von Richard Wagner (1813-1883), Große romantische Oper in drei Aufzügen, Dichtung vom Komponisten, hier eigene Fassung der Wiener Fassung 1875, UA: 19.10.1845 Dresden, Semperoper
Regie: Maximilian von Mayenburg, Bühne: Stephan Prattes, Kostüme: Ursula Kudrna
Dirigent: Kirill Karabits, Staatskapelle Weimar, Opernchor und Extrachor des DNT, Choreinstudierung: Markus Oppeneiger
Solisten: Daeyoung Kim (Landgraf Hermann), Corby Welch (Tannhäuser), Uwe Schenker-Primus (Wolfram), Artjom Korotkov (Walther), Andreas Koch (Biterolf), Jörn Eichler (Heinrich), Andrii Chakov (Reinmar), Camila Ribero-Souza (Elisabeth), Sayaka Shigeshima (Venus), SuJin Bae (Hirt), u.a.
Besuchte Aufführung: 14. April 2018 (Premiere)
Der Minnesänger Tannhäuser hat lange Zeit im Venusberg zugebracht, dem legendären Zufluchtsort der Liebesgöttin. Tannhäuser verläßt sie, als er der erotischen Ekstase überdrüssig wird. Von seinen Freunden und künstlerischen Konkurrenten wird er überredet auf die Wartburg zu einem Sängerwettstreit zurückzukehren. Thema des Wettstreits ist das Wesen der Liebe, der Preis wird von Elisabeth, der Tochter des thüringischen Landgrafen, vergeben, die Tannhäuser in Zuneigung ergeben ist. Während seines Beitrags gesteht Tannhäuser jedoch seinen Aufenthalt im Venusberg, und nur dank des Eintretens Elisabeths darf er sein Leben behalten, unter der Bedingung, nach Rom zu pilgern und für seine Verfehlung beim Papst um Absolution zu bitten. Der aber überantwortet Tannhäuser der ewigen Verdammnis, vor der ihn das selbstlose Opfer Elisabeths rettet.
Aufführung
In rosarotes Licht ist die Welt der Venus getaucht. Rot ist auch Ihr Kleid, unter dem sich große Spermien oder Kinder verkriechen. Schwarz-weiß ist dagegen die Welt der Wartburg, abgehackt und wenig beweglich die Gesellschaft. Tannhäuser wirkt im langen weißen Kittel wie ein Irrenarzt. Der Sängerkrieg findet an einem schwarzen Flügel statt, der während des Streits zertrümmert wird. Rampen im Hintergrund führen abwechseln nach links oder rechts oben, zur Wartburg, nach Rom oder von Rom her. Am Ende sorgt die Begegnung der Elisabeth im weißen Unterkleid mit der Venus in Rot zum einzigen Farbpunkt im Finale. Elisabeth entschwindet auf der Rampe, Wolfram erdrosselt Tannhäuser.
Sänger und Orchester
Die heldentenoralen Anforderungen an den Tannhäuser erfüllt Corby Welch, wie man sich einen amerikanische Tenor vorstellt: Ausdrucksstark, tenoraler Glanz in der soliden Höhe, jedoch technische Mängel in der Stimmführung. Nicht jede Phrase gelingt, nicht jeder Satz ist richtig. Camila Ribero-Souza als Elisabeth ist als schwerer dramatischer Sopran die richtige Partnerin, so wird die Hallenarie und der folgende Dialog mit Tannhäuser entsprechend mitreißend ausgewogen. Ihr Gegenstück, die Venus der Sayaka Shigeshima ist der entsprechende Gegensatz, ein jugendlicher Sopran mit Charisma und Verve. Eine lyrische Ohrenweide ist der Hausbariton Uwe Schenker-Primus als Wolfram. Zu Recht ein Publikumsliebling! Die vermeintlich kleineren Rollen können meist überzeugen: SuJin Bae als Hirt mit klarem hohen Sopran, Artjom Korotkov, der die Tenorrolle des Walther im Sängerkrieg glänzend und mit Wucht vorträgt und Daeyoung Kim als Landgraf, der leider nicht mit dem Ensemble harmoniert.
Etwas zerdehnt ist das Dirigat von Kirill Karabits. Manche „unendliche Melodie“ endet etwas abrupt durch profanes Luftholen, aber das Orchester bügelt solche Stellen wieder aus, stellt die romantische Tradition der Weimarer Staatskapelle klanglich unter Beweis. Der Chor kann aufgrund seiner harmonischen Stimmgruppen-Einheit begeistern, befeuert sich und das Finale am Schluß. Kleinere Probleme im allgemeinen Zusammenspiel werden sich glätten.
Fazit
Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten hat Woody Allen in einem Film verarbeitet. Maximilian von Mayenburg versucht eine vermeintlich witzige Reprise zu geben, ist aber an der ernsten romantischen Frage in Wagners Tannhäuser Liebe oder Eros? doch gescheitert. Was zu – für Weimarer Verhältnisse sehr verhaltenen – Applaus für die Produktion führt. Sehr viel freundlicher fällt der Applaus für die musikalische Seite aus. Sängerisch überzeugen besonders die vermeintlich kleinen Rollen mit Publikumslieblingen vom Haus. Die im Wagner-Bereich erfahrene Staatskapelle Weimar kennt genau die Stärken der Partitur und wird vom Publikum gefeiert. Kleinere Ungereimtheiten werden sich nach dem Premierenfieber glätten.
Oliver Hohlbach
Bild: Candy Welz
Das Bild zeigt: Sayaka Shigeshima (Venus), Corby Welch (Tannhäuser)