von Hector Berlioz (1803-1869), Oper in fünf Akten Libretto: H. Berlioz , UA: 6. und 7. Dezember 1890, Hoftheater Karlsruhe
Regie/Bühne: Dimitri Tscherniakow, Kostüme: Elena Zaitsewa, Licht: Gleb Filschtinski, Choreographie: Video: Tieni Burkhalter
Dirigent: Philippe Jordan, Chor: José Luis Basso, Orchestre et Choeurs de l’Opéra national de Paris
Solisten Die Eroberung Troja
Stéphanie d’Oustrac (Cassandre), Michèle Losier (Ascagne), Véronique Gens (Hécube), Brandon Jovanovich (Énée), Stéphane Degout (Chorèbe), Christian Helmer (Panthée), Thomas Dear (Geist Hectors), Paata Burchuladze (Priam), Jean-Luc Ballestra (Ein griechischer Kapitän), Jean-François Marras (Hellenus), Sophie Claisse (Polyxène)
Solisten Die Troyens in Karthago
Ekaterina Semenchuk (Didon), Aude Extrémo (Anna), Michèle Losier (Ascagne), Brandon Jovanovich (Énée), Cyrille Dubois (Iopas), Bror Magnus Tødenes (Hylas), Christian Van Horn (Narbal), Jean-Luc Ballestra, Tomislav Lavoie (Zwei trojanische Kapitäne), Stéphanie d’Oustrac (Geist Kassandras), Stéphane Degout (Geist Chorébes), Thomas Dear (Geist Hectors), Paata Burchuladze (Geist des Priamus), Bernard Arrieta (Mercure)
Besuchte Aufführung: 25. Januar 2019 (Premiere)
Die Oper beginnt mit dem Untergang Trojas, als die Trojaner aus ihrer Stadt stürmen und das hölzerne Pferd als Geschenk auffinden. Im zweiten Akt vollzieht sich der Untergang Trojas am Beispiel Kassandras und ihrer Priesterinnen. Aeneas wird von Hektors Geist aufgefordert zu fliehen und Italien zu gründen. Im dritten Akt befinden wir uns bereits in Karthago, wo ein Fest zu Ehren Didos gefeiert wird. Als der nubische König Jarbas Karthago angreifen will, landet rechtzeitig Aeneas und kann die Stadt vor dem Untergang bewahren. Als Dido und Aeneas sich näher kommen, ermahnen ihn die Götter, seinen Aufbruch nach Italien nicht zu versäumen. Als Aeneas im fünften Akt abfährt, verabschiedet ihn Dido mit einem Fluch auf den Lippen und nimmt sich das Leben.
Aufführung
Eine königliche Familie hat sich in sein edles Palais vom Rest des Volkes abgeschottet und wartet auf den Untergang der Stadt Troja. Gleichzeitig ist außerhalb bereits eine Straßenzeile mit zerstörten Gebäuden zu erkennen. Im Vordergrund sind Kerzen für den verstorbenen Hektor angezündet. Außen feiert das Volk den vermeintlichen Sieg und im selben Ambiente nehmen sich später Kassandra und ihre Priesterinnen das Leben, als vermummte Soldaten hereinstürmen und die jungen Frauen bedrängen. Über Video werden immer die Uhrzeiten und Geschehnisse eingeblendet: 9:00 Uhr: Die Trojaner verlassen ihre Stadt, 12:30 Uhr: Priamus hält eine Ansprache an das Volk etc.
Der zweite Teil spielt in einer psychiatrischen Heilanstalt in knallig bunten Farben. Hier weiß niemand so richtig, wie er sich beschäftigen soll – es herrscht ein Mangel an Beschäftigung und Langeweile. In diesem Rahmen erblüht Didos Liebe zu Aeneas und auch ihr tödlicher Haß am Ende des Werkes.
Sänger und Orchester
Unter der musikalischen Leitung von Philippe Jordan musiziert das Orchester der Opéra nationale einen farbenreichen und schön ausdifferenzierten Berlioz. Die Interpretation macht dem Komponisten und Autor der Instrumentationslehre alle Ehre. Sinnlich leise Piano-Stellen wechseln mit turbulenten Fortissimo-Momenten, in denen Sänger und Orchester meist sehr gut ausgeglichen sind. Vor allem die Liebesszene im dritten Akt, welcher das berühmte Duett von Dido und Aeneas Ô nuit d‘ivresse – Oh Nacht des Liebesrausches folgt, ist mit einer flirrenden Holzbläser-Couleur ausgestattet, die hier ausgezeichnet zur Geltung kommt. Auch das Sängerensemble ist durchaus gut gewählt: stürmisch bejubelt wurde Stéphanie d‘Oustrac als Cassandre im ersten Teil. Ihr blumig-warmer Mezzosopran bringt die fatale Position der unverstandenen Seherin optimal zum Ausdruck. Schade, daß Michéle Losier als Ascagne keine allzu ausschweifenden Partien zu singen hat, hier hätte man gerne mehr gehört. Auch Stéphane Degout als Chorèbe erweist sich mit seinem sonoren Bariton-Timbre als würdiger Duett-Partner von Cassandre.
Im zweiten Teil sind vor allem Dido Semenchuk als Dido und Aude Extrémo als deren Schwester Anna zu erwähnen. Die beiden Mezzo-Soprane passen von den Klangfarben sehr gut zu einander, würde man nicht mit den Augen die Szene verfolgen, bestünde sogar ein wenig Verwechslungsgefahr! Selbstverständlich muß auch Brandon Jovanovich erwähnt werden, der in beiden Teilen den Énée singt. Ein warmes, klares Timbre eines Heldentenors, wie es diese Partie erfordert. Allerdings fällt ihm die klare französische Deklamation an einigen Stellen doch noch etwas schwer, was das rein Gesangliche aber nicht trübt. Ein großes Lob geht auch an den Chor, der musikalisch einen großen Teil des Abends bestreitet. Auch hier findet ein eindrucksvolles Wechselspiel zarter leiser Stellen mit wuchtigen Massenszenen statt, das musikalisch große Wirkung zeigt!
Fazit
Der Zuschauer erlebt einen Opernabend von rund fünf Stunden mit zwei ausgiebigen Pausen. Diese haben die Interpreten bei dieser Leistung auch nötig! Leider hinkt die Szene der eigentlichen inhaltlichen Idee stark hinterher. Man würde gerne mehr vom Farbenreichtum der Töne Berlioz‘ etwas mehr auf der Bühne erleben, was einem hier verwehrt wird. Die Video-Projektionen verwirren oft, und es ist fraglich, ob in historischer Sicht Anna und Narbal ihren Dialog wirklich beim Tischtennis-Spielen geführt haben. Durch die fehlende Kreativität der Inszenierung bekommt der Abend Längen, die nicht hätten sein müssen. Gerade in Paris, welches sich stets auf die Tradition seiner Académie royal beruft, hätte man hier etwas mehr erwartet.
Daniel Rilling
Bild: Vincent Pontet, Opéra national de Paris
Das Bild zeigt von li nach re: Michèle Losier (Ascagne), Brandon Jovanovich (Énée), Stéphanie d’Oustrac, (Cassandre), sitzend, Véronique Gens (Hécube) (stehend), Stéphane Degout (Chorèbe)