von Richard Wagner (1813-1883), Vorabend zum Bühnenfestspiel in vier Szenen, Libretto. R: Wagner, UA: 1869 München; Nationaltheater
Regie: Markus Dietz, Bühne: Ines Nadler, Kostüme: Henrike Bromber
Dirigent: Francesco Angelico, Staatsorchester Kassel
Solisten: Bjarni Thor Kristinsson (Wotan), Ulrike Schneider (Fricka), Jaclyn Bermudez (Freia), Hansung Yoo (Donner), Tobias Hächler (Froh), Lothar Ordinius (Loge), Thomas Gazheli (Alberich), Arnold Bezuyen (Mime), Marc-Olivier Oetterli (Fasolt), Runi Brattaberg (Fafner), Edna Prochnik (Erda), Elizabeth Bailey (Woglinde), Marie-Luise Dreßen (Wellgunde), Marta Herman (Floßhilde)
Besuchte Aufführung: 7. September 2018
Alberich wirbt um die drei Rheintöchter, die ihn aber nur verspotten. Daraufhin entsagt er der Liebe und stiehlt ihnen das Rheingold. Aus diesem Gold läßt er einen machtvollen Ring schmieden, mit dessen Kraft er sich die Nibelungen untertänig macht. Die Riesen Fafner und Fasolt haben für den Gott Wotan die Burg Walhall erbaut, und fordern nun von ihm die Göttin Freia als ihren Lohn. Doch Wotan will Freia nicht herausgeben, und der intrigante Gott Loge überzeugt ihn davon, als Ersatz Alberich den Ring und das Rheingold wieder zu entreißen. Alberich verflucht den Ring, den Wotan den Riesen reicht, um Freia auszulösen. Fafner erschlägt seinen Bruder, die Götter aber ziehen in die Burg Walhall ein.
Aufführung
Die Oper heißt zwar Rheingold, aber im Schwimmbecken des derzeitigen Kasseler Freibades mit glasklaren Glasbecken gibt es kein Gold. Nur Menschen, die dem Treiben im Bade zusehen. So kann auch Alberich nichts wirklich mitnehmen, als er die Liebe verflucht. Aber offensichtlich folgen ihm die Menschen und die Rheintöchter auf eine obere Plattform der Hebebühne (Nibelheim?), wo ihm auch die Rheintöchter zu Diensten sein müssen. Diese dürfen ihn auch nach Walhall abführen, nachdem sie sich auf die Projektion einer Kröte geworfen haben. Walhall besteht aus einem Gerüst mit einem leuchtenden W, wo die herbeigerufene Menschenmenge Freia (nach Gestalt?) auslösen muß. Und die Götter ziehen froh und unauffällig nach Walhall – oder in die Stadt, die auf die Leinwand hinter Walhall projiziert wird.
Sänger und Orchester
Eine der Vorzüge dieser Premiere ist ohne Zweifel die Erkenntnis, daß man mittlerweile überall einen Ring auf hohem Niveau besetzen kann. In Kassel setzt man auf alterfahrene Leistungsträger, das Ensemble und auf junge Nachwuchskräfte. Zu den alterfahrenen zählt Arnold Bezuyen: er kann die Rolle des Mime als Charakterfachstudie anlegen, damit nähert er sich dem Sprechgesang immer mehr an, in der Höhe muß er geschickt kaschieren. Hansung Yoo ist der spielerisch sichere Spielbariton vom Haus, der dem Donner imposante Heda-Hedo-Rufe zueignet. Der Gast Tobias Hächler gibt den Gott Froh mit lässiger Leichtigkeit als italienischer Spieltenor, der aber mit der Forderung Zurück! wie ein Heldentenor explodieren kann.
Lothar Odinius hat kleinere Probleme mit der Höhe, kann aber die Rolle des Loge geschickt sehr theatralisch gestalten, genauso wie Bjarni Thor Kristinsson als Wotan, der aber orgelnde Probleme in den Höhen und Tiefen hat. Durchschlagskraft und Volumen geht der eher kleineren Stimme des Marc-Olivier Oetterli ab, aber er kann der Rolle des Fasolt Gewicht verleihen. Runi Brattaberg kann da deutlich mehr Volumen als Fafner dagegen setzen, allerdings tremoliert er dabei.
Ulrike Schneider gibt der resoluten Fricka die keifige, eng geführte Stimme, während Edna Prochnik die würdevolle weise Erda ist. Besonders lobenswert die omnipräsenten Rheintöchter, die stimmlich bestens miteinander harmonieren. Francesco Angelico schweißt die Sängerriege zusammen und ihm gelingt es auch, das Staatsorchester Kassel das richtige Gefühl für den Ring zu vermitteln. Selten hat man das Anschwellen des Rheins, den berühmten Es-Dur-Akkord am Anfang, so feinsinnig gewoben und transparent gehört, beim Einzug der Götter wird es monumental und wuchtig, aber man hört auch feine Nuancen in den stilleren Momenten, die den Solisten nachdenkliche Momente im Piano ermöglichen, wie z.B. für Mimes Immer ist Undank.
Fazit
Ob sich dieser fünfte Kasseler Ring seit 1961 vor allem in der Nachfolge der als Meilenstein der Ring-Interpretation gefeierten Ringes von Ulrich Melchinger und Gerd Albrecht (1970) erfolgreich schließen wird? Die angedachte Kapitalismuskritik mit Bezug auf den Leipziger Ring von Herz (1970) und den Bayreuther Ring von Chéreau (1976) in einer heutigen versnobten und dekadenten Gesellschaft ist nicht glaubwürdig, sondern zu einer rätselhaften Farce geworden – wie will man am Kapital zweifeln, wenn man kein Gold hat? Vor allem wenn man dann noch mit Sponsoren aus Industrie und Bankenkreisen Werbung im Programmheft macht. Egal – die Premiere wird vom Publikum durchweg freundlich gefeiert, besonders Francesco Angelico mit dem Staatsorchester kann das Publikum vom Sitz reißen.
Oliver Hohlbach
Bild: Nils Klinger
Das Bild zeigt: Marie-Luise Dreßen (Wellgunde), Marta Herman (Floßhilde), Elizabeth Bailey (Woglinde)