Götterdämmerung – Chemnitz, Theater

von Richard Wagner (1813-1883), Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen in drei Aufzügen und einem Prolog, Libretto: R. Wagner, UA 17. August 1876 Bayreuth, Festspielhaus

Regie: Elisabeth Stöppler, Bühne: Annika Haller, Kostüme: Gesine Völlm

Dirigent: Guillermo Garcia Calvo, Robert-Schuhmann-Philharmonie, Opernchor und Chorgäste der Oper Chemnitz, Chöre: Stefan Bilz

Solisten: Daniel Kirch (Siegfried), Pierre-Yves Pruvot (Gunther), Marius Bolos (Hagen), Stephanie Müther (Brünnhilde), Jukka Rasilainen (Alberich), Cornelia Ptassek (Gutrune), Anne Schuldt (Waltraute) u.a.

Besuchte Aufführung: 22. Dezember 2018 (Premiere 1. 12. 2018)

Kurzinhalt

Für Siegfried besitzt der von Alberich verfluchte Ring des Nibelungen ewige Macht. Auch Hagen, Halbbruder des Fürsten Gunther, möchte den Ring besitzen. Als es Siegfried an den Rhein zu Gunther verschlägt, verliert er unter dem Einfluß eines Zaubertranks jede Erinnerung an Brünnhilde, heiratet Gutrune und verspricht Gunther Brünnhilde zur Frau. Haßerfüllt wendet sich Brünnhilde gegen Siegfried und berichtet, daß sie quasi vermählt seien. Für seinen Betrug an Gunther tötet Hagen auf der Jagd Siegfried, doch Hagen erringt nicht den Ring, denn Brünnhilde stürzt sich mit dem Ring in den für Siegfried brennenden Scheiterhaufen. Die Flammen erfassen Walhall, die Götterdämmerung bricht an: Der Ring versinkt im Rhein und die Welt ist erlöst vom Fluch.

Aufführung

Wir befinden uns im ewigen Eis des hohen Nordens. Wir sehen aber nicht eine Suche nach den Ursprüngen der Nibelungensage, Ragnarök, (Sage vom Untergang der Götter, Walhall oder Brünnhildes Herkunft. Wir sehen vielmehr eine Seilschaft, die das ewige Eis durchstreift und in einem Blockhaus eine Hochzeit feiert. Wir sehen Schlitten, Norwegerpullis, gelbe Schneeanzüge und Waltraute landet auf dem vernebelten, aber feuerfreien Walkürenfelsen per Fallschirm. Siegfried trinkt einen Kümmerling nach dem anderen, die Doppelhochzeit endet im Suff an der Theke. Am Ende der Suche erschießt Gutrune Hagen und alle Frauen versammeln sich um Erda im einsetzenden Schneefall und zünden Brünnhildes Schlitten an.

Sänger und Orchester

Nicht zum ersten Mal steht Guillermo Garcia Calvo am Dirigentenpult in Chemnitz. In gewohnt souveräner Manier leitet er die Robert-Schuhmann-Philharmonie. Da werden die Handlungsabläufe dramaturgisch sinnvoll untermalt, da werden durch deutlich artikulierte Motive auch die Charaktere verständlich. So wird Siegfrieds Trauermarsch eher zu einer epischen Erzählung und seine Rheinfahrt weniger zu einer blechlastigen Filmmusik. Da werden auch Nuancen hörbar, Melodien feinsinnig herausgearbeitet. Daniel Kirch ist eher ein lyrischer Tenor mit strahlender Höhe. Sein Siegfried ist eher feinfühlig, die stählerne Härte im Forte wirkt manchmal brüchig, aber gerade das Heil Dir-Finale mit Brünnhilde aus dem Vorspiel gewinnt dadurch viel Leuchtkraft.

Stephanie Müther ist eine durchschlagsstarke und wohlklingende Brünhilde. Sie hat sich von einem tieftimbrierten Mezzo zu einem dramatischen Sopran weiterentwickelt. Eine sichere Technik auch in anspruchsvollen Partien zeichnete sich schon in Erfurt 2009 ab, als sie die meist gestrichene und schwierige Arie Il capro e la capretta – Der Ziegenbock und die Geiß der Marcelline in Mozarts Figaro sang. Besonders bemerkenswert auch die stets wortverständliche Diktion.

Marius Bolos ist ein strahlender Baßbariton mit großer Spielfreude und sicherer Technik. Etwas mehr Durchschlagskraft und schwarze dämonische Tiefe wären für den Hagen hilfreich. Der Dialog mit Alberich Schläfst Du Hagen, mein Sohn? wird dank Jukka Rasilainen zu einem sängerischen Höhepunkt.

Entdeckungen sind Anne Schuldt und Cornelia Ptassek. Ihr dramatischer Sopran mit eleganter beweglicher Stimmführung macht die Gutrune zu einer Hauptrolle in diesem Stück – zu einer wirklich „starken Frau“.

Anne Schuldt gestaltet die Rolle der Waltraute zu einer unterhaltsamen epischen Erzählung aus. Gunther bleibt eine schwache Rolle, Pierre-Yves Pruvot möchte man etwas mehr Klangvolumen wünschen. Ein schönes Ensemble im Zusammenwirken bilden die Nornen, die so nicht nur die Schicksalsfäden der Seilschaft zusammenhalten. Ebenso harmonisch die bekannten Rheintöchter.

Fazit

Man tut sich schwer diese Produktion (und den gesamten Ring) unter dem Thema „Starke Frauen“ unter vier Regisseurinnen richtig zu würdigen. Viele Einfälle bleiben unverständlich oder nicht zielführend, besonders da die viel befriedigerende, weil legendäre Vorgänger-Ring-Produktion unter Michael Heinicke die „Menschwerdung der Brünnhilde“ in den Vordergrund rückte und damit das Thema „Starke Frauen“ viel prägnanter umsetzte. Musikalisch ist die Robert-Schuhmann-Philharmonie im Wagner-Fach zu Hause, unter Guillermo Garcia Calvo gelingt auch in der musikalischen Interpretation eine gelungene Umsetzung auf der Höhe der Zeit. Sängerisch ist die Mischung aus Ensemble und Gästen bestmöglich auch aus dem Kosten-Nutzen-Aspekt heraus zusammengesetzt. Zu Recht langer und heftiger Applaus für alle Beteiligten beim Schluß-Applaus: Chemnitz steht für die Bewahrung einer langen Wagner-Tradition.

Oliver Hohlbach

Bild: Kirsten Nijhof

Das Bildzeigt: Stéphanie Müther (Brünnhilde – Mitte li.), Cornelia Ptassek (Gutrune – Mitte re.); Damen und Herren des Opernchores

Veröffentlicht unter Chemnitz, Städtisches Theater, Opern