Die Herzogin von Chicago – Regensburg, Theater

von Emmerich Kalman (1882-1953); Operette in zwei Akten mit Vor- und Nachspiel, Libretto: Julius Brammer und Alfred Grünwald,

UA: 5. April 1928 Wien, Theater an der Wien

Regie: Aron Stiehl, Bühne/Kostüme: Dietlind Konold, Choreographie: Tamas Mester

Dirigent: Chin-Chao Lin, Philharmonisches Orchester Regensburg, Opernchor, Cantemus-Chor, Choreinstudierung: Alistair Lilley

Solisten: Sinéad Campbell-Wallace (Mary Lloyd), Marc Adler (Prinz Sandor Boris), Anna Pisareva (Prinzessin Rosemarie), Matthias Störmer (James Bondy), Doris Dubiel (König Pankraz), Michael Heuberger (Benjamin Lloyd), Philipp Meraner (Graf Bojazowitsch – Finanzminister), u.a.

Besuchte Aufführung: 3. März 2019

Kurzinhalt

In Budapest ist 1928 das Charleston-Fieber ausgebrochen. Sandor Boris, der Erbprinz von Sylvarien, setzt dagegen auf Csardas und Walzer – bestellt beim Primas ein Wiener Lied. Da tritt Milliardärstocher Mary Lloyd samt Sekretär James Bondy ein, es kommt zum musikalischen Streit, als sich Prinz Sandor weigert mit ihr Charleston zu tanzen. Im Schloß des Prinzen treffen sie sich wieder, da Mary Lloyd gewettet hat, in Europa das zu erstehen, was für Geld am schwersten zu bekommen ist. Sie kauft das Schloß und renoviert es im amerikanischen Stil. Sie lernt Wiener Walzer, er Charleston, aber als er sich als Ziel der Wette erkennt, schiebt er lieber eine Verlobung mit Prinzessin Rosemarie vor, die jedoch mit James Bondy durchbrennt. Als König Pankraz versucht, das Geld für die Staatskasse zu retten, einigt sich Mary mit Sandor lieber auf einen Slowfox als Happy End.

Aufführung

Spartanisch ist die Ausstattung, das Tanzlokal besteht nur aus einem roten Vorhang im Hintergrund, einer Disko-Kugel darüber und gedämpfte Effekt-Beleuchtung, um die Tänzer im mystischen Dunkel zu halten. Das heruntergekommene Schloß des Prinzen wird von gehörnten Jagdtrophäen zusammengehalten, bevor es von Mary Lloyd in grell-bunten Farben neu gestrichen wird. Die Ballkleidung entspricht den Erwartungen an die zwanziger Jahre, die Trachtenkleidung wirkt ungarisch, die Gesellschaftskleidung sowie Uniformen samt Fellmütze läßt sich auf dem Balkan verorten. Der Kinderchor spielt keine Gardesoldaten sondern eine internationale Pfadfindergruppe mit Halstuch. Szenenapplaus für die Rose der Prairie, die mittels indianischen Tänzern und einem Comic-Pferd-Aufsteller im Schloß Einzug hält.

Sänger

Es kommt ein ausgewogenes Operetten Ensemble zum Einsatz: Allen voran ist Marc Adler zu nennen, der den Erbprinz Sandor gibt, so als sei ihm die Rolle auf den Leib geschneidert. Er ist ein ausgewogener lyrischer Tenor mit dem für die Operette typischen tenoralen Schmelz. Etwas mehr Durchschlagskraft wäre wünschenswert. Sinéad Campbell-Wallace verkörpert die Titelpartie, die exzentrische Milliardärstochter Mary Lloyd. Sie bekommt nach anfänglichen Schwierigkeiten sowohl das Vibrato in den Griff als auch die Intonation. Dann klingt ihr Sopran in tiefen und mittleren Lagen warm, üppig und schön. Auch die Spitzentöne gelingen so. Michael Heuberger überzeugt eher als Donald-Trump-Imitator denn als Milliardär Lloyd. König Pankraz hat ins Damenfach gewechselt und spielt eine genauso kurze Rolle wie Philipp Meraner als Finanzminister Graf Bojazowitsch.

Die Tanztruppe der Statisterie hat eine bühnenfüllende Dauer-Rolle, bewegt sich zusammen mit dem bestens aufgestellten Chor. Einen soliden Auftritt hat der von Alistair Lilley einstudierte Cantemus-Kinderchor als Pfadfinder. Der GMD Chin-Chao Lin hat sein Tanzorchester im Griff und noch einen Soloauftritt als Primas samt Instrument.

Fazit

Diese Operette läßt den musikalischen Kampf zwischen Jazz und Csardas, Foxtrott und Walzer, Charleston und Folklore Ende der zwanziger Jahre leider nur als Nebenrolle wieder aufleben – die Musik im Grill Americaine, sein Besitzer Tihanyi und der Primas kommen viel zu kurz. Dank fast leerer Bühne und sparsamer Kostümierung ist es auch keine Ausstattungsrevue. Im Fokus steht vielmehr die Liebesbeziehung zwischen Prinz Sandor und Mary Lloyd – und der gelungene Auftritt von Donald Trump als liebenswerter Onkel aus Amerika, der auch Europa wieder „great“ machen will. Ein musikalisch gelungener Abend dank der charismatischen Sänger-Darsteller, einem swingenden ungarisch-folkloristischen Orchester und einer Tanz-Choreographie, die durchaus auf dem Niveau einer Ballett-Kompagnie agiert! Leider auf zweieinhalb Stunden gekürzt, aber dennoch ein vom Publikum gefeierter Meilenstein der Operettenära der zwanziger Jahre!

Oliver Hohlbach

Bild: J. Quast

Das Bild zeigt: Sinéad Campbell-Wallace (Mary Lloyd)

Veröffentlicht unter Opern, Regensburg, Theater