von Thomas Pigor (*1956) inklusive Libretto, Revueoperette in 2 Akten, Thomas Pigor: Libretto nach dem Roman von Erich Kästner Orchestrierung von Konrad Koselleck.
Regie: Josef E. Köpplinger, Bühne: Rainer Sinell, Kostüme: Dagmar Morell, Choreographie: Adam Cooper
Dirigent: Andreas Kowalewitz, Orchester, Chor und Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Choreinstudierung: Felix Meybier
Solisten: Erwin Windegger (Eduard Tobler), Julia Klotz (Hilde Tobler), Armin Kahl (Dr. Fritz Hagedorn), Alexander Franzen (Johann Kesselhuth, Kammerdiener Toblers), Dagmar Hellberg (Claudia Kunkel, Hausdame Toblers), Sigrid Hauser (Frau Calbre), Frank Berg (Hoteldirektor Kühne), Eduard Wildner (Portier Polter), Maximilian Berling (Page Bepi), u.a.
Besuchte Aufführung: 31. Januar 2019 (Uraufführung)
Weihnachtsfeier des Berliner Tobler-Konzerns. Gewinner des weihnachtlichen Preisausschreibens ist Dr. Fritz Hagedorn, der mit seinem Werbespruch auf eine Anstellung hofft und stattdessen 14 Tage Winterurlaub im Grandhotel Bruckbeuren erhält. Ebenfalls einen solchen Gewinn erhält Konzernchef Tobler, der sich als armer Schlucker namens Schulze verkleidet und einmal erleben will, wie man auf ihn so reagiert. Seine Hausdame (und Geliebte) informiert die Hoteldirektion, daß ein anonymer Millionärs ins Haus komme. Vor Ort wird prompt Hagedorn für den reichen Mann gehalten, Tobler bleibt der mies behandelte Schlucker – auf den sein Kammerdiener ein Auge hat.
Diese drei Männer-Freunde bauen selig vom Cognac einen Schneemann namens Kasimir. Nach einigen Liebes-Irrungen während und nach dem Sylvesterball, dem Auftauchen von Tochter Hilde im Gefolge der geliebten Hausdame und einer Gondelfahrt ins Gebirge, suchen sich die Paare im Schneesturm – und einen Reim auf „E“.
Aufführung
Das Bühnenbild ist schlicht, aber szenisch aufregend, da durch einfache Verwandlungen viel Bewegung ins Spiel kommt. Mittels Drehbühne erscheint erst ein mondänes Hotel-Foyer, dann die Schneelandschaft samt riesigem Schneemann davor oder eine Gondel des Skiliftes an einer felsigen Steilwand. Mittels hineinfahrender Kulissen oder Hintergrundprospekte erscheinen die Kantine der Tobler-Weihnachtsfeier und das Familientreffen in der Villa der Familie Tobler samt Hausdame.
Der Maskenball zu Sylvester 1932/33 tobt als Polonaise durch das Hotel-Foyer, wo der Hoteldirektor Kühne und der Portier Polter genauso näselnd herrscht wie einst Hans Moser. Die Kleidung zeigt den gesamten Fundus dieser Zeit, inklusive dreier SA-Männer in „unserm Kostüm“. Der Hoteldirektor will diese zum Ball nicht zulassen, bis Portier Polter näselt Des is kane SA, des sann alles Österreicher. Auch der Schneemann bekommt eine kleine Hakenkreuzfahne.
Sänger und Orchester
Man kann mit Fug und Recht von einer Operette sprechen, so ausgefeilt und vielschichtig ist die eingängige Musik der Goldenen Zwanziger Jahre. Vieles erinnert Kurt Weills Musik, aber auch an Foxtrott und Charleston, Swing und Tango, Oriental und Wiener Walzer wie Drei Männer im Schnee, aber auch ironische Zitate dessen, was Touristen unter Alpenländischer Musik verstehen. Das Gärtnerplatzorchester verwandelt sich in eine Jazzkapelle und eine Walzer-Combo. Aufgetischt wird die heitere Mischung vom GMD Andreas Kowalewitz, der an diesem Abend das Publikum temporeich swingend zum mitschunkeln und mitklatschen ermuntert. Der bestens eingestellte Chor und der liebenswerte Kinderchor bringen Höchstleistung dank der perfekt choreographierten Ski-Stepper-Nummer Skifahr’n im Schnee, dem großen Ensembleauftritt oben auf dem Berg Fragen wir doch einfach mal den Wolkenstein. Auch die operettenerprobten Solisten des Hauses vermögen zu überzeugen.
Das Liebesduett zwischen Hagedorn und Hilde Komm unter die Laterne, süße kleine Subalterne– hat das Potential zum Operettenschlager. Julia Klotz ist diese egozentrische blonde Hilde Tobler, ihre Stimme klingt aber zu dramatisch und hart – sie ist eher keine jugendliche Geliebte. Armin Kahl ist der jugendliche Operettentenor in der Rolle des Fritz Hagedorn, der nach einigen Rückschlägen endlich eine Anstellung und sein Glück findet. Der überragendste Sängerdarsteller ist Erwin Windegger als Eduard Tobler, der alle Leidenswege, Hoffnungen und persönliche Freuden klanglich glaubhaft über die Rampe bringt. Dagmar Hellberg ist die dominante Hausdame, Alexander Franzen der unauffällige Kammerdiener. Auch die kleineren Rollen sind profund besetzt.
Fazit
Der Abend erweist sich als gelungene Operetten-Revue im Stil der Goldenen Zwanziger Jahre. Die Handlung des Kästner-Romans Drei Männer im Schnee aus dem Jahr 1934/35 wurde oft verfilmt und kopiert. Diese und die einfach wohlgesetzt heiteren Texte nach Erich Kästner sind Grundlage für die gute Laune des Publikums. Hier kann man viel über die Lage der Gesellschaft der Jahre zwischen 1920-30 lernen. Die passende humorvolle Aufarbeitung paßt ins Bild – auch wegen der einfallsreichen und perfekt choreografierten szenischen Umsetzung. Die vom Gärtnerplatz beauftragte musikalische Komposition von Thomas Pigor und die Arrangements von Konrad Koselleck sind kongenial und lassen die musikalische Welt der Zwanziger Jahre wieder aufleben. Die Liste der Musiknummern im Programmheft ist wichtig für die musikalische Erinnerung, das Programmheft selbst ein umfangreicher Beitrag zu dem Werk Erich Kästners. Das Libretto fehlt, wäre aber dringend wünschenswert. Der geradezu hysterische Beifall des Publikums macht Hoffnung auf einen festen Platz dieses Stückes im Repertoire des Gärtnerplatzes – und an anderen Häusern.
Oliver Hohlbach
Bild: Christian POGO Zach
Das Bild zeigt: Armin Kahl (Dr. Fritz Hagedorn), Erwin Windegger (Eduard Tobler), Alexander Franzen (Johann Kesselhuth)