Coburg: JOHANN STRAUSS MUSIKFESTIVAL, 26. Juni bis 5. Juli 2009

Die Stadt Coburg ist bekannt durch die Veste und ihre Bratwürste. Weniger bekannt ist, daß Johann Strauss bis zu seinem Tode Bürger in Coburg war. Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha ermöglichte ihm Scheidung und Heirat, die im katholischen Wien unmöglich war.

Johann Strauss trifft Richard Wagner
Den ersten Tag des Johann-Strauss-Musikfestivals wurde unter dieses Motto gestellt. Ralph Braun, Vorsitzender der in Coburg ansässigen Johann-Strauss-Gesellschaft, machte im Einführungsvortrag auf die Großtaten der Strauss-Familie aufmerksam: Schätzte Wagner die Walzer der Strauss-Familie als kostbare Produkte der Wiener Musik, so kümmerten sich die Brüder Strauss schon sehr früh um Wagners Musik. Wer weiß schon, daß es die Kapelle von Eduard Strauss war, die 1852 in Leipzig das Lohengrin-Finale erstaufführte? Lange vor der Wiener Erstaufführung machte Johann Strauss das Publikum mit dem Tannhäuser bekannt, 1860 führte Josef Tristan-, Meistersinger- und Parsifal-Ausschnitte im Volksgarten auf – zwischen seinen Walzern und Polkas. Man wäre gern dabeigewesen, als 1863 der Walkürenritt als Parodie – mit 50 Pierrots auf Steckenpferden! – über die Bühne ging. Dem Ring konnte Strauss nicht viel abgewinnen, aber 1888 in Bayreuth soll er seiner Frau Adele beim Parsifal-Blumenmädchenwalzer zugeraunt haben: Das hat er von mir.
Im Konzert konnte man viel Strauss, aber, trotz des Mottos, wenig Wagner hören. Von den zwei Wagner-Stücken war nur eines echt; das Adagio op. 23 ist mitnichten eine Wagnerbearbeitung von Heinrich Joseph Baermann, wie es das Programm und Herbert Zeman meinten, sondern ein Adagio aus dem Quartett op. 23 von Baermann. Es verschlägt nichts, denn die Wiener Virtuosen, zehn exzellente Musiker, die zusammen das Kammerorchester der Wiener Philharmoniker bilden, boten auf höchstem Niveau Musik – und das Klarinettensolo des Adagios verweist auf den ungarischen Strauss des Zigeunerbaron – die Wiener wissen halt, was ein flexibles Walzertempo ist. Die gleichwertige Sopranistin Ildiko Raimondi sang zündende Nummern aus der Fledermaus – und Wagners Träume. Allein dieses Lied litt mit einer permanent hinzugefügten Oboe unter einer Fehlinterpretation – ansonsten legte man die Meisterwerke Strauss‘, bis hin zum teuflisch mitreißenden Csardas aus Ritter Pazman, in unglaublich guten Kammermusikarrangements vor. Und vielleicht haben sich Wagner und Strauss auch einmal getroffen, als Wagner in Wien-Hietzing wohnte oder als er im Februar 1875 ein Konzert (und nicht, wie Conferencier Zeman meinte, die Götterdämmerung) probte.
Gesangswettbewerb Alexander Girardi
coburg-festival.jpgZusammen mit den Strauss-Tagen wurde der Alexander-Girardi-Gesangswettbewerb ausgetragen, der nach einem bedeutenden zeitgenössischen Strauss-Sänger benannt wurde. Die Namenswahl ist etwas ungewöhnlich, denn auch die Oper zwischen Bellini, Verdi und Puccini war Schwerpunkt des Gesangswettbewerbs. Es wurde auf einem erstaunlich hohen Niveau gesungen, wie schon das Galakonzert ehemaliger Gewinner belegte. Natalia Kovalova (lyrischer Sopran) verfügt über absolut sichere Koloraturen und eine Durchschlagskraft fast wie ein dramatischer Sopran. Dong Won Kim (Tenor) neigt zwar zum Tremolieren, befindet sich aber in der Entwicklung zum schweren italienischen Tenor. Insgesamt konnten vier preiswürdige Tenöre und ein Countertenor im Preisträgerkonzert vorgestellt werden, das ist in der Zeit des Tenormangels ein gutes Zeichen. Hyojong Kim war verdienter Träger des Ersten Preises: Ein lyrischer Tenor fürs französische Fach mit heller Strahlkraft, absolut unangestrengter Höhe und tragendem Piano. Antonia Radneva hat schönes lyrisches Stimmmaterial, aber noch zu wenig Strahlkraft und Durchschlagsvermögen – das Orchester deckte sie meist zu und im Forte drohte sie die Schönheit zu verlieren. Sie bekam neben dem Zweiten Preis auch den Zusatzpreis für besonderen Ausdruck der Gestaltung. Min Seok Kim (Dritter Preis) ist ein leichter Tenor mit schöner Klangfarbe, überzeugender Höhe und viel Ausdrucksvermögen, was er im Lagunenwalzer von Strauss eindrucksvoll belegte. Überraschung des Abends war Siman Chung, der als Sopranist ohne Fehl und Tadel den Sonderpreis für die beste Nachwuchsleistung bekam. Ki Chan Kim ist ein lyrischer Tenor mit Tendenzen zum Heldentenor, auch wenn sich noch technische Mängel in der Höhe bemerkbar machen. Für Komm in die Gondel erhielt er den Sonderpreis für die beste stilgerechte Strauss-Darbietung. Der Publikumspreis ging an Barbara Buffy, für zeitgenössische Oper (Ein Telefongespräch von Gian Carlo Menotti, 1911-2007) an Susanne Pemmerl.
Besonders bemerkenswert bei allen Sängern dieses Wettbewerbes war ihre deutliche Aussprache: Für Stimmenfetischisten ist Coburg ein Geheimtip. Aber erst wieder 2012 – zum nächsten Musikfestival.

Dr. Frank Piontek, Oliver Hohlbach

Veröffentlicht unter Opern