von Richard Wagner (1813-1883), Vorabend zum Bühnenfestspiel in vier Szenen, Libretto: Richard Wagner, UA: 22. September 1869 München, Nationaltheater
Regie: Verena Stoiber, Bühne/Kostüme: Sophia Schneider
Dirigent: Felix Bender, Robert-Schuhmann-Philharmonie
Solisten: Krisztian Cser (Wotan), Monika Bohinec (Fricka), Maraike Schröter (Freia), Matthias Winter (Donner), Petter Wulfsberg Moen (Froh), Benjamin Bruns (Loge), Jukka Rasilainen (Alberich), Edward Randall (Mime), Magnus Piontek (Fasolt), James Moellenhoff (Fafner), Bernadett Fodor (Erda), Guibee Yang (Woglinde), Sylvia Rena Ziegler (Wellgunde), Sophia Maeno (Floßhilde)
Besuchte Aufführung: 3. Februar 2018 (Premiere)
Alberich wirbt um die drei Rheintöchter, die ihn aber nur verspotten. Daraufhin entsagt er der Liebe und stiehlt ihnen das Rheingold. Aus diesem Gold läßt er einen machtvollen Ring schmieden, mit dessen Kraft er sich die Nibelungen untertänig macht. Die Riesen Fafner und Fasolt haben für den Gott Wotan die Burg Walhall erbaut, und fordern nun von ihm die Göttin Freia als ihren Lohn. Doch Wotan will Freia nicht herausgeben, und der intrigante Gott Loge überzeugt ihn davon, als Ersatz Alberich den Ring und das Rheingold wieder zu entreißen. Alberich verflucht den Ring, den Wotan den Riesen reicht, um Freia auszulösen. Fafner erschlägt seinen Bruder, die Götter aber ziehen in die Burg Walhall ein.
Aufführung
Was ist das Rheingold? Eine zentrale Frage, da in Chemnitz der Ring von vier unterschiedlichen Regisseurinnen inszeniert wird, deren einzig gemeinsames Thema zu sein scheint, einen weiblichen Blick auf den Ring werfen zu wollen. So ist für Verena Stoiber das Rheingold das goldene Haar der Rheintöchter, das von Alberich im haarigen Adamskostüm, schnöde abgeschnitten wird. Alberich und Mime betreiben einen modernen Ausbeuterbetrieb mit entsprechenden Damen des horizontalen Gewerbes, dargestellt mit Lichtreklame und heutiger dekadenter Kleidung auf und in einer Art Stahlgittergerüst. Als Lösegeld für Freia werden Konsumgüter aufgestellt, die die Nibelungen in Sklaven- und Kinderarbeit hergestellt haben. Fafner führt alle Güter und Sklaven in seine Welt ab. Ein Walhall gibt es nicht, auch keine Speere und Schwerter. Oben freuen sich die Götter „falsch und feig“, unten gemahnen die zerrissenen und zerzausten Rheintöchter bereits an den Untergang.
Sänger und Orchester
Eine der Vorzüge dieser Premiere ist ohne Zweifel die Erkenntnis, daß man auch an vermeintlich kleinen Häusern einen Ring auf hohem Niveau besetzen kann. In diesem Fall schon zum zweiten Mal. Der erste Ring ging in beeindruckenden Bildern schon in den neunziger Jahren über die Bühne. Schon seinerzeit setzte man auf alterfahrene Leistungsträger in den Hauptrollen und auf junge Nachwuchskräfte. Dazu zählt James Moellenhof als altgedienter Fafner. Aber an erster Stelle ist Jukka Rasilainen zu nennen. Mit seiner dunkel baritonal gefärbten Stimme läßt er als Alberich stimmliche Gestaltungsmöglichkeiten erkennen. Er verfügt immer noch über genügend Reserven, um auch in den tiefen Lagen Charakter zu zeigen. Das wird deutlich in den Dialogen mit Loge oder Wotan.
Edward Randall ist der langjährige deutsche, lyrische Tenor in Chemnitz. Er singt ein tiefsinniger Mime mit Saft und Kraft, singt die Phrasen betont aus, betont wortverständlich. Das stimmliche Duell mit Alberich kann Wotan Krisztian Cser mit dämonischer Tiefe offen halten. Auch die Nebenrollen können sich hören lassen: Monika Bohinec verfügt über ein hartes Timbre und Tonumfang und entspricht dem Bild der Xanthippe als Göttergattin Fricka. Maraike Schröter hat kaum Probleme mit der kurzen Rolle der Freia. Benjamin Bruns als Loge ist ein lyrischer Wagnertenor mit leiseren Tönen und großer Ausdruckskraft. Er verfügt über große Eloquenz.
Petter Wulfsberg Moen als Froh kann mit sicherer Höhe Aufmerksamkeit erregen, Matthias Winter (Donner) und Bernadett Fodor (Erda) bleiben eindrucksvoll in Erinnerung. Felix Bender kann mit den Sängern mitfühlen, gerade der Auftritt der Rheintöchter bleibt einstimmig in Erinnerung. Auch die Zusammenarbeit mit der Robert-Schumann-Philharmonie kann orchestral überzeugen, selten hat man das Anschwellen des Rheins, den berühmten Es-Dur-Akkord am Anfang, so feinsinnig verwoben und transparent gehört. Beim Einzug der Götter wird es monumental und wuchtig, aber man hört kleinere Abstimmungsprobleme heraus.
Fazit
Ein verheißungsvoller Auftakt! Die heftig und bildgewaltig formulierte Sozialkritik an der heutigen Gesellschaft mit Ausbeutung durch Sex und Niedriglöhne erinnert an die Kritik an der Bourgeoisie von Chéreau in Bayreuth 1976 oder den Leipziger Ring 1973 von Joachim Herz. Daß es musikalisch noch manche Probleme zu lösen gilt, läßt sich wohl nicht verhindern, obwohl sich das Solistenensemble aus Alterfahrenen und Jungspunden zusammensetzt. Sicherlich wird es mit entsprechender Praxis in ruhigeres Fahrwasser übergehen. Somit zu Recht: enthusiastischer Beifall des Publikums allenthalben.
Oliver Hohlbach
Bild: Kirsten Nijhof
Das Bild zeigt: Guibee Yang (Woglinde) li., Sophia Maeno (Floßhilde)