Xerxes – Nürnberg, Staatstheater

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Dramma per musica in drei Akten, Libretto: anonymer Verfasser nach Silvio Stampiglia und Niccolò Minato, UA 15. April 1738, London, King’s Theatre, Haymarket

Regie/Bühne/Kostüme: Clarac-Deloeuil le lab

Dirigent: Wolfgang Katschner, Staatsphilharmonie Nürnberg

Solisten: Almerija Delic (Xerxes), Zvi Emanuel-Marial (Arsamene), Martina Dike (Amastre), Nicolai Karnolsky (Ariodate), Julia Grüter (Romilda), Andromahi Raptis (Atalanta), Wonyong Kang (Elviro)

Besuchte Aufführung: 24. November 2018 (Premiere)

Kurzinhalt

Xerxes verliebt sich in Romilda, die ihrerseits aber mit Xerxes Bruder, Arsamenes, ein Liebespaar ist. Eine Intrige der Schwester Romildas, Atalantas, die ihrerseits Arsamenes für sich haben möchte, schlägt fehl und das Paar Arsamenes-Romilda findet schließlich zueinander, während sich schließlich Xerxes mit der inkognito erschienen Verlobten Amastris verheiratet, die verzweifelt seinem Werben um Romilda zugesehen hat.

Aufführung

Das Bühnenbild besteht aus einer raumfüllenden Halfpipe, auf der die Nürnberger Jugendlichen ihre Runden drehen. Xerxes meint mit der Arie Ombra mai fu – Nie war der Schatten eines geliebten gründen Baums lieblicher sein Skateboard, von einem Krieg mit den Griechen ist keine Rede. Dafür gibt es immer wieder Einblendungen von Piktogrammen, die das „Skateboarding“ preisen und Filmaufnahmen von besser gestellten Nürnberger Jugendlichen, die minutenlang über ihre Freizeitgestaltung schwadronieren – und sprachliche Probleme offenbaren. Gekleidet sind die Darsteller grell bunt, entspringen einer abgehobenen Designer-Gruppe, keinesfalls der heutigen Jugendmode. Selbst die Skateboard-Statisten von der Straße sind dezenter gekleidet. Lediglich Papa Ariodate darf als Erziehungsberechtigter in einem gediegeneren grünen Anzug daher kommen.

Sänger und Orchester

Musikalisch hat die Produktion zwei Problemfelder: Zum einen sind alle Rollen aus dem Ensemble heraus besetzt – mit mehr oder weniger Erfahrung in barocker Gesangstechnik. Alle, bis auf den Gast Zvi Emanuel-Maria, ein höhensicherer und effektverliebter Countertenor. Seine Darstellung des Arsamene ist stimmlich ausgewogen und macht die Leiden eines Liebhabers immer wieder nachvollziehbar. Julia Grüter ist das Objekt seiner Begierde und sie wächst im Laufe des Abends auch stimmlich mit ihm zusammen. Ihre Romilda glänzt mit sicherer Höhe und ausgewogener Technik, die auch Koloraturen klangschön zaubert. Hörbar viel Erfahrung in der alten Musik hat Martina Dike aus der Zusammenarbeit mit Rene Jacobs. Auch wenn die verschmähte Verlobte des Xerxes zur Rache ruft, bleibt Amastre dezent im Hintergrund. Ebenso wie Dike ist Almerija Delic ein Mezzo. Ihre Darstellung des Xerxes ist aber zu eindimensional, klingt wenig männlich, kann auch in der Stimmführung nicht überzeugen – und so geht die Arie Ombra mai fu  unter – normalerweise ein Selbstläufer. Sie kann sich jedoch im Laufe des Abends entsprechende Sicherheit erarbeiten. Obwohl die Stimme jugendlich dynamisch klingt scheitert Andromahi Raptis an Dira che amor – Er wird sagen, daß die Liebe der Atalanta. Die Tempo-Arie fordert ihren Tribut, sie kann der Koloratur nicht detailgetreu folgen. Nicolai Karnolsky  als Ariodate und Wonyong Kang als Elviro sind erfahrene Bässe, die mit viel Erfahrung die Auftritte gestalten können.

Zum anderen mangelt es sicherlich dem Dirigenten und Lautenisten Wolfgang Katschner nicht an Erfahrung, da er die Lautten Compagney in Berlin gründete. Trotzdem will sich das um deren barocken Instrumente ergänzte Orchester der Staatsphilharmonie nicht auf die barocken Effekte einlassen. Es klingt über weite Strecken zu weich, unflexibel und zu romantisch – und nicht wie barocke Musik.

Fazit

Diese Produktion hinterläßt aus mehreren Gründen einen fahlen Nachgeschmack. Die Frage wieso man das Libretto um eine Stunde kürzt und die bekannten Chöre streicht, um dann eine Viertelstunde völlig sinnfreie Interviews mit Nürnberger Skateboardfahrern zu zeigen, kann die Produktion nicht beantworten. Überhaupt wird die Übertragung der Oper um einen persischen Gottkönig in die Nürnberger Skateboardszene dem Werk nicht gerecht. Noch dazu die schrecklichen Kostüme der Solisten: Gelbe Socken in Sandalen, pinke Strümpfe zu silbernen Pantoletten: Die Liste der Mode-Vergehen ist lang und manche Darsteller sehen eher aus wie ein Mops im Streckverband.

Musikalisch haben einige Solisten keine oder nur geringe Erfahren mit barocker Aufführungspraxis. Ebenso das Orchester. Das ist dann auch über weite Strecken zu hören. Diese enttäuschende Produktion hat mit der zeitgemäßen Aufführungspraxis der Alten Musik wenig zu tun. So sieht das auch das Publikum: nach der Pause gibt es Lücken im Parkett, Unmutsäußerungen nach längeren Videoeinspielungen und nur kurzen Applaus mit Buh-Rufen für die Regie.

Oliver Hohlbach

Bild: Pedro Malinowski

Das Bild zeigt: Nicolai Karnolsky (Ariodate), Andromahi Raptis (Atalanta), Wonyong Kang (Elviro)

Zvi Emanuel-Marial (Arsamene), Martina Dike (Amastre), Julia Grüter (Romilda)

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