My Fair Lady – München, Gärtnerplatztheater

von Frederic Loewe (1901-1988) Musical in 2 Akten, Libretto: Alan Jay Lerner nach George Bernhard Shaws Pygmalion, Deutsch von Robert Gilbert, Münchner Textfassung: Josef E. Köpplinger, ins Bayerische übertragen: Stefan Bischoff, UA: 15. März 1956 New York, Hellinger Theatre

Regie: Josef E. Köpplinger, Bühne: Rainer Sinell, Kostüme: Marie-Luise Walek, Choreographie: Karl Alfred Schreiner

Dirigent: Andreas Kowalewitz, Orchester, Chor und Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Choreinstudierung: Felix Meybier

Solisten: Michael Dangl (Henry Higgins), Nadine Zeintl (Eliza Doolittle), Robert Meyer (Alfred P. Doolittle), Friedrich von Thun (Oberst Pickering), Cornelia Froboess (Mrs. Higgins), Dagmar Hellberg (Mrs. Pearce), Maximilian Mayer (Freddy Eynsford-Hill.) u.a.

Besuchte Aufführung: 13. Februar 2018 (Premiere)

Kurzinhalt

Professor Higgins, ein angesehener Sprachgelehrter, trifft auf den kraftvoll-vulgären Dialekt der Blumenverkäuferin Eliza Doolittle. Aufgrund einer Wette mit seinem Freund Oberst Pickering will er aus Eliza eine Dame zu machen. Der erste Testlauf beim Pferderennen in Ascot in die feine Gesellschaft scheitert, als sie ihr Pferd mit den Worten anfeuert, ihm Pfeffer in den Arsch zu streuen. Im zweiten Anlauf beim Diplomatenball im Buckingham Palace vermag Eliza zu brillieren. Higgins und Pickering feiern die gelungene Arbeit, Eliza fühlt sich übergangen. Man versöhnt sich zwar, offen bleibt, wie sich Elizas Zukunft mit dem Professor, der doch so gerne Junggeselle war, gestalten wird.

Aufführung

Das Bühnenbild ist einfach, aber szenisch aufregend, da durch Bühnendrehungen viel Bewegung ins Spiel kommt. Alles beginnt an einer Sandsteinmauer auf einem Platz, auf der Opernplakate kleben. Der Wohnraum von Professor Higgins ist ein bürgerliches Wohnheim im zeitlosen Stil der Belle Époque mit Bibliothek, Treppenhaus, Grammophon und Sitzgruppe im Wohnzimmer. Hinzu kommt ein Chor der Hausdiener in Livree.

Um auf die Straße oder nach Ascot zu blicken dreht sich das Haus auf der Drehbühne. Der Platz für Ascot ist klein – um einen großen Tisch sitzend verfolgen die Damen mit Ferngläsern das Pferderennen – Ihre Hüte sind riesig. Mrs. Higgins logiert in einer Orangerie, der Ball bei Hofe wird nur nacherzählt. Die Kostüme sind dem besonderen Geschmack des Englands der fünfziger Jahre zuzuschreiben.

Sänger und Orchester

Über die Verwendung von Mikroports kann man geteilter Meinung sein: einerseits führt das zu Wortverständlichkeit in jeder Lage, zum anderen kann man die sängerischen Leistungen kaum beurteilen, da sie die Stimme verstärken oder ändern. Positiv ist dabei, daß die neue Elektrik im frisch renovierten Haus optimal justiert ist. So kommt auch die bayerische Sprachfassung besser zu Geltung. Das steht im Programmheft. Allerdings ist die Rolle des fröhlichen Philosophen Alfred P. Doolittle mit Robert Meyer – Intendant der Wiener Volksoper – besetzt. Er wirkt auch gesanglich wie eine Mischung aus Hans Moser und Karl Marx. Den britisch blasierten Professor Higgins gibt der am Wiener Josephsstadt-Theater tätige Salzburger Michael Dangl. Der Sitznachbar hält den Text fälschlicherweise für ein Giesinger Dialekt – ein Münchner Stadtteil.

Oberösterreicherin ist Nadine Zeintl, die die durchsetzungsstarke Eliza ins Hochdeutsche weiterentwickelt. Maximilian Mayer gibt als ein strahlender Operettentenor dem Freddy die jugendliche Dynamik, etwa wenn er um den Laternenpfahl tanzt. Friedrich von Thun muß sich etwas durch den einzigen Gesangsauftritt des Oberst Pickering quälen, ist aber sonst der Ruhepol des Geschehens. Andreas Kowalewitz geht den Abend mit einem etwas langsameren Tempo sehr lautstark an, nimmt dann aber Fahrt auf und reißt das Publikum von den Sitzen. Er kann dabei auf das bestens eingestellte Orchester und den bestens einstudierten Chor zurückgreifen, der mit dem Solistenchor der Bedienten ein Schmankerl bietet.

Fazit

Was diese Produktion von den üblichen „Heile-Welt-Produktionen“ abhebt, ist, daß hier auch Sozialkritik geübt wird: der Müllkutscher Doolittle darf auch (zeit-)kritische und philosophische Töne anschlagen und ist kein Schnorrer im engeren Sinne. Und natürlich: man kommt dem britischen Humor sehr nahe – hier in einer bayerischen Variante, und zwar sowohl in der Charakterisierung der Rollen als auch in der Sprachfassung. Allerdings handelt es sich weniger um ein Münchner Dialekt, sondern es ist ein Dialekt aus dem Alpenraum. Die neue Achse „München-Salzburg-Wien“ läßt grüßen. Bemerkenswert auch der Auftritt von Cornelia Froboess als Grande Dame alias Mrs. Higgins, die bereits in der legendären Erstproduktion 1984 am Gärtnerplatz die Eliza Doolittle verkörperte. Die heutige Produktion hält dem Vergleich mit der Vorgängerproduktion stand, und das Publikum bedankt sich mit heftigem Beifallsorkan für drei Stunden blendender Unterhaltung.

Oliver Hohlbach

Bild: Marie-Laure Briane

Das Bild zeigt: Michael Dangl (Henry Higgins), Nadine Zeintl (Eliza Doolittle)

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