Berlin, Staatsoper unter den Linden – Macbeth

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in vier Akten, Libretto: G. Verdi, Francesco Maria Piave und Andrea Maffei nach The Tragedy of Macbeth (1606) von William Shakespeare in der italienischen Prosaübersetzung von Carlo Rusconi, UA: 14. März 1847 Florenz, Teatro della Pergola, Zweitfassung: 21. April 1865 Paris, Théâtre Lyrique

Regie: Harry Kupfer, Bühne: Hans Schavernoch

Dirigent: Daniel Barenboim, Staatskapelle Berlin, Staatsopernchor und Solisten des Kinderchors, Choreinstudierung: Martin Wright.

Placido Domingo (Macbeth), Anna Netrebko (Lady Macbeth), Kwangchul Youn (Banquo), Fabio Sartori (Macduff), Florian Hoffmann (Malcolm), Evelin Novak (Kammerfrau).

Besuchte Aufführung: 24. Juni 2018

Kurzinhalt

Den schottischen Fürsten Macbeth prophezeien Hexen nach einer Schlacht, daß er zum neuen Than von Cawdor ernannt werden wird. Mit diesem tatsächlichen Aufstieg ist sein – und seiner Gemahlin – Ehrgeiz angestachelt, auch nach der Königswürde zu greifen. Macbeth ersticht diesen im Schlaf, um danach selbst gekrönt zu werden und zusammen mit seiner Gattin eine von Angst, Mißtrauen und Terror gekennzeichnete Epoche in der schottischen Geschichte einzuleiten. Das Blut der zahllosen Opfer fällt schließlich auf die beiden zurück: Lady Macbeth tötet sich im Wahn und Macbeth wird bei einer Revolte umgebracht, kurz nachdem ihm die Sinn- und Fruchtlosigkeit seines gesamten Handelns aufgegangen ist.

Aufführung

Das Bühnenbild von Hans Schavernoch mit zwei seitlichen Wänden mit jeweils schmaler Zugangstür wird von beeindruckenden messerscharf gestochenen Projektionen dominiert, die auch jedem heutigen Monumentalfilm zur Ehre gereichen würden. Die Projektionen zeigen brennende Schlachtfelder, aus den brennenden Siedlungen fliehen Zivilisten, unter die sich auch Hexen gemischt haben. Die Protagonisten tragen Operettenuniformen im italienischen Monumentalschnitt, lediglich Lady Macbeth ist ein schwarzes Kleid, beim wahnsinnigen Schlafwandeln nur das weiße Unterkleid gekleidet.

Sänger und Orchester

Im Fokus des Interesses steht sicherlich Anna Netrebko als Lady Macbeth. Sie verfügt immer noch über eine jugendlich klare, aber auch eine durchschlagsstarke Stimme, mit atemberaubend sicherer Höhe, die immer schwerer wird. Ihre Möglichkeiten im Piano und Fortissimo wirken endlos, mit tragenden Tönen in der Tiefe. Ihr Höhepunkt ist die Wahnsinnsarie, die sie sterbend im weißen Hemd, barfuß, langsam verlöschend, aber immer mit tragender Stimme, mitleiderweckend gestaltet. Selbst wenn die ganz hohen Töne (Schlußton Des) manchmal etwas wackeln. Auch wenn die Koloratur im Trinklied nicht ganz überzeugt, so liebreizend kann Haß in den schönsten Tönen erklingen.

Placido Domingo in der Titelrolle ist stimmlich ein Täter und ein Opfer, ein Antreibender und Angetriebener, aber immer noch eine Stimme mit tenoralen Färbung und einem immer noch unverkennbaren Timbre. Für einen Bariton fehlt eine sichere, warm timbrierte Mittellage. Das Alter zeigt Wirkung, die Stimme wird leiser, zerbrechlicher, die Eleganz und sichere Phrasierung gehen mehr und mehr verloren. Aus der langen Pause zum dritten Akt kommt Domingo mit neuer Energie zurück Hier kann er sich in der großen Arie und im Duett mit Netrebko Ora di morte e di vendetta – Stunde des Todes und der Rache gewaltig steigern. Desgleichen im  vierten Akt mit der aus der Erstfassung übernommenen Sterbeszene anstelle des furiosen Chorfinales.

Ebenso überaltert wirkt Kwangchul Youn als Banquo, mit Vibrato und schmallippig präsentiert sich Fabio Sartori als Macduff. Eindrucksvoll die Leistung des Bewegungschores, der als Zivilisten-Hexen in Oliv oder als amerikanische G.I. über die Bühne wuselt. Trotzdem war die Einheitlichkeit der Einsätze in der Einstudierung von Martin Wright ohne Schwierigkeiten möglich. Ebenso sicher leitet Daniel Barenboim die Staatskapelle Berlin, die über einen der Italianità verpflichteten Antrieb bei manchmal hohem Tempo verfügt und so die heftigen Gefühlswelten des Werkes aufzeigen kann.

Fazit

Optisch ist vieles sehr beeindruckend, was Harry Kupfer mit aufwendigen Hintergrund-Projektionen mit viel Rauch und Feuer auf die Bühne bringt. Die Videoeinblendungen sind aber grundsätzlich fehl am Platz einer Operndarstellung (das gilt natürlich nicht nur für diese Aufführung). Eine Oper sollte nicht mit anderswo produzierten Zusatzbühneneffekte ausgestattet werden!

Ebenso eindrucksvoll erlebt man die aufwendigen Verwandlungen, die rasch mittels Hubpodien nach oben und unten gefahren werden. Das Bühnenbild und die Kostüme im Stil des italienischen Faschismus passen aber einfach nicht zu der archaischen, schottischen Sage und verharmlosen die Handlung des Stückes! Statt Blut sieht man viel Feuer (Video!). Mord und Totschlag finden im Verborgenen statt, Kriegsgreuel treten in den Vordergrund, die Hexen sind Zivilisten, die plündern, Macbeth und Lady Macbeth gleichen eher einem netten Großonkel und einer etwas verschrobene Tante, die am Altersunterschied scheitern (so, als sich Domingo am Ende des zweiten Akts auf Netrebko wirft!). Das hat dann einen bitteren Beigeschmack!).

Am Ende donnernder Applaus für Netrebko, für eine wirklich ansprechende Leistung und für Daniel Barenboim, der im italienischen Fach und bei Verdi die Emotionen zügig und straff beherrscht. Und freundlicher Applaus für einen alternden Domingo und ein staatsopernwürdiges Ensemble.

Oliver Hohlbach

Bild: Bernd Uhlig

Das Bild zeigt: Plácido Domingo (Macbeth), Anna Netrebko (Lady Macbeth)

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