von W.A. Mozart (1756-1791), Dramma per Musica in drei Akten, Libretto: Giambattista Varesco nach Antoine Danchets Idoménée, UA: 29. Januar 1781, München, Residenztheater
Regie: David Bösch, Bühne/Kostüme: Patrick Bannwart, Falko Herold
Dirigent: Marcus Bosch, Staatsphilharmonie Nürnberg, Chor und Extrachor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask
Solisten: Ilker Arcayürek (Idomeneo), Ida Aldrian (Idamante), Leah Gordon (Elettra), Ina Yoshikawa (Ilia), Alex Kim (Arbace), Chool Seomun (Oberpriester des Poseidon), Alexey Birkus (Die Stimme des Orakels)
Besuchte Aufführung: 17. Februar 2017 (Premiere)
König Idomeneo gerät in einen Seesturm und verspricht in seiner Not dem Gott Neptun, den ersten Menschen, den er an Land trifft, zu opfern. Entsetzt stellt er nach seiner Rettung fest, daß es sich bei diesem Menschen um seinen Sohn Idamante handelt, der am Strand auf ihn gewartet hat. Um ihn nicht töten zu müssen schickt er ihn, begleitet von Elettra, der Konkurrentin von Idamantes Geliebten Ilia, auf eine Insel. Doch ein Ungeheuer verhindert das Auslaufen des Schiffes und Idamante tötet das Wesen. Neptun beharrt auf seinem Opfer, so daß schließlich Ilia für Idamante sterben will. Neptun bestimmt, daß Idamante mit Ilia an Idomeneos Stelle herrschen sollen.
Aufführung
Der Hintergrund ist schwarz wie die Nacht. Nur das Leuchten unendlich vieler Sterne durchbricht ihn. Der betongraue Platz davor ist eine Art Kinderspielplatz für alle Protagonisten, denn sie stellen Kinder dar – bis auf Arbace, der der weise Opa im Altersheim-Rollstuhl ist. Auf ein Laken werden Bilder aus bekannten Kinderbüchern projiziert, die rasch durch Blut und Mord entstellt werden. Der Oberpriester und sein Gefolge sind eine blutige Gruppe wandelnder Leichen. Ein Seesturm kommt auf, das von Neptun entfesselte Ungeheuer bläht das Laken. Elettra singt ihre Wutarie vor den Schattenrissen ihrer Ahnen. Eventuell ist es Orest, der ihr das Beil in die Hand drückt, damit sie sich die Pulsadern aufzuschlitzen kann. So gibt es zum Schluß statt eines glücklichen Ausgangs einen wenig überzeugenden Massen(selbst)mord.
Sänger und Orchester
Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist Idomeneo, der einen innerlich zerrissenen, im göttlichen Machtspiel etwas verloren wirkenden Chef im Kindergarten abgibt. Ilker Arcayürek hat das Potential, einmal ein herausragender Mozart-Tenor zu werden. Doch die Stimme klingt häufig belegt und unflexibel, hat auch schon manchmal Probleme mit den ausgedehnten Koloraturen. Doch nachdem er sich befreit hat, kann er mit weichem, lyrischen Klang Liebesqualen und Jubelarien überzeugend liefern.
Ida Aldrian in der Hosenrolle des Idamente, beklagt sich zunächst mit trauriger Stimme, steigert sich aber in wahre Euphorie und in sichere Koloraturen – auch wenn sie im Furioso ins Fortissimo fällt. Leah Gordon ist die verrückte Elettra, die vom Mord an ihren Ahnen träumt. Ihr sehr verspielter Sopran verfügt über eine warme und lyrische Stimme. Technisch sauber gestaltet sie die leuchtend hohen Lagen – neigt aber immer wieder zum heftigen Tremolieren.
Ina Yoshikawa ist als Ilia ihre Konkurrentin um die Gunst des Idamante ein echter Kontrast. Sie macht daraus ein kleines Juwel an Klang, Stimmbildung und technischer Sauberkeit und vor allem strahlend sicheren Koloraturen.
Markus Bosch versteht es, die Staatsphilharmonie im heftigen Tempo durch den Sturm zu jagen, aber auch klanglich zurückhaltende Freiräume für die intimen Momente in den Arien zu schaffen. Ein großes Lob gebührt auch dem Chor, der auch in den Massenszenen die einzelnen Singstimmen herauskristallisiert und trotz aller Wucht eine sehr große Trennschärfe entwickelt.
Fazit
Die Bilder sind angelehnt an die meisterhaften Illustrationen des Kinderbuches Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry. Die Weiterentwicklung dieser Bilder und der gesamten Handlung in Richtung Blut, Krieg und Totschlag in einen düsteren Konvolut aus Antikrieg und politischer Intrige entwertet jedoch diese Bilder des kleinen Prinzen – eines Kindes, das auf der Suche nach einem Weltbild und Wissen ist.
Für Kinder ist diese Produktion nicht geeignet und auch ältere Semester haben hörbar zu schlucken. Ebenso zu verkraften müssen sie in musikalischer Hinsicht an den Strichen in den Rezitativen oder dem Wegfall der zweiten Arie des Arbace. Schwache Publikumsreaktionen für die Regie, heftiger Beifall für die musikalische Interpretation.
Oliver Hohlbach
Bild: Ludwig Olah
Das Bild zeigt: Die Schiffsmannschaft mit Idomeneo (Ilker Arcayürek ) in der Mitte erlebt einen furchtbaren Sturm.