Münchner Opernfestspiele, Prinzregententheater

Orlando Paladino

Joseph Haydn (1732-1809), Dramma eroicomico in drei Akten, Libretto: Nunziato Porta, UA: 6. Dezember 1782 Schloß Eszterháza

Regie: Axel Ranisch, Bühne/Kostüme: Falko Herold, Choreographie: Magdalena Padrosa Celada

Dirigent: Ivor Bolton, Münchner Kammerorchester, Opernballett der Bayerischen Staatsoper

Solisten: Adela Zaharia (Angelica), Edwin Crossley-Mercer (Rodomonte), Mathias Vidal (Orlando), Dovlet Nurgeldiyev (Medoro), Guy de Mey (Licone), Elena Sancho Pereg (Eurilla), David Portillo (Pasquale), Tara Erraught (Alcina), Francois Lis (Caronte)

Besuchte Aufführung: 27. Juli 2018 (Prinzregententheater)

Kurzinhalt

Die Königin Angelica und ihr Liebhaber Medoro sind vor Orlandos Eifersucht in ein entlegenes Haus im Wald geflohen. Rodomonte, der König von Barbarien (Afrika), sucht die beiden, um sie vor Orlando zu beschützen. Angelica wendet sich in ihrer Verzweiflung an ein Zauberbuch, woraufhin Alcina erscheint. Sie verspricht dafür zu sorgen, daß niemand zu Schaden kommen sollte. Als Orlando eintrifft, kommt es beinahe zum Blutbad, aber Alcina verzaubert Orlando, so daß die anderen entkommen können. In der Verwirrung verlaufen sich alle im Wald. Wieder begegnen sie sich, und wieder muß Alcina Orlando verzaubern. Seine Wut ist weiter ungebändigt. Schließlich bringt Alcina ihn zu Charon, dem Fährmann zur Unterwelt, und bittet diesen darum, Orlandos Raserei mit Wasser aus dem Fluß des Vergessens wegzuwaschen. Danach erkennt Orlando niemanden mehr, er hat seine Liebe zu Angelica vergessen. Er schließt Frieden mit Rodomonte, Angelica und Medoro können ihre Flucht aufgeben, und Orlandos Knappe Pasquale heiratet das Hirtenmädchen Eurilla.

Aufführung

Die Oper spielt in einem Kino, anfangs am Kassenhäuschen, dann im Kinosaal. Nicht etwa, daß dem Publikum ein Film gezeigt wird, nein, es werden Filme als Kommentare gezeigt, in denen ein mittelalterlicher Ritter in einem Wald bei einer Brotzeit aus der Tupperdose gefangen genommen wird und an einem See wieder frei gelassen wird, an dem sich ein Pärchen in Weiß trifft. Die eigentliche Handlung findet vor den Stuhlreihen statt, bevor diese in den Hintergrund verschoben werden und eine lichtdurchflutete Waldlandschaft auftaucht. Orlando plagen die Erinnyen (Ballett mit Gruselmaske), Pasquale trägt eine von Pfeilen durchlöcherte Rüstung, Alcina ist die rothaarige Hexe mit Schlabberhemd und Sneakern. Zusätzlich wuseln die Hausmeister durch das Bild, das Hausmeister-Ehepaar Heinz wurde neu in die Handlung aufgenommen.

Sänger und Orchester

Die Solisten sind durchwegs junge Nachwuchssänger am Anfang ihrer Kariere, teilweise im Ensemble der Münchner Staatsoper, keiner von ihnen wirklich spezialisiert auf alte Musik  mit ihren Koloraturen, den Phrasierungen und Verzierungen der Gesangslinie – haben aber Erfahrungen im Mozart-Bereich. Die auffälligste Sängerin ist die rothaarige Hexe Alcina, der das Ensemblemitglied Tara Erraught mit voluminösen tief timbrierten Mezzosopran eine mystische Wirkung verleiht. Bei den Herren ist der auffälligste der Spieltenor David Portillo als Knappe Pasquale. In seiner Bravourarie Ecco spiano – Wie aushaltend erteilt er quasi Musikunterricht, spricht von den Trillern, Triolen, Höhen Tiefen, Sprüngen und Synkopen mit denen manche Kollegen Probleme haben.

Eurilla, die er so beeindrucken will, singt Elena Sancho Pereg mit hellen, beweglichen Sopran. Edwin Crossley-Mercer hat als Heldenbariton in der Baß-Rolle des Rodomonte Probleme in der Tiefe, kommt aber mit Kraft gut damit zurecht. Kernige Ritter sind auch Mathias Vidal als Orlando und Francois Lis als Caronte. Das Liebespaar bestehend aus Dovlet Nurgeldiyev (ein lyrischer Tenor mit schönem hellem Timbre) als Medoro und Adela Zaharia (ein sehr lyrischer, weicher Mozartsopran) als Angelica bleibt eher unauffällig.

Das Münchner Kammerorchester ist auf die aktuelle moderne Musik spezialisiert und hatte in den letzten 20 Jahren siebzig Uraufführungen. 2016 gewann es allerdings auch den Echo Klassik für Haydns Prince Esterházy Concertos (mit dem Oboisten François Leleux in einer Studioproduktion). Es spielt auf den üblichen modernen Instrumenten (Streicher mit Stahlsaiten). Die Sackpfeifen beim ersten Auftritt von Pasquale werden durch Geigen imitiert. Ivor Bolton bemüht sich die spätbarocken Klangwelten zwischen der italienischen Oper und der Schwelle zur Wiener Klassik zum Leuchten zu bringen, es ist formal technisch einwandfrei, aber es will ihm jedoch nicht so richtig gelingen, es bleibt einfach ein steriler Einheitsbrei, passend als Musik zum Film.

Fazit

Ein neuer Versuch zu bester Opernfestspielzeit: ein Filmregisseur für B-Movies versucht sich an einer Oper mit großem Ensemble und komplexer Handlung. Die Verlagerung ins Kino mit Stummfilm und Hausmeisterpaar nebst rothaariger Tochter, die die Rolle der Hexe übernimmt nachdem der Popcorn-Automat explodiert ist. Sie schafft zwar eine neue Handlungsebene, die mit quietschender Ritterrüstung die Haupthandlung unverständlich läßt, aber für Gelächter sorgt. Sozusagen ein Crossover der Oper mit dem Film ohne irgendeiner Logik zu folgen. Musikalisch problematisch ist es, sich ein Münchner Gastorchester ins Haus zu holen, das für den Crossover zwischen moderner Musik und alter Musik steht. Sängerisch sorgt das hochmotivierte Nachwuchs-Ensemble immerhin für einen beglückenden Abend für ein erfreutes Publikum.

Oliver Hohlbach

Bild: Wilfried Hösl

Das Bild zeigt: Elena Sancho Pereg (Eurilla), David Portillo (Pasquale)

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