Il Primo Omicidio ovvero Caino – Opéra National de Paris, Palais Garnier

von Alessandro Scarlatti (1660-1725), Oratorium in zwei Teilen, Libretto: Antonio Ottoboni, UA: 7. Januar 1707, Venedig

Regie/Bühne/Kostüme/Licht: Romeo Castellucci, Choreographie: Video: Tieni Burkhalter, Dramaturgie: Piesandra di Matteo, Christian Longchamp

Dirigent: René Jacobs, B‘Rock Orchestra

Solisten: Kristina Hammarström (Caino), Olivia Vermeulen (Abele), Birgitte Christensen (Eva), Thomas Walker (Adamo), Benno Schachtner (Voce di Dio), Robert Gleadow (Voce di Lucifero)

Besuchte Aufführung: 26. Januar 2019 (Premiere 22.1.2019)

Kurzinhalt

Adam und Eva beklagen ihre Vertreibung aus dem Paradies. Um den Fehler der Eltern wiedergutzumachen, beschließen Kain und Abel, ihrem Gott ein Opfer zu bringen. Dieser akzeptiert hingegen nur das von Abel und nicht jenes von Kain. Dieser hegt, in Eifersucht geraten, den Gedanken seinen Bruder zu ermorden. Als Kain sein Verbrechen erkennt, nimmt er sich aus Reue das Leben. Adam und Eva bitten Gott um ein weiteres Kind.

Aufführung

Schon während der Ouvertüre beginnt eine Pantomime auf der Bühne. Zu Beginn spielt die Handlung auf der Vorderbühne, da der hintere Teil durch eine milchige Folie verdeckt wird. Alles wirkt sehr symbolisch, die Protagonisten zeichnen sich durch eine gestenbetonte Körpersprache aus. Es senkt sich verkehrt herum ein Altarbild (Verkündigung) aus dem 14. Jahrhundert herab.

Beim zweiten Teil öffnet sich der Bühnenraum. Nun erkennt man eine weite Wiese und den Sternenhimmel. Die Opferung der Brüder wird mit zwei Verdampfgeräten vollzogen, von denen das eine auf den Willen des Höheren hin aufhört zu funktionieren. Gott und der verstorbene Abele treten nun nicht mehr von der Bühne aus auf, sondern sie singen aus einer Seitenloge herab. Nach dem Tod der Brüder singen Adam und Eva aus dem Orchestergraben heraus. Gegen Ende hin füllt sich die Bühne mehr und mehr mit Statisten, die pantomimisch die Handlung zu bereichern versuchen.

Sänger und Orchester

Unter der Leitung von René Jacobs musiziert das B‘Rock Orchestra eine interessante Fassung dieses Oratoriums. Da die Aufführung im Opernhaus stattfindet, hat sich der musikalische Leiter erlaubt, den Streichersatz durch einige Blasinstrumente (Flöten, Trompeten etc.) zu erweitern. So wird die sonst ein wenig nüchterne Partitur sehr farbenreich und die Charaktere ein wenig plakativer dargestellt. Beim Auftritt Gottes wird die Singstimme mit einer Trompete gedoppelt, bei der Ermordung Abels dröhnt ein Paukendonner durch den Saal und beim Schlußduett der Gesang mit einer Piccoloflöte bereichert.

René Jacobs musiziert im Sinne der Sänger. Man erkennt, daß das Orchester mit ihnen zu atmen weiß, daß die Rezitative klar artikuliert sind und die Tempi den natürlichen Bedürfnissen entsprechen. Ein warmes und melancholisches Timbre besitzt Birgitte Christensen als Eva. Massiv und brillant ist auch Robert Gleadow als Lucifero (Baß). Er besitzt eine markant-eindringliche Klangfarbe und interpretiert voller Energie. Thomas Walker (Adamo) hingegen intoniert phasenweise etwas gepreßt und halslastig. Doch auch sein Tenor hat klare Höhen und eine sehr deutliche Artikulation. Sinnlich und sanft hingegen klingt Benno Schachtner als Gott. Sein Altus ist die einzige Counter Partie des Abends. Kristina Ammarström als Caino überzeugt mit seidig-warmer Altstimme und brilliert in den Duetten mit Olivia Vermeulen als Abele. Hier mischt sich Vermeulens klarer Sopran schön mit der etwas tiefer gelegenen Alt-Tessitura, und man kann vor allem Scarlattis Talent der Charakterzeichnung bewundern, wenn Abele seinen Glauben zu Gott vermittelt, während Caino auf Rache sinnt.

Fazit

Die szenische Umsetzung des Oratoriums hat einige geglückte Momente, bleibt aber über weite Teile doch eher blaß und unverständlich. Zu viel Pantomime von Figuren, die nicht die Hauptdarsteller sind, und die Verdoppelung der Sänger durch Statisten sorgen an vielen Stellen für Verwirrung. Die musikalische Seite dieses Abends ist durchaus empfehlenswert und sichert dem Werk Scarlattis am Ende einen verdienten Applaus.

Daniel Rilling

Bild: Bernd Uhlig, Opéra national de Paris

Das Bild zeigt: Olivia Vermeulen (Abele), ein Kind (wirft den Stein von Caino auf Abele) Kristina Hammarström (Caino)

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