von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Oratorium für Soli, Chor und Orchester. Libretto: Charles Jennens (1700-1772) nach Texten aus dem Alten und Neuen Testament, UA: 13. April 1742 Dublin (Irland), Great Music Hall, Fishamble Street unter Händels Leitung
Dirigent: Arndt Martin Henzelmann, Rodenkirchener Kammerorchester und Rodenkirchener Kammerchor
Solisten: Jana Marie Gropp, (Sopran), Elvira Bill, (Alt), Wolfgang Klose (Tenor), Klaus Häger, (Baßbariton)
Besuchte Aufführung: 2. Dezember 2018
Vom irischen Vizekönig William Cavendish von Irland erhielt Händel Mitte des Jahres 1741 eine Einladung, in Dublin eine Reihe von Konzerten zu geben. Händel war in Dublin wohlbekannt, seine Werke wurden dort oft zu Wohltätigkeitszwecken aufgeführt. Besonders bekannt war seine Kirchenmusik wie das Te Deum, das Jubilate und verschiedene Anthems. Letzteres sind kantatenähnliche Vertonungen in englischer Sprache. Händel begann den ersten Teil der drei Teile umfassenden Komposition des Messias am 22. August und beendete sie am 12. September 1741. Er benötigte folglich lediglich vierundzwanzig Tage zu Vollendung dieser riesigen Komposition! Anzumerken ist, daß der ganze Messias durchsetzt ist mit höchst einfallsreichen Umarbeitungen italienische Liebesmusik (Paul Henry Lang G.F. Händel, S. 304). Diese Liebeslieder waren allerdings alle von ihm früher in Italien komponiert worden.
Der Messiah wurde im Anschluß an zwölf Konzerte mit Händelkompositionen in der neuerbauten Great Music-Hall in Fishamble Street, Dublin, aufgeführt. Die Aufführungen wurden gefördert durch die Charitable Musical Society. Dies war eine Wohltätige Gesellschaft und hatte den Zweck, die Freilassung von Gefangenen in den verschiedenen Gefängnissen zu ermöglichen sowie die Unterstützung des Mercer’s Hospital und des Armenkrankenhauses am Inn’s Quay. Händels erster und wichtigster Biograph, John Mainwaring, schrieb: Der Messias blieb ein Werk, das die Hungrigen nährte, die Nackten kleidete, die Waisen aufzog. Die endgültige Popularität des Messias ist den Aufführungen zuzuschreiben, die mit den jährlichen Wohltätigkeitsaufführungen (seit 1750 unter Händels Leitung) in der dortigen Kapelle stattfanden.
Kurzinhalt
Der Text besteht ausschließlich aus Worten des Alten und des Neuen Testaments. Es war Charles Jennens, ein Freund Händels, der das Kunststück fertigbrachte, Verse der Bibel ohne poetischen Zusatz in ansprechender Art zusammenzustellen. Er wählte die indirekte Erzählung des Lebens Jesu aus der Sicht der Prophezeiung des Alten Testaments. Mit diesem Sacred Entertainment konnte die anglikanische Kirche einverstanden sein, da die liturgischen Lesungen des Evangeliums des Neuen Testaments nicht enthalten waren.
Teil I schildert in fünf Abschnitten die Prophezeiung des Heils durch den Messias, den Sohn Gottes.
Teil II erzählt die Prophezeiung der Erlösung in sieben Abschnitten durch den Tod, die Auferstehung und Himmelfahrt des Messias. Hier ist anzumerken, daß in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments Messiah mit Christos wiedergegeben wird. Dieser Teil wird durch das herrliche Halleluja beendet.
Tel III erläutert in vier Abschnitten die Heilsmächtigkeit des Messiah/Christos.
Im Mittelpunkt des Oratoriums stehen Arien und Chorsätze. Sie sind innerhalb der einzelnen Abschnitte im Text aufeinander bezogen. Händel hat die Da-Capo-Arie nur an zwei Stellen angewandt:
He was despised und The trumpet shall sound.
Aufführung
Zu Anfang waren zwei Dinge auffallend, einmal die geringe Zahl der Instrumentalisten und das ruhige Tempo, mit dem Dirigent Arndt Martin Henzelmann das Grave und dann das Allegro moderato der Sinfony beginnt. Das Tempo ist gut gewählt, wie oft ist es bei anderen Aufführungen überzogen! Und das hält der Orchesterleiter, der sein erstes öffentliches Auftreten mit dem Kammerorchester und Chor aus Rodenkirchen (Köln) absolviert, bis zum Schluß durch. Den Arien und den prächtigen Chören kommt dies zugute. Das Verhältnis von Orchester und Chor (Orchester 19 Streicher, 69 Choristen) gereicht dem Chor und den Solisten zum Vorteil, da an keiner Stelle das Orchester die Stimmen übertönt, etwas, was oft als störende empfunden wird.
Wolfgang Klose (Tenor) gibt seiner Stimme glücklicherweise wenig Vibrato bei. Das kommt der Artikulation sehr zustatten, besonders bei längeren Liegetönen, und seine Koloraturen sind in aller Deutlichkeit vernehmbar.
Schon der erste große Chor And the glory of the Lord – Denn die Herrlichkeit des Herrn zeigt die große Disziplin des Chors. Die notwendige Flexibilität und die korrekten Stimmeinsätzen der Stimmgruppen sind bei dieser und der folgenden Fugen auffallend gut. Der tänzerische Dreivierteltakt wirkt anrührend. Noch hörbarer wird die Qualität des Gesangs bei And He shell purify the sons of Levy – Und er wird die Söhne Levi reinigen. Es überwältigte einen geradezu, wie die Sopranstimmen ohne jegliche Tontrübung in den schnellen Teilen (16tel Noten) diesem Musikstück Lebendigkeit und Leichtigkeit vermitteln. Die anderen Stimmgruppen sind kaum weniger elastisch und rhythmisch präzise. Wunderbar die Einheitlichkeit aller Stimme, wobei der lyrische Fluß immer gewahrt bleibt. Professionellen Chören gelingt das selbstverständlich ähnlich gut. Doch was ihnen manchmal fehlt, ist das persönliche Engagement der Choristen, was hier deutlich spürbar ist. Der volle Hörgenuß stellt sich dann ein, wenn auf Deutlichkeit der Aussprache und Homogenität der Stimmgruppen vom Chorleiter geachtet wird. Und hier ist das der Fall.
Klaus Häger (Baßbariton) zeigt seine Qualität, besonders bei den Trillern im Rezitativ For behold, darkness shall cover the earth – denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich. Seine Stimme ist gut fokussiert bei den Unisonostellen der folgenden Arie The peopel that walked in darkness – Das Volk, das im Finstern wandelt. Hier zeigt Händel, wie er das Herumtappen des Volks in der Finsternis tonmalerisch imitieren kann. Davor wirkte Häger bei seinem ersten Auftritt mit Thus saith the Lord – Denn so spricht der Herr in seinem Gesang eher statisch. Jetzt ist alles bestens, sein Gesang drängt vorwärts und wirkt lebendig.
Etwas enttäuschend wirkt die Altistin Elvira Bill ebenfalls bei ihrem ersten Einsatz. Das liegt womöglich am übergroßen Raum der Philharmonie. Händel hatte 1741 in der Great Music Hall in Dublin nur sechshundert Plätz, hier sind es über 2000. Doch nach der Pause trotzte Elvira Bill dem großen Saal, und man kann die Akkuratesse ihrer Koloraturen und die Klarheit ihrer Altstimme gut verfolgen. Das ist im berühmten He was despised – er war verachtet gut zu hören. Bei der hier vom Alt vorgetragenen Arie, (ursprünglich war es in Dublin ein Countertenor), geht manches vom erwarteten, gequälten Ausdruck verloren. Dafür kann man aber die Altistin nicht verantwortlich machte. Sie wird der Arie dagegen mit großer Inbrunst und lyrischem Timbre gerecht.
Mit klarem Sopran läßt Jana Marie Gropp ihren Sopran in der Arie: Rejoice greatly o daughter Sion – Freu doch sehr, Tochter Zion aufleuchten. Sie singt hier die einzige, von Händel ursprünglich mit Ornamenten versehene Arie (die Verzierungen der anderen Arien waren später von Händel hinzugesetzt worden), für die er aus London extra die Italienerin Christina Maria Avoglio mitbrachte. Denn Händel mußte in Dublin mit einheimischen Sängern auskommen. Gropps Atemtechnik bei den Trillern und den ausgedehnten Koloraturen sowie ihre Intonation hören sich tadellos an.
Das Halleluja, wozu das Publikum von den Sitzen aufsteht – aufgefordert durch eine Bitte im Programmheft, das den Text dankenswerterweise in Englisch und Deutsch enthält (die Opernhäusern unterlassen eine Textwidergabe in ihren Programmheften seit 1995), kommt ruhig und mit Würde zur Darstellung. Durch die ungemein subtile Führung der Chorstimmen wird die Bedeutungsschwere dieses prächtigen Chors dennoch erlebbar. Wie oft wird hierbei im Tempo und der Dynamik gesündigt! Hier ist dieser mit Recht berühmte Chor in den Ablauf des gesamten Oratoriums im richtigen Verhältnis eingeordnet. Vielleicht hat das einige enttäuscht? Aber es geht bei diesem außerordentlichen Musikwerk um eine Harmonie zu einem höheren Zweck. Und mit dem Niveau der Solisten und des Chors war diese Aufführung eine harmonische Glücksstunde!
Dr. Olaf Zenner