von Giuseppe Verdi (1813–1901), Oper in vier Akten, Libretto: Francesco Maria Piave und Andrea Maffei nach Shakespeare, UA: 14. März 1847 Florenz, Teatro della Pargola
Regie/: Ivo van Hove, Bühne/Licht: Jan Versweyveld, Kostüme: Wojciech Dziedzic, Video: Tal Yarden
Dirigent: Daniele Rustioni, Orchester und Chor der Oper Lyon, Choreinstudierung: Marco Ozbic
Solisten: Elchin Azizov (Macbeth), Susanna Branchini (Lady Macbeth), Roberto Scandiuzzi (Banco), Louis Zaitoun (Malcolm), Arseny Yakovlev (Macduff), u.a.
Besuchte Aufführung: 16. März 2018 (Wiederaufnahme dieser Produktion von 2012)
Kurzinhalt
Macbeth gelingt es mit Hilfe von Intrigen und Gewalt zum König Schottlands zu werden. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau und seinem Vertrauten Banco. Lady Macbeth ermutigt ihren Gatten dazu, den König eigenhändig zu ermorden, um so zur Krone zu gelangen. Gemeinsam errichten sie eine Terrorherrschaft. Das Mißtrauen beider auch gegenüber ihren Gefolgsleuten steigert sich immer weiter und schließlich läßt Macbeth auch Banco töten, weil ihm prophezeit wurde, daß dessen Sohn ihn vom Thron stoßen werde. Bancos Sohn entkommt jedoch, Macduff organisiert eine Revolte und erfüllt so die Prophezeiung. Während des Aufstandes kommen Macbeth und seine Frau, die ihren Verstand verliert, ums Leben.
Die gesamte Handlung spielt in einem Büro mit Computern und Bildschirmen. Der Chor ist in den ersten Akten formell, nach der Art von Büroangestellten gekleidet. An der Rückwand sind Videoprojektionen zu sehen, die teils eine Großstadt mit Wolkenkratzern, teils Momente der Handlung wie z.B. die Ermordung des Königs und Bancos zeigen. Diese Bilder sind zumeist schwarz-weiß und sehen aus wie Filmnegative. Am Ende, als der Aufstand ausbricht, werden die Videoprojektionen wie die Kostüme der Sänger, die bis dahin formell und grau gewesen sind, bunt und informell. Die Revolte gegen Macbeth wird als Demonstration der „Occupy Wallstreet“-Bewegung inszeniert. Im Gegensatz zu diesem modernisierenden bühnenbildnerischen Rahmen bleiben Personenregie und Choreographie konventionell.
Sänger und Orchester
Die Sänger der beiden Hauptrollen von Verdis Oper lieferten in dieser Aufführung ordentliche, aber keine hervorragenden Leistungen ab. Elchin Azizov als Macbeth hat eine ansprechende, jedoch nicht sonderlich voluminöse oder klanglich abwechslungsreiche Stimme und blieb auch darstellerisch ein wenig blaß. Darüberhinaus gab es zwischen ihm und dem Dirigenten Daniele Rustioni stellenweise Unstimmigkeiten, was die Wahl des Tempos anging. Susanna Branchini sang die Lady Macbeth überaus energisch; diese Partie zeichnet sich durch das Fehlen einer ausgeprägten Mittellage aus und bewegt sich überwiegend an den äußeren Rändern des Sopranfachs. Branchinis tiefe Lage ist kräftig, ausdrucksvoll und durchweg angenehm. In der hohen Mittellage – nicht jedoch in der höchsten – war ihr Tremolo bei den forcierten Stellen mitunter etwas unausgeglichen, so zum Beispiel bei ihrem allerersten Auftritt. Dadurch wurde der Gesamteindruck etwas getrübt. Darstellerisch ließ ihre Verkörperung der Lady Macbeth hingegen nichts zu wünschen übrig.
Gesanglich am stärksten war Roberto Scandiuzzi (Banco), während Arseny Yakovlev in der Rolle des Macduff einen ganz schlechten Tag erwischte; ihm brach die Stimme mehrfach beinahe komplett weg. Daß er dabei mit einer Handkamera gefilmt und sein Gesicht in Großaufnahme an die Rückwand projiziert wurde, machte das Ganze nicht besser.
Chor und Orchester sangen uns spielten an diesem Abend gut, vollbrachten jedoch ebenfalls keine Glanztaten. Möglicherweise würde eine andere Choreographie den Choristen behilflich gewesen sein; beispielsweise ist es akustisch fast unmöglich, mit dem Rücken zueinander und zum Publikum einen stabilen Chorklang zustande zu bekommen, wenn die Chorsänger an ihren Computerbildschirmen sitzend zu singen haben.
Fazit
Der Auftakt des Lyoner Verdifestivals war ein wenig lau. Möglicherweise hat die etwas unzusammenhängende Inszenierung hieran einen Anteil. Es bleibt unklar, warum das Volk gegen den mordenden Börsianer Macbeth aufbegehren soll, und der utopische Schluß, bei dem die Demonstranten die Bühne einnehmen, berührt peinlich nicht nur wegen seiner Naivität, sondern auch weil er hoffnungslos angestaubt ist. Diese Produktion ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine vermeintliche „Aktualisierung“ von seiten der Regie bereits nach wenigen Jahren viel inaktueller werden kann, als das Original es jemals war. Ohne Videoprojektionen wäre der Gesamteindruck noch schwächer gewesen. Weder Publikum noch – so schien es – die Ausführenden konnten sich recht für diese ziemlich uninspirierte und abgestandene Interpretation von Verdis Macbeth erwärmen.
Dr. Martin Knust
Bild: Stofleth
Das Bild zeigt: Schlussbild, Occupy Wallstreet als Sieger über Macbeth