsversuchen, was sie jedoch nicht davon abhält, zu strippen. Florestan weist als Gefangener deutliche Spuren der Folterung auf, auch kommt es zwischen ihm und Leonore zu keiner wirkllichen Vereinigung nach der Rettung. Der gekürzte Sprechtext der Figuren wird teilweise vom Band abgespielt bzw. erklingt aus dem Radio. Am Schluß tritt der nun ganz in weiß gekleidete Gefangenenchor, der stark an eine Sekte erinnert, aus dem Wald heraus.
Sänger und Orchester
Simone Schneider gibt ihren Fidelio in Uniform darstellerisch angemessen unterkühlt, so daß man ihr das doppelte Spiel abkauft. Auch sängerisch weiß sie durch druckvolle Dramatik und gespannte Strenge zu überzeugen. Die Regie jedoch läßt nach der Rettung keine Erleichterung zwischen ihr und Christopher Ventris als Florestan zu. Diesem bricht bei ansonsten solide plastischer Gestaltung auf dem Höhepunkt seiner großen Arie zu Beginn des zweiten Aufzugs die Stimme weg, was einerseits dazu paßt, daß dieser Florestan als gebrochener Mann gezeichnet wird, anderseits jedoch zu offensichtlich zu hören ist. Mélissa Petit weiß als stimmlich gewandte Soubrette mit einer charmanten Marzelline zu begeistern. Der ihr übergriffig nachsteigende Jaquino, der bei allen anderen auf Ablehnung stößt, wirkt dank Thomas Ebenstein glaubwürdig, stimmlich wie darstellerisch. Im Vergleich mit Falk Struckmanns autoritär gewichtigem Rocco könnten beide noch etwas mehr klangliche Präsenz vertragen. Gleiches gilt für Werner van Mechelens Don Pizarro, bei dem nur die zentralen Töne mit Nachdruck bis in die hinteren Reihen dringen. Demgegenüber nimmt Kartal Karagedik am Schluß (Don Fernando) als charismatischer Sektenführer ein. Auch wenn das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter Kent Nagano die Balance zur Bühne gut hält, war es doch nicht der beste Abend des ansonsten so zuverlässigen Klangkörpers. So kommt es gerade nach der Pause in den Hörnern und Holzbläsern zu einigen Wacklern.
Fazit
Für das Regieteam gab es bei der Premiere kräftige Buhs, was angesichsts der unschlüssigen Inszenierung, die Klischees des Regietheaters wie auf einer Liste nacheinander abhakt, durchaus verständlich ist. Musikalisch geht dieser Hamburger Fidelio jedoch in Ordnung.
Dr. Aron Sayed
Bild: Arno Declair
Das Bild zeigt: Kartal Karagedik (Don Fernando), Christopher Ventris (Florestan), Simone Schneider (Leonore), Falk Struckmann (Rocco), Mélissa Petit (Marzelline), Thomas Ebenstein (Jaquino)und Chor der Hamburgischen Staatsoper