Die Italienerin in Algier – Salzburger Festspiele

Salzburg, Salzburger Festspiele Pfingsten 2018

L’italiana in Algeri – Die Italienerin in Algier

von Gioacchino Rossini, Text: von Angelo Anelli, Dramma giocoso per musica in zwei Akten, UA: 22. Mai 1813 Venedig, Teatro San Benedetto

Regie/Choreographie: Moshe Leiser, Patrice Caurier, Bühne: Christian Fenouillat, Kostüme: Agostino Cavalca

Dirigent: Jean-Christophe Spinosi, Ensemble Matheus, Philharmonia Chor Wien, Choreinstudierung: Walter Zeh

Solisten: Cecilia Bartoli (Isabella), Peter Kalman (Mustafà), Bey von Algier), Rebeca Olvera (Elvira), Rosa Bove (Zulma), Josè Coca Loza (Haly), Edgardo Rocha (Lindoro), Alessandro Corbelli (Taddeo), u.a.

Besuchte Aufführung: 18. Mai 2018

Kurzinhalt

Mustafà will seine Frau Elvira loswerden. Er befiehlt dem italienischen Sklaven Lindoro sie zu heiraten. Aber Lindoro ist bereits an Isabella vergeben. Diese war von Piraten gefangen genommen worden und soll Haremsdame bei Mustafà werden. Zusammen mit ihrem Begleiter Taddeo überlegt sich Isabella einen Fluchtplan. Sie manipuliert den Bey mit ihrem Charme, was ihr mit Leichtigkeit gelingt. Durch die Verleihung des Fantasie-Ehrentitels „Pappataci“ ist der Bey vollständig abgelenkt. Wieder vereint, fliehen Isabella und Lindoro zusammen mit Taddeo und den anderen italienischen Sklaven zurück in ihre Heimat Italien. Mustafà kehrt zu seiner Gattin zurück, die ihn trotz allem noch liebt.

Aufführung

Das Vorspiel wird bebildert: Im ehelichen Schlafzimmer des Bey und seiner Gattin läuft nächtens nichts mehr. Dafür laufen seine Mitarbeiter mit originalverpackter Unterhaltungselektronik durchs Bild. Da wird das Kamelbild überm Bett lebendig, und man sieht zwei Kamele, die lüstern auf die Palme gejagt werden (Ha! Ha!). Im ersten Akt blickt man auf eine moderne Beton Wohnzeile von Algier mit einem Wald von Satellitenschüsseln.

Der Bey fährt im weißen Mercedes (leicht verkratzt) und im weißen Anzug vor, während die Italienerin im roten Kleid auf einem Kamel einreitet. Auch die übrigen Neuankömmlinge sehen wie eine Touristengruppe aus. Isabella wickelt Mustafà als schäumende Venus im Bade um den Finger. Als Kommentar zu den Frauen aus Italien wird das Bad von Anita Ekberg im Trevi-Brunnen aus dem Film La Dolce Vita eingeblendet. In Mustafàs Café stapelt sich mittlerweile die Schmuggelware, hängen die Algerier in Trainingsanzügen herum, während die italienischen Sklaven als Nationalmannschaft fleißig Spaghetti löffeln müssen (als Strafe für die Niederlage gegen Schweden und die verpaßte WM-Qualifikation?). Der Pappataci Mustafà steht am Ende mit Bierbauch in Unterhose da, mit Plastikhaube auf dem Kopf. Währenddessen fliehen die Italiener in Titanic-Manier (Isabella steht mit ausgebreiteten Armen am Bug): Hoffentlich rammen sie im Mittelmeer keinen Eisberg.

Sänger und Orchester

Cecilia Bartoli ist eine eigene Klasse, sie arbeitet mit einer Art forciertem Tremolo, was die Stimme zwar in Schwingungen versetzt, aber es gelingen ihr die Koloraturen und Lautstärkeabstufungen einwandfrei. Auch gestalterisch sind viele Nuancen und charakterliche Farbschattierungen möglich. Sie beklagt zunächst mit trauriger Stimme ihr hartes Schicksal – cruda sorte, steigert sich aber in wahre Euphorie, wenn sie sich badet per lui che adoro – für den, den ich anbete oder wenn sie im Duett mit Mustafà harte Töne anschlägt: Ohi! che muso, che figura – oh, was für eine Visage, was für eine Figur!

Peter Kalman (Mustafà), macht aber zunächst mit deutlich tiefensicherem Baß seine Abneigung gegen seine Gattin deutlich: srenate il mesto ciglio – erheitert euren kummervollen Blick. Doch er findet ebenso zu einer vielschichtigeren Rollengestaltung des Mustafà als alternder Liebhaber. Sehr auffällig ist genauso Edgardo Rocha (Lindoro), er singt sich mit seinem ausgeprägten Charaktertenor in den Vordergrund. Er kann Lindoros bekannt schwierige italienische Arien schwerelos einfach und klangvoll mit unendlich langem Atem gestalten: languir per una bellanach einer Schönen zu schmachten und o come il cor di giubilo – oh wie mein Herz jubiliert.

Jose Coca Loza (Haly) ist durch das Video aus La dolce vita in den Mittelpunkt gerückt. Seine Arie le femmine d’Italia – Frauen aus Italien wird auch sehr melodieverliebt vorgetragen. Rebeca Olvera als Elvira macht aus der Nebenrolle einer ins Abseits gedrängten Ehefrau ein kleines Juwel, ist ebenso stimmig besetzt wie Alessandro Corbelli als gescheiterter Liebhaber Taddeo mit Belcantoerfahrung.

Dirigent Jean-Christophe Spinosi sieht sich als idealer Unterstützer der Solisten, sie können mit ihren Koloraturen und Gesangslinien glänzen und sich immer auf dem Orchester Ensemble Matheus ausruhen. Er fügt immer noch einen musikalischen Kommentar hinzu, quasi ein gespielter Witz, was bei Rossini durchaus üblich ist.

Fazit

In dieser Produktion sind eindeutig nur Meister ihres Fachs bzw. Liebhaber Rossinis zugange. So prägen einrucksvolle Szenenbilder, durchdachte Umbauten und zahllose witzige Anspielungen die Szenen, fesseln das Auge und das Ohr des Zuschauers: Sklaven als italienische Nationalmannschaft, Anita Ekberg als italiensche femme fatale und die Titanic als Fluchtfahrzeug sind Höhepunkte. Musikalisch sind alle Beteiligten seit fast zwanzig Jahren mit den Werken Rossinis oder der italienischen Oper beschäftigt – und arbeiten auch fast so lange mit Cecilia Bartoli zusammen. Heraus kommt ein rundum glücklich machender Opernabend – heutzutage ein seltener Moment – er wäre wert für die Ewigkeit dokumentiert zu werden! Da sieht man über Aktualisierungen (wie gierige Lustgreise) gerne hinweg.

Oliver Hohlbach

Bild: Monika Rittershaus

Bild (1) zeigt Cecilia Bartoli (Isabella) kommt zum Hof des Mustafà.

Bild (2)  Cecilia Bartoli (Isabella) kommt auf einem Kamel reitend in den Straßen von Algier an.

Veröffentlicht unter Musikfestivals, Salzburger Festspiele