Manon – Köln, Staatenhaus

von Jules Massenet (1842-1912) Opéra-comique in fünf Akten, Libretto: Henri Meilhac und Philippe Gille
nach Histoire du Chevalier Des Grieux et de Manon Lescaut von Abbé Prévost

Dirigent: Claude Schnitzler, Gürzenich Orchester Köln, Chor der Oper Köln, Choreinstudierung: Sierd Quarré

Regie: Johannes Erath, Bühne: Herbert Barz-Murauer, Kostüme: Gesine Völlm, Video: Bibi Abel, Dramaturgie: Georg Kehren

Licht: Nicol Hungsber, Choreographie: Athol Farmer,

Solisten: Zuzana Maková (Manon Lescaut), Menna Cazel (Poussette), Marto Wryk (Javotte), Dara Savinova (Rosette), Atalla Ayan (Chevalier des Grieux), Nikolay Didenko (des Grieux‘ Vater), Wolfgang Stefan Schaiger (Lescaut), John Heuzenreoeder (Guillot de Morfontaine), Insik Choi (de Brétrigny), Julian Schulzki (Wirt/Pförtner/Croupier) u.a., Franziska Gassmann (Tänzerin Double Manon), Ivica Novakovic (Tänzer Double Manon), Filip Eakovic (Akkordeonist)

Besuchte Aufführung: 4. März 2018

Vorbemerkung zur Musik

Oper Köln
MANON
Inszenierung: Johannes Erath
Bühne: Herbert Murauer
Kostüme: Gesine Völlm
Licht: Nicol Hungsberg

Massenet spiegelt das einfache, doch edle Textbuch in einer ebenso adeligen wie unaufdringlichen Musik. Sie enthält kaum „große Nummern“ – wie in Puccinis Manon Lescaut (neun Jahre nach Massenets Manon in 1893 in Turin aufgeführt) – verletzt jedoch nirgendwo den natürlichen Lauf ihrer Entwicklung. Dem Zuhörer bietet sich dafür ein breites Kaleidoskop verschiedener Formen dar, Bravourarien, lyrische Arien, verschiedene Arten von Melodramen und Rezitativen bis hin zur Ensemblenummer und zum Sprechgesang ohne Orchesterbegleitung (Melodram, etwas, was es ausgezeichnet in Bizets Carmen gibt), je nachdem, was die Situation gerade erfordert. Kunstvoll-unbemerkt vermeidet Massenet damit das Aufkommen von (musikalischer) Langeweile.

Freilich erfordert diese Art der Musikalisierung eine besondere Kunst in der Wiedergabe: die genaue Durchleuchtung des musikalischen Satzes bis in den letzten Winkel (phänomenologische Durchleuchtung). Nur dann kann die Aufführung jenen feinen, adligen Zauber entfalten, den dieses Stück bis heute ausübt

Kurzinhalt

Manon Lescaut und der Chevalier des Grieux treffen einander in einer Poststation, verlieben sich augenblicklich ineinander und fliehen gemeinsam nach Paris. Dort leben sie zunächst in einer einfachen Wohnung, jedoch wird des Grieux auf Geheiß seines Vaters entführt und der reiche Brétigny nimmt sich Manons an. Sie kann ihre erste Liebe jedoch nicht vergessen. Als sie auf dem Stadtfest in den Tuilerien in Paris erfährt, des Grieux wolle Priester werden, verläßt sie ihren Geliebten Brétigny und flieht erneut mit des Grieux, der nach einigem Zögern  die Priesterwürde auf und der „Sirene“ Manon nachgibt). Manon, die von den weltlichen Lockungen des Luxus gekostet hat, kann jedoch das einfache Leben an des Grieux‘ Seite nicht aushalten und bewegt des Grieux den jungen Edelmann, Geld im Glücksspiel zu gewinnen. Bei der Gelegenheit des Spiels wird ihm und Manon Betrug vorgeworfen, was in der Verhaftung beider mündet. Aber während des Grieux‘ Vater diesen befreien kann, muß Manon in Le Havre auf ein Schiff in die Verbannung. Sie stirbt vorher in des Grieux’ Armen durch die Entbehrungen, die sie während ihrer Gefangenschaft erlitten hat.

Aufführung

Das Bühnenbild war für alle sechs Szenen gleich, mal ohne, mal mit nebeneinander gereihten, roten Plastikstühlen ausgestattet. Durch verschiedene Videoprojektionen und Beleuchtungen wurden die verschiedenen Szenen voneinander abgesetzt. Sonst wurde tunlichst der Eindruck der Lebensnähe und des Naturalismus vermieden und das Abstrakte, Künstliche, Ideelle möglichst betont. Besonders im Agieren der Personen untereinander wurde das deutlich, wenn etwa das Gros der Schauspieler sich am Ende des ersten Akts nur in Zeitlupe und anschließend rückwärts bewegen durften oder des Grieux und Manon nur ganz von Ferne – über die ganze Bühne – hinweg miteinander ins Gespräch und in Liebe kamen.

Sänger und Orchester

Leider konnten nur zwei Sänger das Soll einer guten Darbietung erfüllen: der brasilianische Tenor Atalla Ayan in der Rolle des Chevalier des Grieux und der russische Baß Nikolay Didenko (Lescaut). Diese beiden allein besaßen das nötige Stimmvolumen, um sowohl sauber, als auch klar und weitgehend mühelos (wenn auch manchmal etwas massiv klingend) mit dem Orchester musikalisch zu interagieren. Beide konnten dies besonders eindrucksvoll in der zweiten Szene des dritten Akts zeigen, wo Massenet ihre Rollen mit großen Solonummern bedacht hatte. Leider sangen alle anderen Sänger zu schwach (John Heuzenroeder (De Brétingy) oder Wolfgang Stefan Schwaiger (Guillot de Morfontaine) oder zu unsauber, (leider ausgerechnet Zuzana Marková in der Titelrolle der Manon).

Dabei muß jedoch differenziert werden, denn gerade Zuzana Marková zeigte, daß sie ihr d“‘ auf dem Höhepunkt des vierten Akts glockenrein bringen konnte. Auch beim Sprechgesang bzw. Gesang ohne viel Ausdruck zeigte sie gute Treffsicherheit. Sobald jedoch ein Mehr an Emotionen verlangt wurde, geriet sie in heftiges Vibrieren.

Das Orchester unter Dirigent Claude Schnitzler lieferte eine zwar solide, aber etwas uninspiriert klingende Leistung. Es fehlte hörbar die Freude, die Feinheiten in der Partitur zu erforschen und … zu vermitteln. Leider ist gerade das bei einer so subtilen, feinen, doch unaufdringlichen Musik fatal: sie wirkt dadurch etwas oberflächlich und langweilig, ohne es tatsächlich zu sein!

Fazit

Das Zusammenspiel von hochartifizieller Inszenierung, eher unterdurchschnittlicher Sänger – und durchschnittlicher Orchesterleistungen mag eine Fundgrube für die Psychologie sein. Für den durchschnittlichen Zuhörer/Zuschauer war es jedoch eher langweilig. Der Schlußapplaus (Zwischenapplaus gab‘s spärlich, zwei bis dreimal) gewürzt von einzelnen Mißfallenskundgebungen. Er erstarb schon nach wenigen Minuten.

Der Eindruck einer ganz bewußten Unterlaufung des Textbuches drängte sich schließlich auf, wenn in Augenblicken höchster dramatischer Zuspitzung, die eigentlich ein Höchstmaß an Aktionen auf der Bühne verlangt, die Sänger wie Ölgötzen, erstarrt mit voneinander abgewandtem Gesicht, ihre Partien sangen. Geschmackliche Richtlinien bei einer modernen Inszenierung anzuwenden verbietet sich im Grunde. Wie sonst sollte der Einsatz des schmalzigen Chansons Manon von Serge Gainsbourg zwischen dem vierten und fünften Akt (extra wurde dafür ein Akkordeonist engagiert)  gewertet werden?

Philipp Kronbichler

Bild: Bernd Uhlig

Das Bild zeigt: Atalla Ayan (Chevalier Des Grieux), Zuzana Marková (Manon Lescaut)

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