von Charles Gounod, Oper in fünf Akten, Libretto: Augustin Eugène Scribe und Germain Delavigne, UA: 18. Oktober 1854, Paris, Salle de la rue le Peletier,
Regie: David Bobée Bühne: David Bobée, Aurélie Lemaignen Kostüme: Alain Blanchot, Licht: Stéphane Babi Aubert, Video: José Gherrak, Dramaturgie: David Bobée, Laurence Equilbey
Dirigent: Laurence Equilbey, Orchester: Insula orchestra, Chor: accentus, Choreinstudierung: Nicolaï Maslenko,
Solisten: Michael Spyres (Rodolphe), Agnés (Vannina Santoni), Marion Lebégue (La Nonne), André Heyboer (Le Comte de Luddorf), Jodie Devos (Arthur), Jean Teitgen (Pierre l‘Ermite), Luc Bertin-Hugault (Le Baron de Moldaw), Enguerrand de Hys (Fritz, Veilleur de nuit), Olivia Doray (Anna), Pierre-Antoine Chaumien (Arnold), Julien Neyer (Norberg), Vincent Eveno (Théobald)
Besuchte Aufführung: 2. Juni 2018 (Premiere)
Die Blutige Nonne entstand um das Jahr 1854 und zeigt die ersten Spuren von Gounods musikalischer Reife. Das Libretto dagegen irritiert und zeigt einige Brüche: Personen wie Peter der Eremit, das Paar Anna und Fritz oder Norberg tauchen schlagartig auf und verschwinden ebenso rasch wieder aus der Handlung. Die Pariser Opéra Comique hat das Werk zum ersten Mal nach seiner Uraufführung wieder in Frankreich auf die Bühne gebracht.
Kurzinhalt
Die Familien Moldaw und Luddorf liegen im Streit. Eremit Peter macht den Vorschlag, dass Agnés, die Tochter Moldaws, Théobald, den Sohn Luddorfs, heiraten soll. Allerdings hat sich Agnés schon in Rodolphe, den Bruder Théobalds verliebt. Um Agnés für sich zu haben, will er sie nachts entführen. Dafür soll sie sich als blutige Nonne verkleiden, von welcher die Sage umgeht, dass sie sich immer um Mitternacht den Menschen zeigt. Statt Agnés sofort zu entführen, gelobt Rodolphe ihr ewige Treue. Nun stellt sich heraus, dass es sich nicht um die echte Agnés, sondern um den Geist der toten Nonne handelt, die ihre Ermordung durch Rodolphe gesühnt wissen will. Der Mörder ist Rodolphes Vater Luddorf!
Aufführung
Das Bühnenbild öffnet sich schon während der Ouvertüre. Man sieht eine Pantomime, die die Vorgeschichte schildert und Sachverhalte zum Ausdruck bringt, die in der Handlung nicht vorgesehen sind. Alles ist in Schwarz gehalten. Man bekommt das Gefühl, als befände man sich in einem Tunnel der Pariser Metro. Zwar leitet sich die Dunkelheit von der schauerlichen Handlung ab, ist in ihrer Kontrastlosigkeit jedoch etwas schwer bekömmlich. Gleiches gilt auch für die Kostüme. Lediglich die tote Agnès bekommt ein weißes Gewand, auf welchem das Blut deutlich sichtbar ist. Die Anna der Bauernhochzeit im dritten Akt trägt ein hervorstechendes Blau. Kulissen und Requisiten beschränken sich auf ein Minimum, sind aber der Handlung entsprechend eingesetzt und in ihrem Symbolcharakter nachvollziehbar.
Sänger und Orchester
Erfreulich ist, daß der erkrankte André Heyboer seine Partie des Luddorf trotzdem bestritten hat. Dies gelang ihm großenteils sehr gut mit beeindruckendem Timbre, dem man seine stimmlichen Nachteile kaum anhörte. Jean Teitgen interpretierte die Partie des Pierre l‘Ermite. An einigen Stellen wankt seine Textsicherheit, was sein profunder und sonorer Baß leicht an Ausdrucksstärke wieder wett machen kann. Vielleicht ist seine sängerische Leistung die beste des Abends. Leichtfüßig und klar dagegen gibt sich Vannina Santoni in der Partie der lebendigen Agnès. Ihr Sopran ist leicht und geschmeidig, man hört ihr gerne zu. Auch hier ist die Deklamation des Französischen sehr fein ausgearbeitet.
Als Gegenfigur interpretiert Marion Lebègue mit einem vollmundigen Mezzosopran die Partie der Nonne. Auch ihre Klangfarbe ist durchaus interessant und die Partie gründlich erarbeitet. Den größten Applaus vom Publikum erntet Michael Spyres als Rodolphe. Vor allem hört man ihm sprachlich seine amerikanische Abstammung nicht an, was bei Sängern dieser Nationalität äußerst selten der Fall ist. Seine Arie un jour plus pur im dritten Akt ist der Kassenschlager des Abends (die Melodie machte sich Richard Wagner in entstellter Form als Preislied in seinen Meistersingern zunutze!). Sein Timbre ist hell, eindringlich und die Artikulation sehr präzise. Ein weiterer Star des Abends war Jodie Devas als Arthur. Diese Hosenrolle verknüpft das ernste mit dem Tragischen und wird von der jungen Sängerin eindrucksvoll umgesetzt. Auch das Orchester Insula orchestra leistet unter dem Dirigat von Laurence Equilbey. Die Tempi sind zügig und mitreißend, es entstehen keine Längen oder zähe Passagen. Auch das Pathos der dramatischen Höhepunkte wie u.a. das oben genannte un jour plus pur weiß die Dirigentin mit ihren Musikern auszukosten.
Fazit
Die Handlung des Stücks wie auch die szenische Umsetzung sind die Schwachstellen dieser Produktion. Man kann zwar gut folgen, es reißt einen jedoch nicht zur Begeisterung hin. Musikalisch entdeckt man ein interessantes und gut interpretiertes Werk, das vor allem in Frankreich mehr Beachtung verdient hätte. Zu loben sind vor allem die Sänger, die insbesondere in sprachlicher Hinsicht sehr liebevoll mit ihren Partien umgehen.
Daniel Rilling
Bild: Pierre Grosbois
Das Bild zeigt: Michael Spyres (Rodolphe), Marion Lebègue (la Nonne), chœur accentus