von Giuseppe Verdi (1813–1901), Große Oper in fünf Akten, Libretto: Joseph Méry und Camille du Locle nach Friedrich Schillers Drama, UA 11. März 1867 Paris
Regie: Christophe Honoré, Bühne: Alban Ho Van, Kostüme: Pascaline Chavanne, Licht: Dominique Bruguière, Choreographie: Ashley Wright
Dirigent: Daniele Rustioni, Orchester und Chor der Oper Lyon, Choreinstudierung: Denis Comtet
Solisten: Sergey Romanovsky (Don Carlos), Michele Pertusi (Philipp II.), Stéphane Degout (Marquis Posa), Roberto Scandiuzzi (Großinquisitor), Sally Matthews (Elisabeth von Valois), Eve-Maud Hubeaux (Prinzessin Eboli) u.a.
Besuchte Aufführung: 17. März 2018 (Premiere)
Don Carlos, der spanische Infant, und Elisabeth von Valois sind verlobt, müssen sich jedoch trennen als sein Vater Philipp II. um die Hand Elisabeths anhält. Diese Hochzeit besiegelt den Friedensschluß zwischen Spanien und Frankreich. Don Carlos und sein Vertrauter Marquis Posa sympathisieren mit den Aufständischen in den spanischen Niederlanden, und auch Don Carlos rebelliert während eines Autodafés offen gegen seinen Vater, der ihn ins Gefängnis werfen läßt. Der Großinquisitor verlangt außerdem von Philipp, Marquis Posa seinen Schutz zu entziehen, der sich opfert und alle Schuld auf sich nimmt, um Don Carlos die Freiheit wiederzugeben. Dieser entkommt während eines Volksaufstandes, entscheidet sich, in die Niederlande zu gehen, wird jedoch bei seinem Abschied von Elisabeth im Kloster Yuste von Philipp und dem Großinquisitor überrascht. Bevor sie ihn festnehmen können, zieht ein Mönch ihn ins Kloster, und alle Beteiligten glauben, die Stimme des abgedankten Kaisers Karl V., des Vaters Philipps und Großvaters Don Carlos’, gehört zu haben.
Aufführung
Das abstrakte Bühnenbild wird bei jedem Tableau (jeder Akt besteht aus ein oder zwei Tableaus, zwischen denen sich der Vorhang schließt) verändert, so daß die Wechsel der Schauplätze anschaulich werden. Es bleibt insgesamt recht dunkel auf der Bühne und die unterschiedlichen Orte werden mit wenigen Elementen lediglich angedeutet. Die Kostüme weisen historische Einschläge auf und erinnern wie auch die Anordnung der Figuren an historische Gemälde. Mitunter wird auf mehreren Ebenen gesungen; so stehen die unterschiedlichen Gruppen der Sänger – Solisten, Gesandte Flanderns, Mönche etc. – bei dem Autodafé-Tableau auf drei Gängen übereinander, was die räumliche Zuordnung der verschiedenen melodischen Linien zu den unterschiedlichen Charakteren in dieser musikalisch komplexen Szene erleichtert. Prinzessin Eboli sitzt mit geschientem Bein in einem Rollstuhl. Dies bleibt der einzige Anachronismus, was die Requisiten betrifft.
Das Ballett im dritten Akt wurde zum Großteil von vier Solisten getanzt. Hier bekam man kein klassisches Ballett, sondern ungezügelten Ausdruckstanz zu sehen.
Sänger und Orchester
Die Solisten dieses Abends waren darstellerisch und sängerisch ausnahmslos erstklassig. Die vokaltechnischen Verzierungen, die sich vor allem in den Partien der Prinzessin Eboli und des Marquis Posa finden, wurden souverän vorgetragen. Sämtliche tragenden Rollen waren mit Akteuren besetzt, die eine starke szenische Präsenz und Ausstrahlung haben.
Sergey Romanovsky gibt einen eleganten Don Carlos mit einem stilechten französischen Tenortimbre, bei dem er in den hohen Lagen in die hohe Mischung oder die Kopfstimme wechselt statt die volle heldentenorale Bruststimme beizubehalten. Übertroffen wurde er lediglich von Stéphane Degout (Marquis Posa), der über eine schlanke Baritonstimme mit brillanter Spitze und Durchschlagskraft verfügt und darüberhinaus den Text tadellos deutlich ausspricht. Michele Pertusi gab einen schauspielerisch ergreifenden und im wahrsten Sinne des Wortes majestätischen Philipp II., während Roberto Scandiuzzi als Großinquisitor bei in seinem ersten Auftritt seinen bis ins tiefste Register volltönenden Baß effektvoll in Szene setzen konnte. Sally Matthews (Elisabeth von Valois) spielte engagiert, hat aber leider ein recht starkes Tremolo. Eve-Maud Hubeaux (Prinzessin Eboli) stellte sie stimmlich ein wenig in den Schatten. Die Leichtigkeit, Sicherheit und Eleganz ihres musikalischen Vortrags war schlichtweg beeindruckend.
Chor, Orchester und Solisten musizierten unter der Leitung von Daniele Rustioni rhythmisch und dynamisch nuanciert über die gesamte Länge der Oper hinweg, was angesichts der viereinhalbstündigen Dauer der Aufführung eine enorme Leistung ist. Daß im vierten Akt ein paar kleine intonatorische Unsicherheiten zutage traten, tat der Sache überhaupt keinen Abbruch.
Fazit
Diese Inszenierung ist gleichermaßen sänger- und publikumsfreundlich. Packend der erste Auftritt von Großinquisitor und das Autodafé, ergreifend die Duette von Don Carlos und Elisabeth von Valois in den Randakten und effektvoll die Gestaltung des Bühnenbildes. Die Regie nimmt ihre literarisch-musikalische Vorlage auf und interpretiert sie als psychologisches Drama mit umsichtig komponierten Bildern. Weder szenisch noch musikalisch gab es hier irgendeinen Leerlauf. Bei dieser Produktion paßt einfach alles.
Dr. Martin Knust
Bild: Jean Louis Fernandez
Das Bild zeigt: Sergey Romanovsky (Don Carlos)