Neben Schloß Sanssouci dürfte das am westlichen Ende des Parks liegende mächtige Neue Palais (1763-1769) wenig bekannt sein. Es enthält im südlichen Flügel ein Rokokotheater, das die Wirren der Kriege unzerstört überlebt hat. Kaum ahnt man von außen dieses Schmuckstück. Lediglich Attikafiguren mit ihren Masken und Musikinstrumenten geben eine vornehme Andeutung.
In rotem Samt gehaltene, amphitheatralisch im Halbrund ansteigende Bänke, worauf nur 226 Zuschauern Platz finden, werden von einer mit Säulen abgesetzten Galerie begrenzt. Die Akustik ist fabelhaft und da von allen Plätzen die Sicht auf die Bühne mit dem davor liegenden Orchestergraben durch nichts behindert wird, ist der Genuß ungetrübt. Auf diese Weise erlebt der Zuschauer die Sänger auf der Bühne ohne Opernglas und fragt sich vielleicht, auf was er alles in den übergroßen Zuschauerräumen der heutigen Opernhäuser verzichten muß. Allein dieses Erlebnis ist für einen Opernliebhaber eine wichtige Erfahrung.
Das diesjährige Programm enthielt fast ausschließlich Werke von Haydn, die man im Schloßtheater aufführte. Zwei Opern wurden dargeboten: die Marionettenoper Philemon und Baucis und L’infedeltà delusa – Die vereitelte Untreue, eine Burletta per musica – ein musikalischer Spaß. Letztere besuchten wir am 26. Juni 2009 (Premiere).
Regie: Jakob Peters-Messer, Bühne/Kostüme: Markus Meyer, Dirigent: Andreas Spering, Capella Augustina
Solisten: Gemma Bertagnolli (Vespina), Raffaella Mallanesi (Sandrina), Andreas Karasiak (Filippo), Daniel Auchincloss (Nencio), Christian Senn (Nanni)
Kurzinhalt
Die Oper spielt in einem Bauerndorf, wo der reiche Bauer Filippo seine Tochter Sandrina mit dem Bauern Nencio verheiraten will. Aber Sandrina ist in den armen Dorfbauern Nanni verliebt. Echte Schwierigkeiten treten dadurch auf, daß Nencio, der eigentlich Vespina, der Schwester von Nanni, die Ehe versprochen hatte, ihr auf diese Weise untreu wird. Nencios Absicht ist, durch die Heirat mit Sandrina noch reicher zu werden. Sowohl Filippo als auch Nencio haben sich aber im Einfallsreichtum von Vespina verrechnet. Diese versteht es nämlich, mit den ulkigsten Verkleidungen das Schicksal für sich günstig zu gestalten. Zum Schluß gibt’s natürlich eine durch List erreichte Doppelhochzeit von Sandrina/Nanni und Vespina/Nencio.
Aufführung
Ein mit vielen verschiedenen Blumen bedruckter Vorhang trennt ein größeres Halbrund der Bühne ab. Wir sind offensichtlich in einer Gärtnerei. Auf der freien Bühnenfläche sieht man ab und zu zwei aufblasbaren Sessel und – im ersten Akt – mit ein an der Rampe liegender, übergroßer Frosch (Froschkönig?). Vespina erscheint mit den ihren Verkleidungen angepaßten Kostümen. Sandrina trägt u.a. ein weißes Brautkleid, das sie aber bis auf den blendend weißen Unterrock auszog, wohl um die schlichte Heirat mit Nanni anzudeuten. Die Kostüme der Herren sind schwerer einzuordnen: Nencio als vornehmer Reiter in weißer Reithose, rotem Jackett, weißen Handschuhen und schwarzer Reiterkappe oder Nanni mit Schutzbrille in heller buntbedruckter Hose und Jackett. Filippo hat ein weißes Hemd, schwarze Hosen und auffallend gelbe Stiefel an. Man rätselt, was diese Kostüme zu bedeuten haben?
Sänger und Orchester
Andreas Karasiak (Filippo) singt mit starker Stimme und großem Elan, wobei ihm die Höhe ein wenig Probleme macht. Bei Christian Senns (Nanni) Wut und Rachearie: Non v’è rimedio, non v’è compenso – Es gibt kein Heilmittel, keine Lösung gibt Andreas Spering mit der Capella Augustina ein sehr schnelles Tempo vor, doch Christian Senn meistert dies mühelos und vergißt nicht, die zahlreichen vorgeschriebenen Sforzati kunstgerecht anzubringen. Es gibt verdienten Applaus. Dasselbe kann man leider bei Daniel Auchincloss (Nencio) nicht finden: die Intonation ist öfter getrübt. Raffaella Milanesi (Sandrina) meistert ihr Schlußarie È la pompa un gran imbroglio – der Prunk ist ein großer Schwindel mit allen Finessen, besonders in den ausgedehnten Koloraturen bei io non voglio che la pace del mio cor – ich möchte nur Frieden in meinem Herzen. Wenn sie auch noch ihrem strahlenden Sopran in der Höhe statt forcierter Kraft ein wenig mehr Wärme geben würde, wäre die Stimme vollkommen.
Gemma Bertagnolli (Vespina) ist ein großartiges Naturtalent. Ihre vier Verkleidungsszenen (als alte gebrechliche Frau, als Diener, als Marquis und als Notar bei der Trauung) bringt sie umwerfend über die Rampe. Unnachahmlich ihre wie bei einem zugrundegehenden Kätzchen veränderte Stimme in ihrer Arie als humpelnde und augenkranke Frau: Ho un tumore in un ginocchio – ich habe einen Tumor im Knie zu Beginn des zweiten Akts bei den Worten: quella povera ragazza sta lì lì per dilefiar – dies arme Mädchen (wobei sie sich meint) ist dabei zu sterben. Das Publikum dankte es ihr mit großem Applaus.
Fazit
Hier ergänzte das ausgezeichnete Orchester unter Andreas Spering und einer ausgesuchten Sängerschar das schon durch das oben beschriebene Ambiente stimulierte Opernvergnügen in glücklicher Weise. Auch die Regie hatte ausgezeichnete Einfälle hinsichtlich der Sängeraktionen. Weniger zufrieden konnte man mit dem Bühnenbild und Kostümen sein, die eher die Handlung verwirrten als deutlich machten. Aber insgesamt eine sehr sehenswerte Aufführung, die im Herbst am 27., 28. und 29. November wiederholt wird.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Monika Rittershaus
Das Bild zeigt: Gemma Bertagnolli (Vespina), Raffaella Milanesi (Sandrina) und Andreas Karasiak (Filippo) v.l.n.r.