von Bedřich Smetana (1824-1884), Komische Oper in drei Akten, Libretto: Karel Sabina, Deutsch von Kurt Honolka unter Verwendung von Carl Riha und Wilfried Höntsch, UA: 30. Mai 1866 Prag, Interimstheater
Regie: Mariame Clement, Bühne/Kostüme: Julia Hansen, Choreographie: Mathieu Guilhaumon
Dirigent: Tomas Netopil, Sächsische Staatskapelle und Sächsischer Staatsopernchor, Choreinstudierung: Cornelius Volke.
Solisten: Matthias Henneberg (Kruschina), Sabine Brohm (Ludmilla), Hrachuhi Bassenz (Marie), Tilmann Rönnebeck (Micha), Michael Doron (Hata), Benjamin Bruns (Wenzel), Pavol Breslik (Hans), Tijl Faveyts (Kezal), Tahnee Niboro (Esmeralda) u.a.
Besuchte Aufführung: 8. März 2019 (Premiere)
Marie liebt Hans, doch ihre Eltern schließen mit Heiratsvermittler Kezal einen Vertrag: Marie soll den unbeholfenen Wenzel heiraten, den Sohn von Micha. Marie, die sich nicht zu erkennen gibt, rät Wenzel davon ab, sie zu heiraten; ihm werde Böses widerfahren. Aus Angst verweigert dieser nun die Heirat. Hans willigt gegen 300 Gulden ein, auf Marie zu verzichten, wenn diese einen Sohn Michas heiratet. Alle sind empört. Auf einem Zirkusfest verliebt sich Wenzel in eine Tänzerin und es stellt sich heraus, daß Hans der Sohn Michas aus erster Ehe ist – so nimmt die Entrüstung über die „verkaufte Braut“ ein gutes Ende.
Aufführung
Dominant am Bühnenbild ist die Deckenbeleuchtung – die erinnert an „Erichs Lampenladen“, den ehemaligen Palast der Republik in Berlin. Unverständlich das Schild darunter Kezals City. Immerhin ohne Deppen-Apostroph, aber handelt es sich hier um ein DDR-Einkaufszentrum? Auf einem Podium im Mittelpunkt der Bühne zeigt eine Tanzschul-Volkstanzgruppe folkloristische böhmische Tänze in historischen Kostümen. Auch der Zirkus hat seinen Auftritt: Der Bär, mexikanische Amigos, Südsee-Hula-Hula im Blumenkranz, während Esmeralda nagelfeilend als Burgfräulein auf ihren Auftritt wartet. Vorne rechts die Bar, an der Kezal Drinks ausgibt. Vorne links der Personaleingang, hinter dem sich Marie zur Kellnerin mit Trachten-Schürze umzieht oder Kezal sein Personal betreut. An den Tischen dazwischen wartet der Chor rauchend-trinkend auf seine Auftritte. Die Gesellschaftskleidung im Stil des Rundstrichanzugs führt zurück zu der Endphase des Sozialismus 1989.
Sänger und Orchester
An diesem Abend kommt man ins sinnieren, wie nahe sich böhmische Heimatklänge und die (deutsche) Romantik doch sind. Sicher, Die verkaufte Braut wurde schon immer mit Billigung des Komponisten auch auf Deutsch aufgeführt, wie auch hier, aber selten wurde es so hörbar, wie an diesem Abend. Es gelingt Tomas Netopil sowohl das böhmische Feuer Smetanas hochkochen zu lassen, als auch in den Duetten die Gefühle immer wieder hochschlagen zu lassen. Die vielen Orchesterstücke, die böhmischen Tänze, aber auch die dazugehörenden hervorragend einstudierten Chorpassagen, funktionieren ohne drastische Temposteigerungen oder Änderungen der Lautstärke. Hinsichtlich der Besetzung bleibt festzustellen, daß die Leistungsdichte eng beisammen liegt und auch die kleinen Rollen mit (teils altgedienten) Mitgliedern des Hauses besetzt werden können – wie die beiden Elternpaare im – oft zu Unrecht gestrichenen Sextett Ein Weilchen noch, Marie.
Beginnen muß man aber sicherlich bei der verkauften Braut Hrachuhi Bassenz, eine Paraderolle für diesen schweren und ausdrucksstarken Koloratursopran. Denn Hrachuhi Bassenz besitzt eine enorme Ausdruckskraft, verfügt über ein schwerelos leichtes Pianissimo, kann aber auch Furor mit Kraft und Strahlglanz verbreiten und demonstriert, wie man Phrasierungen zum Glänzen bringt. Pavol Breslik als Hans hat den herben Schmelz in der Stimme, den man für den slawischen Ausdruck dieser Tenorrolle benötigt und verfügt über eine strahlend schöne Mittellage, die er als Basis für die technisch sicheren hohen Töne verwendet. Leider fehlten ihm in der Premiere die Durchschlagskraft und der Glanz der tenoralen Lage, so daß ein etwas blasser Eindruck bleibt. Benjamin Bruns als sein Bruder Wenzel singt seine Stotter-Arie als schwerer lyrischer Tenor mehr als nur technisch sauber auch mit leiseren Tönen. Er könnte im traumhaft mitmenschlichen Duett Ich weiß euch einen lieben Schatz mit Marie ihr nicht nur stimmlich ebenbürtiger Partner sein. Tijl Faveyts ist ein Baß mit einer sehr sicheren leuchtenden Tiefe und kann so die negativen Seiten des Kezal ausleuchten.
Fazit
Musikalisch sicherlich eine herausragende Leistung einer Staatsoper: überzeugende Solisten, ein wie immer bestens eingestellter Chor, eine Wunderharfe unter der Leitung eines Dirigenten mit der richtigen Verve für Romantik und böhmischen Aplomb. Szenisch ist die Verortung in die DDR Ende der 1980ziger Jahre problematisch. Ist der Großbauer Micha Chef einer LPG? Die Handlung spielt in „Kezals Village“ aber betreibt der Heiratsvermittler Kezal ein Einkaufscenter? Zwar ist der Laienauftritt der Zirkus- und Folkloregruppen glaubhaft, das Niveau von Ein Kessel Buntes wird jedoch nicht erreicht. Das Staatsopernballett wird schmerzlich vermißt! Eine Regietheater-Produktion ohne Tiefgang, ohne Ausloten der Charaktere. Dank an Benjamin Bruns (Wenzel) der einfach ein liebenswert-lächelnder Kerl ist, so wirkt Wenzel nicht wie ein linkischer Stotterer, sondern ist eine sympathische Alternative zu Hans, was er auch stimmlich überzeugender untermauern kann. Dafür kann man erleben, daß das Gespräch zwischen Marie und Wenzel szenisch gleichzeitig mit der Verhandlung zwischen Kezal und Hans abläuft, jedoch nacheinander gesungen wird. Alle vier Personen agieren zweimal identisch in derselben Szene, singen jedoch nur einmal. Das ist mit viel Aufwand inszeniert, szenisch jedoch wenig überzeugend. Hingegen ist das Publikum mit Beifall sehr freigiebig, nur für die Regie melden sie leisen Zweifel an.
Oliver Hohlbach
Bild: Ludwig Ohla
Das Bild zeigt: Hrachuhi Bassenz (Marie), Pavol Breslik (Hans)