König Roger – Stockholm, Königliche Oper

von Karol Szymanowski (1882-1937), Oper in drei Akten, Libretto: Komponisten und Jarosław Leon Iwaszkiewicz, UA: 19. Juni 1926 Warschau, Teatr Wielki

Regie: Mariusz Treliński, Bühne: Boris Kudlička, Maske/Kostüm: Konrad Parol, Licht: Marc Heinz, Video: Bartlomiej Macias, Choreographie: Tomasz Wygoda, Dramaturg: Pìotr Gruszczyński

Dirigent: Andrea Molino, Königliche Hofkapelle, Chor der königlichen Oper, Choreinstudierung: James Grossmith

Solisten: Łukasz Goliński (König Roger II von Sizilien), Elin Rombo (Roxana), Niklas Björling Rygert (Edrisi), Arnold Rutkowski (der Hirte), Lennart Forsén (Erzbischof) Katarina Leoson (Diakonin), u.a.

Besuchte Aufführung: 15. März 2019 (schwedische Erstaufführung)

Kurzinhalt

Die Handlung spielt im mittelalterlichen Sizilien, also an einem Ort und zu einer Zeit wo sich christliche, heidnisch-antike und arabische Einflüsse durchmischen. Während einer Messe in Palermo wird König Roger ein Hirte vorgeführt und dieser der Gotteslästerung angeklagt. Die Menge fordert seinen Tod. Roger vernimmt ihn. Der Hirte stellt sich in rätselhaften Worten als Verkünder eines heidnischen Gottes vor. Rogers Frau Roxana, die von den Worten des Hirten sichtlich beeindruckt ist, gelingt es, Roger von einer schnellen Verurteilung abzubringen. Roger verlangt vom Hirten, in derselben Nacht allein bei ihm vorstellig zu werden, um sein Urteil zu erhalten. Während Roxana einen verführerischen Gesang anstimmt, der den König immer mißtrauischer werden läßt, erscheint der Hirte im Palast und wird auf Rogers Befehl in Ketten gelegt. Doch streift er seine Fesseln leicht ab und entschwindet wobei ihm der Hofstaat folgt. Roger und sein arabischer Berater Edrisi bleiben allein zurück. In einem antiken Theater finden sie Roxana wieder, die Roger erzählt, der Hirte könne ihn von Argwohn und Eifersucht heilen. Ein heidnisches Ritual wird vollzogen, während dessen alle in Ekstase verfallen und der Hirte sich in Dionysos verwandelt. Roger singt einen Hymnus und die Morgensonne geht auf.

Aufführung

Das Regieteam hat die Oper mit einer völlig anderen Handlung unterlegt. Sie zu beschreiben soll hier gar nicht erst der Versuch gemacht werden, dazu ist sie viel zu verworren und prätentiös. Während der ersten beiden Akte ist die Szene sehr dunkel und Roger verbringt viel Zeit an einem Waschbecken im vorderen Bühnenraum, wobei er einen gequälten Eindruck macht. Der Hirte ist komplett weiß gekleidet, Roger hingegen komplett schwarz. Im letzten Akt ist die Szene hell und Roger weiß gekleidet. Die beiden ersten Akte werden mit einem Film eingeleitet. Viele Komparsen bevölkern die Bühne, es gibt ständige Videoprojektionen und Veränderungen der Szenerie. Insgesamt wird das Bühnenbild dadurch sehr unruhig. Von dem antik-mittelalterlichen Lokalkolorit bekommt man nichts zu sehen. Die Nebenrollen des Librettos treten so gut wie gar nicht in Erscheinung. Stattdessen tauchen die vielen stummen Figuren der Bilderflut kurz auf, um genauso schnell wieder darin zu verschwinden.

Sänger und Orchester

Szymanowskis Partitur ist spätromantisch–üppig, mit einem sehr dichten, klanglich ausufernden, oft ins Atonale hineinragenden Orchestersatz. Um als Sänger hier zur Geltung zu kommen, braucht es eine kräftige Stimme. Łukasz Goliński (König Roger) verfügt darüber wie auch über eine kraftvolle Bühnenpräsenz. Er verleiht der Rolle des Königs Würde und Gewicht so weit die Regie ihn nicht zu künstlich aufgeregten Bewegungen nötigt.

Elin Rombo als Roxana stößt hingegen von der Lautstärke her an ihre Grenzen. Auch für sie hält die Regie einige besondere Einfälle parat, beispielsweise hatte sie zu Beginn des ersten Aktes eine Zigarette zu rauchen, warum auch immer. Niklas Björling Rygert (Edrisi) macht sängerisch und darstellerisch eine gute Figur, hat aber auch eine etwas dankbarere Partie als die übrigen Nebenrollen.

Bemerkenswert ist der Tenor Arnold Rutkowski (der Hirte). Es handelt sich dabei um die neben König Roger längste Partie der Oper. Er verfügt über ein ausgeglichenes, strahlendes Organ. Allerdings singt er etliche Passagen seiner Partie mit Mikrofonverstärkung, teilweise auf der Bühne stehend, teilweise unsichtbar. Das ist auch bei einigen anderen Rollen der Fall und kommt leider etwas zu häufig vor, als bei einer Oper streng genommen legitim ist. Es ist ja normalerweise die Aufgabe eines Opernregisseurs, die Sänger so zu plazieren, daß sie auch bei den lauten Stellen noch zu hören sind und die Personenregie dementsprechend anzupassen. Doch hier geht es eher um die Realisierung von eigenen szenischen Einfällen als um die Berücksichtigung der akustischen Gegebenheiten der Stockholmer Bühne.

 

Das Orchester unter der Leitung von Andrea Molino bringt die klanglich zwischen Debussy und Skrjabin stehende Partitur zum Leuchten. Trotz der bisweilen wuchtigen und vor allem im Baßbereich ausladenden Klangmischungen bleibt das Orchester immer transparent und rund. Der Chor, der das Werk mit einem gräzisierend veränderten Meßtext im äußersten Fortissimo eröffnet und später musikalisch im Hintergrund agierend die Klangfarben des Orchesters bereichert, trägt seine Partien ebenso klar und ausgewogen vor. Die Musik derart solide und nuanciert aufgeführt zu hören wie an diesem Premierenabend, ist eine wahre Freude. Die überragenden orchestratorischen Fähigkeiten des Komponisten kommen hier voll zu ihrem Recht.

Fazit

Szymanowskis Oper ist eine echte Rarität und musikalisch so anspruchsvoll wie ansprechend. Sänger, Chor und Orchester leisten an diesem Abend wirklich Bemerkenswertes. Doch wird der Genuß an dieser schönen musikalischen Realisierung durch die gründlich mißglückte Inszenierung erheblich getrübt. Die Akte sind jeweils mit einem inhaltsschweren Motto wie „Offenbarung“, „Tod“ und „Auferstehung“ versehen und mit Symbolen und viel zu vielen abgedroschenen Regieeinfällen überfrachtet, die die Zuschauer ratlos zurückließen.

Das höfliche Stockholmer Publikum würde zwar nie eine Aufführung ausbuhen, hatte es nach dem Schlußakkord aber sichtlich eilig, den Saal zu verlassen. Es mag sein, daß die Handlung von Szymanowskis Oper abstrakt, ja vielleicht sogar zeittypisch versponnen ist. Aber zu ihrer Erhellung oder zum Erwecken eines Interesses an Szymanowskis Spiel mit historischen Epochen und antiken Mythen trägt eine bis ins Äußerste getriebene Mystifizierung sicherlich nichts bei. Im Gegenteil, was sich einstellt ist Langeweile und das dumme Gefühl, daß sich die Regie sich hier selber etwas zu wichtig nimmt. Viel weniger wäre hier mehr gewesen. Fast bekommt man den Eindruck, als solle der Zuschauer auch gar nicht verstehen, was auf der Bühne vor sich geht. Hinzu kommt regelrechte handwerkliche Schnitzer. So erzeugt die bloße Aneinanderreihung von vermeintlich ausdrucksvollen Gebärden der Hauptrollen noch lange keine Figurenentwicklung, sondern wirkt auf die Dauer recht platt. Musikalisch erstklassig, von der Inszenierung her aber leider Unfug.

Dr. Martin Knust

Bild: Sören Vilks

Das Bild zeigt: Łukasz Goliński (König Roger II von Sizilien), Elin Rombo (Roxana), Niklas Björling Rygert (Edrisi), Arnold Rutkowski (der Hirte), Lennart Forsén (Erzbischof) Katarina Leoson (Diakonin)

 

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