von Richard Wagner (1813-1883), Romantische Oper in drei Aufzügen: Libretto: Richard Wagner, UA: 2. November 1843 Dresden, Hoftheater
Regie: Lotte de Beer, Bühnenbild/Kostüm: Christof Hetzer, Dramaturgie: Peter te Nuyl, Licht: Jean Kalman, Choreographie: Katarina Sörenson Palm
Dirigent: Steven Sloane, Opernorchester und Opernchor Malmö, Einstudierung: André Kellinghaus
Solisten: Nikolay Didenko (Daland), Zoltán Nyári (Erik), Timothy Fallon (Steuermann), Cornelia Beskow (Senta), Josef Wagner (Holländer), Karin Lovelius (Mary)
Besuchte Aufführung: 2. Februar 2019 (Premiere)
Der fliegende Holländer ist dazu verdammt, mit seiner Mannschaft für ewige Zeiten auf dem Meer zu segeln. Alle sieben Jahre darf er für einen Tag das Land betreten, um eine Frau zu suchen, die ihm die Treue hält und ihn dadurch erlöst. In der Bucht Sandwike vor der norwegischen Küste trifft er das Schiff des Kapitäns Daland an und wirbt bei ihm um seine Tochter, Senta. Beeindruckt von den Reichtümern des fremden Seemanns erklärt Daland sich dazu bereit. Senta, die seit Kindheitstagen die Ballade vom fliegenden Holländer kennt und Mitleid mit dem Verfluchten hat, erkennt ihn sogleich bei ihrer ersten Begegnung. Um ihre Treue zu beweisen, stürzt sie sich von einem Felsen. Das Geisterschiff versinkt und der Fluch ist überwunden.
Vorbemerkung
Bei ihrer Umsetzung der szenischen Angaben des Textbuchs lassen die Regisseurin Lotte de Beer und ihr Team Sorgfalt walten. Es geht ihnen nicht nur um die Realisierung der meisten Regievorgaben Wagners, sondern auch um die Schaffung eines bestimmten Lokalkolorits.
Aufführung
Wagner siedelt die Handlung bekanntlich in Norwegen an, und das Bühnenbild zeigt ein sehr distinktes nordisches Milieu. Teilweise verwandelt sich die Szene in regelrechte Lebende Bilder, und zwar nach dem Vorbild eines der bekanntesten nordeuropäischen Maler, der das Image Schwedens prägte wie kein anderer: Carl Larsson. Kostüme, Interieur und die Gartenlandschaft im dritten Aufzug sind allesamt nach dem Vorbild seiner berühmten Aquarelle gestaltet, die das ländliche Leben im Schweden der Jahrhundertwende zeigen. Das Regieteam befolgt im übrigen nicht nur die Angaben in der Partitur, was die Personenregie angeht, sondern auch Wagners Kommentare zu Der fliegende Holländer in seinen Schriften und Briefen. Darin heißt es u.a.: L Senta sei ein junges Mädchen, dessen mitunter exzessive Schwärmereien ihre Umgebung ängstigten. Diesen Charakterzug Sentas stellen die während der Ouvertüre zu sehenden stummen Bilder deutlich heraus, in denen sie als Kind und Heranwachsende zu sehen ist, die sich für die Dunkelheit begeistert. Sie ist in dieser Inszenierung die eigentliche Hauptfigur.
Die Hauptpartien der Oper sind durchweg stark besetzt, und sie unterstreichen die musikalisch und dramaturgisch heterogenen Züge dieses Werkes, in dem sich Momente der deutschen Schauerromantik und der komischen französischen Oper mischen.
Nikolay Didenko (Daland) und Timothy Fallon (Steuermann) repräsentieren den heiteren Anteil. Sie tun dies darstellerisch ausgezeichnet. Ihre Maske und Kostüme unterstreichen ihre bewegliche, humoristische Körpersprache. Beispielsweise gelingt es Didenko im zweiten Aufzug exakt so wie von Wagner in seiner Regieschrift Bemerkungen zur Aufführung der Oper ‚Der Fliegende Holländer‘ von 1852 gefordert, die spannungsvolle erste Begegnung von Holländer und Senta immer wieder gekonnt zu unterbrechen. Rhythmisch und von der Tonbildung her ist Didenko sehr sicher. Mit der Textaussprache haperte es jedoch zu Beginn ein wenig. Timothy Fallon belebte die Bühne im ersten Aufzug mit seinem stummen Spiel.
Zoltán Nyári (Erik) sang und spielte seinen musikalisch und dramaturgisch nicht allzu dankbaren Part mit großer Energie. Josef Wagner in der Titelrolle bestach durch seine Ruhe und Souveränität und einen makellos deutlichen Wortvortrag. Es verlangt vom Sänger dieser Partie schon einiges an Nervenstärke, den Monolog des Holländers, mit dem er sich dem Publikum präsentiert, tatsächlich zwischen den Zuschauern auf- und abgehend zu singen. Stimmlich zeigte er sich allen Anforderungen gewachsen. Im übrigen wird die Schwierigkeit dieser Partie unterschätzt, die von einem massiven Orchestersatz begleitet wird, womöglich, weil es sich bei dem Fliegenden Holländer um eine frühe Wagneroper handelt. Tatsächlich war der junge Wagner wesentlich rücksichtsloser, was den Einsatz stark instrumentierter Passagen anging, als der ältere, und unter Hornisten wird dieser Oper deswegen auch mit großem Respekt begegnet. Daß sich zum Ende des zweiten Aufzugs, der sich ohne Pause an den ersten anschloß, in den Hörnern Ermüdungserscheinungen zeigten, ist nur zu verständlich und beeinträchtigte den exzellenten Gesamteindruck, den das Orchester unter seinem Dirigenten Steven Sloane hinterließ, keineswegs. Hier wurde zupackend und rhythmisch auf den Punkt musiziert. Das gilt in gleichem Maße auch für den Opernchor, einstudiert von André Kellinghaus, der vor allem im dritten Aufzug mit seiner kraftvollen Tongebung und exzellenten Textaussprache begeisterte.
Doch kommen wir nun zu derjenigen sängerischen Leistung, die an diesem Abend klar im Mittelpunkt stand: Cornelia Beskow als Senta. Sie trat zum ersten Mal in einer Wagner-Hauptrolle vor das Publikum und, soviel sei gleich verraten, feierte damit an diesem Abend einen Triumph. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen steht, wie bereits erwähnt, die Rolle der Senta in dieser Produktion im Vordergrund. Zum anderen gelang es ihr problemlos, dieser Aufgabe auch darstellerisch gerecht zu werden. Mit gerade einmal 32 Jahren ist Cornelia Beskow noch recht jung für eine solch schwere Partie, und sie besitzt neben einer unverkennbaren Freude am schauspielen auch eine starke Bühnenpräsenz und nicht zuletzt eine sehr kräftige Stimme. Auch in den lautesten Passagen der Oper, beispielsweise dem Terzett mit Erik und Holländer im dritten Akt, schlug ihre Stimme, die bereits recht reif klingt, stets durch. Manches klang ein wenig gewaltsam – was nicht nur der Sängerin anzulasten ist, denn auch ihre Partie gehört – wie die des Holländers – zu den musikalisch prekären Wagnerpartien, und die Textaussprache des Deutschen, besonders das Absprechen der Endsilben, würde noch ein wenig mehr Sorgfalt vertragen. Doch für einen Einstand als Wagnerheroine war ihre Leistung alles in allem hervorragend.
Fazit
Kräftige Stimmen, ein wirklich schönes Bühnenbild – es gab dafür Szenenbeifall –, spielfreudige Darsteller, sicher agierende Choristen, Respekt im Umgang mit dem Libretto seitens der Regie und ein spannungsvoller Vortrag des Orchesters – derzeit dürfte es wenige Produktionen dieser Oper geben, die das alles auf einmal zu bieten vermögen.
Als Bonus dürfen die Zuschauer eine vielversprechende junge Sängerin erleben, die das Zeug dazu hat, im Wagnerfach noch von sich reden zu machen. Stehende Ovationen gab es für ihre Leistung, die diejenigen ihrer Mitstreiter, obwohl sie durchweg tadellos waren, in den Schatten stellte. Für Wagnerfreunde, die an den derzeit in Bayreuth zu sehenden Inszenierungen keinen rechten Gefallen finden, ein absolutes Muß, diese Opernaufführung zu besuchen!
Dr. Martin Knust
Bild: Jonas Persson
Bild 1 zeigt: Cornelia Beskow (Senta), Malmö Opernchor
Bild 2 zeigt Cornelia Beskow (Senta) – Karin Lovelius (Mary), Damen des Malmö Opernchor