von Aribert Reimann (geb. 1936), Libretto: Carla Henius nach dem Schauspiel von August Strindberg, Übersetzung: Peter Weiss, UA: 1965, Kiel
Regie: Lothar Krause, Bühne/Kostüme: Annette Mahlendorf
Dirigent: Walter E. Gugerbauer, Hofer Symphoniker, Opernchor (Chorleitung: Claudio Novati).
Solisten: Franziska Rabl (Indras Tochter), Karsten Jesgarz (Der Offizier), James Tolksdorf (Der Advokat), Rainer Mesecke (Vater/ Polizist/ Quarantänemeister/ Universitätskanzler), Laura Louisa Lietzmann (Mutter/ Viktoria), Marek Reichert (Der Dichter), Stefanie Rhaue (Pförtnerin), Yvonne Prentki (Sängerin/ Sie/ Edith) u.a.
Besuchte Aufführung: 17. März 2018 (Premiere)
Der Gott Indra schickt seine Tochter auf die Erde damit sie prüft, ob die Klagen der Menschen über die Sinnlosigkeit ihrer Existenz berechtigt seien. Auf ihrer Reise durch die Welt muß sie erfahren, daß sich alles menschliche Hoffen und Sehnen ins Gegenteil verkehrt: Liebe wird zu Gleichgültigkeit, Ehrgeiz führt zum Scheitern, die Suche nach Erkenntnis führt zur Leere und das Streben nach Gerechtigkeit wird mit Hohn und Spott beantwortet. Schließlich gibt es nur noch ein Ziel: hinter der geheimnisvollen Tür die Antwort auf die Fragen zu finden nach dem Leiden der Menschen oder nach dem Sinn des Lebens. Doch hinter der Tür, die sich plötzlich von selbst öffnet, ist nichts. Die Menschen machen Indras Tochter für Ihr Leiden verantwortlich, sie kehrt zu Ihrem Vater zurück.
Aufführung
Die szenische Umsetzung der Handlung eines Traumes folgt keiner Logik, kreist immer um sich selbst und läßt surreale Bilder entstehen: ein Schloß, dessen Mauern größer werden, Wolken als Portale auf der Erde, ein Sternenhimmel, der den gesamten Hintergrund füllt und die leere Bühne in Dunkel hüllt – und vor allem die Tür, die als allzeit geschlossene Flügeltür auf der Bühne herumfährt, an die die Menschen klopfen, um die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zu erhalten. Als sich die Tür plötzlich öffnet, blickt man auf eine leere Bühne.
Die vielen Handlungsorte werden immer nur angedeutet, so die Fingalsgrotte, der Strand der Schande oder die Schöne Bucht sind nur unkonkrete Wolkenlandschaften, die von einem riesigen Ensemble bevölkert wird, das in zeitlos passende Phantasiekostüme gekleidet ist. Der Offizier, der fortwährend seine angebetete Viktoria sucht und die Öffnung der Tür beim Advokaten erzwingen will, paßt in die Kaiserzeit, ebenso der Advokat mit Vatermörderkragen, dem die Dekane im Talar keine Doktorwürde verleihen, dagegen dem Offizier, während Indras Tochter dem Advokaten statt dessen eine Dornenkrone verleiht, bevor sie ihn heiratet.
Sänger und Orchester
In einem geradezu riesig anmutenden Ensemble nimmt die Rolle als Indras Tochter, die sich auch Agnes nennt, einen zentralen Platz ein. Franziska Rabl erreicht, dank ihres klangschönen sonoren Mezzo, mit großer Ausdauer und Hingabe bis zum letzten Ton eine praktisch permanent anwesende Präsenz. Die unglückliche Edith (Yvonne Prentki) lauscht einer Fuge von Bach im Orchester und beklagt mit wohlgesetzten Vokalismen den beißenden Spott, der auf sie hernieder geht. Laura Louisa Lietzmann zeigt als Mutter und der sehnsüchtig erwarteten Viktoria in zwei Kurzauftritten eine Soubrette mit klarer Stimme an, während Stefanie Rhaue als Pförtnerin im dunklen Alt-Mezzo die Klagen der Welt düster vermittelt.
Auch viele Herren gewinnen große Aufmerksamkeit. So steht der variable Spieltenor Karsten Jesgarz als Offizier sehr oft im Mittelpunkt, James Tolksdorf gibt den Advokaten mit Durchschlagskraft und ausziselierter Stimmführung, Rainer Mesecke hat eine Vielzahl an Auftritten, die er mit baritonaler Wucht und etwas wenig Tiefe meistert und Marek Reichert ist ein lyrisch fundierter Dichter. Die unter Walter E. Gugerbauer bestens eingespielten Hofer Symphoniker arbeiten mit dem großen Ensemble harmonisch zusammen und überzeugen auch in den Zwischenaktmusiken mit filigranem Klangteppich. Der Opernchor ist der gewohnt harmonisch einheitliche Klangkörper und verleiht vom Balkon aus dem Gott Indra eine imposante Wirkung.
Fazit
Das bildgewaltige Stück fesselt von Anfang an mit seiner melodischen Vielfalt und Intensität – sowie der herausragenden musikalischen Umsetzung des Hofer Theaters. Dem der Vorstellung beiwohnenden Aribert Reimann, einem der berühmtesten deutschen Komponisten, gelingt es, das Grundthema des zugrundeliegenden gleichnamigen Schauspiels von August Strindberg sinnlich mitfühlend erlebbar zu machen. Dazu gehört das Resultat dieses absurden-surrealen Stückes: es ist schade um die Menschen! Ein begeistertes Publikum feiert das Stück und die adäquate szenische Darstellung. Dieses Werk hat verdient. einen vorderen Platz nicht nur in der Operngeschichte, sondern auch im Repertoire einzunehmen.
Oliver Hohlbach
Bild: Harald Dietz
Das Bild zeigt: Karsten Jesgarz (Der Offizier), James Tolksdorf (Der Advokat)