Karlsruhe, Badisches Staatstheater – IL BARBIERE DI SIVIGLIA

von Gioacchino Rossini, Komische Oper in zwei Akten, Libretto: Cesare Sterbini nach Barbier de Sèville (1772) von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, UA: 20. Februar 1816, Rom, Teatro Argentina
Regie: Dominique Mentha, Bühne: Christian Floeren, Kostüme: Susanne Hubrich
Choreografische Betreuung: Julianna Sarri; Dramaturgie: Margrit Poremba
Dirigent: Justin Brown; Orchester der Badischen Staatskapelle und Chor
Solisten: Jung-Heyk Cho (Graf Almaviva), Tero Hannula (Bartolo), Ina Schlingensiepen (Rosina), Armin Kolarczyk (Figaro), Lukas Schmid (Basilio), Sabrina Kögel (Berta), Mehmet Utku Kuzuluk (Fiorillo) u.a.
Besuchte Aufführung: 11. Juli 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
karlsruhe-barbiere.jpgIn der Morgendämmerung wartet der sich als Lindoro ausgebende Graf Almaviva vor dem Hause Doktor Bartolos auf das Erscheinen seiner Rosina. Don Bartolo bewacht sein Mündel rund um die Uhr, um sie so bald wie möglich selbst zu heiraten. Der Barbier Figaro erscheint und verspricht dem Grafen Zutritt zu Bartolos Haus: Almaviva soll sich als betrunkener Soldat bei Don Bartolo einquartieren. Als Soldat verkleidet gibt sich der Graf Rosina als Lindoro zu erkennen. Nach der von Bartolo vereitelten Einquartierung (als Arzt muß er keine Soldaten beherbergen) kommt Almaviva erneut in Bartolos Wohnung und gibt sich als Vertreter des kranken Musiklehrers Bartolo aus. Figaro lenkt derweil Bartolo ab, um an den Hausschlüssel zu gelangen, denn Rosina soll bei Nacht entführt werden. Almaviva kommt in Rosinas Zimmer. Figaro mahnt die Liebenden zur Eile, doch der Fluchtweg ist schon abgeschnitten. Ein Notar tritt ein, um die Vermählung Bartolos mit Rosina vorzunehmen. Bevor aber Bartolo eintrifft, wird Basilio der als Trauzeuge dabei ist, von Almaviva als bestochen und die Ehe vom Grafen mit Rosina vom Notar vollzogen. Der zurückkehrende Doktor Bartolo wird vor vollendete Tatsache gestellt.
Aufführung
Die Grundideen der Inszenierung sind schnell erklärt: Es geht um Geld und Maschinen. Während der Ouvertüre sieht man den Grafen vor einem Geldautomaten in einen Schlafsack gehüllt. Sein Ständchen an Rosina singt er darauf stehend. Figaro erscheint beim ersten Auftritt auf einem Fahrrad zur Bühne herabschwebend. Ihren Brief an den Grafen verfaßt Rosina auf einer Schreibmaschine. Nachdem am Ende der Oper die Leiter am Balkon verschwunden ist, schwebt ein Heißluftballon herab und offenbart den dreien einen Fluchtweg. Auf der rechten Bühnenhälfte befindet sich ein riesiger Tyrannosaurus Rex. Auch Don Bartolo wächst ein Saurierschwanz, der im Verlauf der Oper immer größer wird. Durch den Einsatz der Maschinen entstehen allerdings Dyslogismen, die sinnändernde Eingriffe des Textes mit sich brachten. Aus Figaros Schaufenster wurde der Propeller am Fahrrad und vor allem: Wie kam beim Schreibmaschine schreiben Tinte an Rosinas Finger, weshalb ist die Feder gespitzt? Die Inszenierung schließt mit einem kleinen Naturspektakel: bei der Gewitterszene ergießt sich ein echter Regenschauer.
Sänger und Orchester
Schon in der Ouvertüre zeigte Dirigent Justin Brown sein Feingefühl für die Musik Rossinis: Feine Steigerungen in Tempo und Dynamik, lyrische Melodiebögen in den Soloinstrumenten. Fast jede Nummer wurde applaudiert. Ina Schlingensiepen (Rosina) sang ihre Partie mit klarer, leicht nasaler aber durchaus angenehmer Stimme. Ausgezeichnet gelang ihr der Canto fiorito (Ziergesang) mit spielerischer Leichtigkeit Io sono docile – Ich bin sanft und klang lediglich in hohen Lagen bei manchen Fortestellen etwas gepreßt. Brillant ebenso Armin Kolarczyk (Figaro), der nach seinem Obolski im Feuerwerk ein weiteres Mal dem Publikum sein Talent für Buffo-Rollen bewies. Auch Jung-Heyk Cho (Graf Almaviva) überzeugte eindrucksvoll mit seiner Partie als Don Alonso Pace e gioia – Friede und Freude, wo er seine stimmliche und schauspielerische Verstellungskunst unter Beweis stellte. Die Koloraturen von Lukas Schmid (Basilio) klangen überakzentuiert, jedoch überzeugte er in seiner Arie La calunnia è un venticello – Die Verleumdung ist ein sanfter Wind mit starkem Ausdruck und Stimmgewalt. Tero Hannula (Bartolo) beeindruckte durch seine klar verständliche Textdeklamation des äußerst raschen Quando Bartolo va fuori – Wenn Bartolo hinausgeht. Eindrucksvoll war auch der kurze Auftritt Sabrina Kögels (Berta) Il vecchiotto cerca moglie – Der Alte sucht eine Frau mit markant kräftiger Stimme und fein nuanciertem Ausdruck.
Fazit
Bei dieser Vorstellung vermischen sich individuelle Interpretation des Regisseurs und Treue zum Rossinischen Original. Diese Zweigesichtigkeit quittierte das Publikum mit ausgeglichenen nicht enden wollenden Buh- und Bravorufen. Ein musikalisches Bravo gehört diesem Abend allemal – das visuelle sei jedem selbst überlassen.
Daniel Rilling

Bild: Jacqueline Krause-Burberg
Das Bild zeigt: v.l.: Jung-Heyk Cho (Graf Almaviva) und Ina Schlingensiepen (Rosina) unter dem Tyrannosaurus Rex.

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