von Vincenzo Bellini (1801 – 1835), Opera seria in drei Akten, Libretto Carlo Pepoli, UA: 1835, Paris
Regie: Dieter Kaegi, Bühne: Monica Frawley
Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Nürnberger Philharmoniker, Chor des Staatstheaters Nürnberg
Solisten: Hrachuhi Bassenz (Elvira), Tilman Lichdi (Lord Arturo Talbo), Nicolai Karnolsky (Sir Giorgio), Melih Tepretmez (Sir Riccardo Forth), Jeong-Kyu Kim (Sir Bruno Roberton), Rainer Zaum (Lord Valton), Teresa Erbe (Enrichetta di Francia)
Besuchte Aufführung: 4. Juli 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Der königstreue Arturo liebt die Puritanertochter Elvira, dagegen bleibt die Liebe des Puritaners Riccardo zu Elvira unerwidert. Kurz vor der Hochzeit mit Elvira trifft Arturo Enrichetta, die Frau des hingerichteten Königs. Er flieht mit ihr, um sie zu retten. Riccardo bemerkt die Flucht, hindert sie aber nicht, um den Konkurrenten loszuwerden. Elvira aber ist verzweifelt über den vermeintlichen Treuebruch Arturos und verliert den Verstand. Arturo kehrt Monate später zurück und überzeugt Elvira von seiner Treue, worauf diese wieder zu Verstand kommt. Arturo wird aber festgenommen und zum Tode verurteilt, in letzter Minute jedoch begnadigt.
Aufführung
Dieser Bürgerkrieg könnte überall stattfinden: Nordirland, Palästina, Ost-Berlin. Der Regisseur Dieter Kaegi (es ist eine Koproduktion mit der Dubliner Oper, für die er arbeitet) verlegt die Handlung vor eine von der Irin Monica Frawley entworfene Schutzmauer (heutzutage als peace wall verniedlicht), an die romantischen Burgen Bellinis erinnert nur noch ein Graffiti auf der Mauer. Vor diesem Hintergrund stimmt Elvira die Polacca an, als Strophenlied, das als Untermalung einer Reise nach Jerusalem dient – ein Gesellschaftsspiel auf ihrem Polterabend. Wenn dann die Braut befürchtet, sitzen gelassen worden zu sein, ist die nervliche Überlastung erklärbar, aber es findet sich eine weitere Ursache des Wahnsinns Elviras: Der an Vaters Stelle agierende Onkel, der schuldig wird als er die Nichte vergewaltigt. Aber auch ein Happy End gibt es nicht: Arturo wird erschossen und hat sterbend nur eine Vision seiner Hochzeit.
Sänger und Orchester
Hrachuhi Bassenz (Elvira) ist eine deutlich artikulierende Sopranistin, die bezaubernd mühelos in der Höhe und geschmeidig ihre Wahnsinns-Arien stemmt: O rendetemi la speme – Oh gebt mir die Hoffnung wieder. Mit Tilman Lichdi (Arturo) steht ein Mozart-Tenor auf der Bühne, der sich mit vornehmer dramatischer Verve in die vokalen Herausforderungen seiner Partie stürzt, so gut, daß seine Arie A te, o cara – Zu dir, Geliebte ein bewegender Erfolg wird. Der helle Baß Nicolai Karnolsky als Onkel Giorgio kann auch in tiefsten Tiefen überzeugen. Melih Tepretmez (Riccardo) ließ sich zwar als indisponiert ansagen, gewann aber über den Abend deutlich Stärke und Ausdruckskraft dazu.
Was man allerdings anmerken muß, ist, daß das Orchester häufig die Sänger überdeckt. Das mag daran liegen, daß die Sänger zu weit hinten auf der Bühne stehen oder das Hochschrauben des Kammertones A die Sänger mehr fordert als früher. Also: Zwar ist das Orchester unter der Leitung Guido Johannes Rumstadts manchmal zu laut, jedoch ist es eine Freude zuzuhören wie geschmeidig das Orchester den flexiblen Belcantolinien folgt. Es wird klangschön differenziert, genauso wie der wahrlich exzellente Chor.
Fazit
Zum Spielzeitabschluß hat das Staatstheater Nürnberg eine überzeugende Belcanto-Premiere. Besonders erfreulich ist, daß alle Rollen mit ausgezeichneten Belcanto-Sängern besetzt werden konnten, die auch vom Publikum entsprechend gefeiert wurden. Der Besuch einer Vorstellung kann allen Freunden des Belcanto dringend empfohlen werden. Die Aktualisierung des Geschehens hingegen wird eher in Irland Diskussionen hervorrufen als in Nürnberg. Die Vergewaltigung Elviras durch den Onkel wirkt unglaubwürdig, denn Bellinis Musik und die weitere Handlung setzen dem erfolgreich allen Widerstand entgegen
Oliver Hohlbach
Bild: Jutta Missbach
Bildlegende: Die Hochzeitsfeier im Schatten der Friedensmauer geht abrupt zu Ende.