von Hector Berlioz, Komische Oper in zwei Akten, Libretto: Lèon de Wailly und August Barbier, UA: 10. September 1838
Regie & Bühne: Terry Gilliam, Assistenz: Leah Hausman, Aaron Marsden Kostüme: Katrina Lindsay, Licht: Paule Constable, Video: Finn Ross
Dirigent: Philippe Jordan, Orchestre et Choeurs de l‘Opéra national de Paris, Chor: José Luis Basso
Solisten: John Osborn (Benvenuto Cellini), Maurizio Muraro (Giacomo Balducci), Pretty Yende (Teresa), Audun Iversen (Fieramosca), Marco Spotti (Pape Clément), Michéle Losier (Ascanio), Vincent Delhoume (Francesco), Luc Bertin-Hugualt (Bernardino), Rodolphe Briand (Pompeo), Se-Jin Hwang (Cabaretier) u.a.
Besuchte Aufführung: 26. März 2018 (2. Vorstellung, Premiere: 20. März)
Benvenuto Cellini hat sich sowohl als bildender Künstler wie auch als Schlitzohr einen Namen gemacht. Einerseits soll er für den Papst eine Statue gießen (das Geld für das Material hat er jedoch bereits versoffen), andererseits will er die Tochter des päpstlichen Schatzmeisters aus Rom entführen, auf die sich auch der Bildhauer und Konkurrent Fieramosca Hoffnungen macht. Nach einem verschachtelten Katz und Mausspiel gipfelt die Handlung im Kolosseum, wo im letzten Augenblick der gesetzten Frist in Anwesenheit des Papstes unter großem Freudenjubel eine Perseus-Statue gegossen wird.
Aufführung
Diese Oper ist eine Kooperation mit der English National Opera, De Nationale Opera Amsterdam und dem Teatro dell‘Opera di Roma. Regie führt Terry Gilliam, US-Amerikaner und seit langer Zeit in England wohnhaft.
Auf den ersten Blick wirkt alles sehr sachlich und durchdacht. Zu Beginn sieht man eine fiktive Architekturkomposition, die andeutungsweise Elemente des Tabulariums, des Kolosseums und sonstiger antiker Ruinen wieder aufnimmt. Für die Komödie am Ende des ersten Aktes und das Finale am Schluß verschieben sich die Kulissen in geringem Maße. Die Kostüme sind ordentlich: der Papst tritt in einem Weihrauchnebel mit würdiger Robe auf, die Komödianten Harlekin und Pasquariello sind als solche zu erkennen.
Im Finale sieht man den geschäftigen Chor allerlei Material herbeischaffen, um Cellini beim Gießen seiner Perseusfigur zu unterstützen. Anstelle des fertigen Perseus wird jedoch nur ein überdimensionaler Unterleib einer beliebigen Statue präsentiert – im Zentrum mal wieder ein Geschlechtsteil. Der Zuschauer wird außerdem mehrmals durch Konfettiregen im Saal überrascht, zu Beginn des zweiten Teils wird man auf unerfreuliche Weise von grellem Scheinwerferlicht geblendet.
Sänger und Orchester
Eine ordentliche musikalische Interpretation liefert Philippe Jordan und das Orchestre de l‘Opéra national de Paris. Die Partie der Teresa singt Pretty Yende mit einer klaren ausgewogenen Stimme, die sowohl in der Höhe eine gewisse Wärme enthält sowie auch an sprachlicher Artikulation eine durchaus erfreuliche Leistung ist. Ihr zur Seite steht die Titelpartie des Cellini, interpretiert von John Osborn. Er verfügt über einen klaren Tenor, der des Lyrischen durchaus fähig ist. Zwar kommt das volle Pathos nie so ganz zur Geltung, wird vom Sänger jedoch immer wieder erfreulicherweise berührt. Teresas Vater Balducci wird von Maurizio Muraro gesungen, ein Kenner seines Faches. Er überzeugt durch nüchterne Präsenz und eine Natürlichkeit des Ausdrucks. Auch solide ist die Interpretation des Fieramosca durch Audun Iversen. Hier kommt der sonore Bariton des Sängers umfassend zur Geltung. Etwas verwaschen in Ausdruck und Artikulation erscheint Marco Spotti in der Rolle des Papstes. Seine Stimme schwingt nicht frei, er tendiert mehr zum reinen Klang als zum gesungenen Wort. Etwas enttäuschend auch Michéle Losier (was auch an der eher beiläufigen Partie des Ascanio liegen kann). Im Gegensatz zu La Cenerentola in Lyon kann sie hier ihr Potential nur geringfügig ausschöpfen.
Fazit
Berlioz‘ Cellini ist nicht unbedingt ein starkes Stück. Das Werk hat Längen, die sowohl die Musik als auch die Szene vor einige Herausforderungen stellt. Terry Gilliam scheint auf den ersten Blick das Geschehen auf den Punkt zu bringen. Dem Zuschauer werden aber nur vage Brocken hingeworfen, wovon sich viele täuschen lassen werden: die Szene spielt in Rom, das wird aber nur als kubistische Idee angedeutet, der Papst wird mit Weihrauch beräuchert, man riecht aber nichts! Die Masse liefert eifrig Metall, statt des eigentlichen Perseus‘ leuchtet dem Zuschauer am Ende nur ein nackter Penis ins Gesicht – Honneur aux maître ciseleurs. Dem geschulten Auge wird das Isishafte der Inszenierung bitter aufstoßen. Auch die schon erwähnte Blendung durch Scheinwerfer ist ein dreistes Ärgernis, das bei den meisten Besuchern jedoch keinerlei Protest hervorruft. Übrigens handelt es sich in solchen Fällen selten um Unachtsamkeiten, sondern sie sind vielmehr um einen fest verankerten ideologischen Plan gruppiet.
Daniel Rilling
Bild: Agathe Poupeney/Opéra national de Paris
Das Bild zeigt: Pretty Yende (Teresa), John Osborn (Benvenuto Cellini) und Audun Iversen (Fieramosca)