Baden-Baden, Festspielhaus – DER FREISCHÜTZ

von Carl Maria von Weber, Romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto: Friedrich Kind nach der Freischütz, eine Volkssage von Johann August Apel, UA: 18. Juni 1821, Königliches Schauspielhaus Berlin
Regie/Bühnenbild/Licht: Robert Wilson, Kostüme: Viktor & Rolf in Zusammenarbeit mit Swarovski
Dirigent: Thomas Hengelbrock; Orchester: Mahler Chamber Orchestra, Chor: Philharmonia Chor Wien, Einstudierung: Walter Zeh
Solisten: Juliane Banse (Agathe), Julia Kleiter (Ännchen), Steve Davislim (Max); Dimitry Ivashchenko (Kaspar), Matjaž Robavs (Kilian), Ronald Spiess (Samiel); Reinhard Dorn (Kuno), Paata Burchuladze (Eremit), Klaus Kuttler (Ottokar), Christiane Jank, Martina König, Marina Spielmann, Dorothee Schlemm Brautjungfern, Bewegungschor
Besuchte Aufführung: 1. Juni 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
baden-baden-freischutz1.jpgBeim Preisschießen, dem Wettkampf zwischen Bauern und Jägern, verliert der Jägerbursche Max gegen den Bauern Kilian. Max, der einige Zeit nicht traf, fürchtet wegen des Probeschusses am folgenden Tag um die Hand seiner Verlobten Agathe. Kaspar erklärt Max während eines Trinkgelages die Treffsicherheit der Freikugeln. Sechs dieser Kugeln treffen immer ihr Ziel, die siebte gehört Samiel. Agathe bangt aufgrund schlechter Vorzeichen um ihr Eheglück, obwohl ihre Dienerin Ännchen sie aufzuheitern versucht. Vor Maxens Ankunft bittet Kaspar in der Wolfsschlucht Samiel, dieser möge sein ihm verfallenes Leben um drei weitere Jahre verlängern und Agathe statt seiner als Opfer akzeptieren. Am folgenden Tag erscheinen bei der von Alpträumen geplagten Agathe die Brautjungfern mit dem Kranz, der sich als Totenkrone entpuppt. Doch Ännchen erneuert den Brautkranz mit den geweihten Rosen des Eremiten. Samiel lenkt die Kugel auf Kaspar, der sterbend Himmel und Hölle verflucht. Der Eremit rettet den geständigen Max vor der Wut des Fürsten vor der Verbannung. Man legt ihm als Strafe nur ein Bewährungsjahr auf. Danach kann er Agathe heiraten.
Aufführung
Die Ouvertüre nutzt der Regisseur zur Verbildlichung der Vorgeschichte, wobei der Eremit die weißen Rosen Agathes segnet. Dabei bewegt sich der Eremit in schnellen Tripelschritten rückwärts, was etwas albern wirkt. Bei den Protagonisten sieht man aufgrund der im übrigen auch sehr schweren Kostüme nur deren Kopf. Kilian trägt auf der Brust das Wort Bauer, Max ein grünen Blattkostüm und Agathes Kleid ist über und über mit großen Blumen verziert. Als Bühnenbild werden zu Beginn einige Bäume und die Waldschänke, im zweiten Akt ein Fachwerkhaus und eine Holzwand für die Erbförsterei schemenhaft angedeutet. In der Wolfsschluchtszene füllt weißer Nebel den Bühnenboden, der langsam in den Orchestergraben hinabsinkt. Insgesamt dominieren buntes Farbenspiel, Licht und Schatten.
Sänger und Orchester
Thomas Hengelbrock musizierte mit eindrucksvollem Orchesterklang. Schon die Ouvertüre zeigte scharfe Kontraste in Dynamik und Tempo. Bislang oft weniger beachtete Solopassagen hoben sich prägnant vom Orchesterklang ab. Steve Davislim (Max) verlor bei Piano-Stellen teilweise an stimmlicher Substanz und ging den Ausruf Lebt kein Gott sehr vorsichtig an. Dimitry Ivashchenko (Kaspar) sang seine Rolle eher lyrisch als diabolisch. Im Trinklied klang der Sprung bei Fläschchen sei mein ABC noch gepreßt, doch gewann in den Folgestrophen rasch an Sicherheit. Die Triumphausrufe in der Arie klangen ebenfalls verhalten, seiner Sterbeszene jedoch verlieh er die stimmlich erforderliche Dramatik. Im ersten Akt tat sich Juliane Banse (Agathe) noch mit den lyrischen Passagen Leise leise fromme Weise schwer (war das das überdimensionale Kostüm, mit dem sie im Singen behindert wurde?) und versuchte, den Spitzentönen durch forciertes Abdämpfen eventuelle Schärfen zu nehmen. Im zweiten Akt überzeugte sie dann im Und ob die Wolke sie verhülle mit großer stimmlicher Sicherheit. Unübertroffen war Julia Kleiter (Ännchen), so vor allem beim Einst träumte meiner selgen Base: geschmeidig und leicht in Brust- bzw. Kopfstimme, voluminös aber nicht zu schwer in tiefen Lagen, die Stimme lag jederzeit perfekt auf dem Atem und zeugte vom großen Können der Sopranistin.
Fazit
Musikalisch bot der Abend einen farbenreichen Orchesterklang des brillanten Mahler Chamber Orchestra. Der Jägerchor wurde zur Freude des Publikums (gewollt oder als vorzeitige Zugabe?) wiederholt. Das leicht altmodische Deutsch der Dialoge wich einer modernisierten Fassung, die aber keine großen Eingriffe in die eigentliche Textfassung verursachte. Die Inszenierung scheint eher als autonomes Kunstwerk konzipiert, das auf persönlich zeitgenössischer Weise den Freischütz interpretiert.
Daniel Rilling

Bild: Lesley Leslie-Spinks
Das Bild zeigt: Juliane Banse als Agathe.

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