von Richard Wagner (1813-1883) Erster Tag des Bühnenfestspiels in drei Akten, Libretto: Richard Wagner, UA: 26. Juni 1870 München, Nationaltheater
Regie: Markus Dietz, Bühne: Mayke Hegger, Kostüme: Henrike Bromber
Dirigent: Francesco Angelico, Staatsorchester Kassel
Solisten: Martin Iliev (Siegmund), Yorck Felix Speer (Hunding), Egils Silins (Wotan), Nadja Stefanoff (Sieglinde), Nancy Weißbach (Brünnhilde), Ulrike Schneider (Fricka) u.a.
Besuchte Aufführung: 9. März 2019 (Premiere)
Der verfolgte Wälsunge Siegmund findet bei der verlorengeglaubten Zwillingsschwester Sieglinde Zuflucht und zeugt Siegfried. Fricka verlangt Sühne für Ehebruch und Blutschande. Durch die eigenen Gesetze gebunden, muß Wotan Siegmund opfern. Todgeweiht will Siegmund die Schwester lieber töten, als ungeschützt zurückzulassen. Da beschließt Brünnhilde, entgegen Wotans Befehl, die Wälsungen zu retten, doch Wotan bewirkt Siegmunds Tod. Brünnhilde flieht zunächst mit Sieglinde vor Wotan, aber Wotan bestraft Brünnhilde und bettet sie in einen Feuerring, aus dem nur ein Held sie erretten kann.
Aufführung
Schon das Vorspiel zum ersten Akt wird bebildert. Wenn der flüchtende Siegmund zu hören ist, sieht man hinter Hundings moderner Halle in einem schwarzem Raum, in dem auch ein großes Feuer brennt, wie Sieglinde von Hundings Mannen im schwarzen Anzug entführt „ weißen Kleid“ Siegmund an einem weiß gedeckten, bühnenbreiten Eßtisch und zwei weißen Anrichten mit Getränken in Designerflaschen an beiden Kopfenden des Tisches. Die blutgetränkte Kleidung Siegmunds hinterläßt häßliche Flecken auf dem weißen Grund.
Im zweiten Akt ist Hundings Halle, die Anrichten und der Tisch zu Asche zerfallen. Im Hintergrund taucht das große leuchtende W für Walhall auf und die Walküren feiern schon mal (was denn?) mit Sekt. Unglücklich gelöst ist der Kampf zwischen Wotan, Hunding und Siegmund, der im mystischen Dunkel undurchsichtig bleibt.
Im dritten Akt türmt sich die Rampe für den Walkürenfelsen auf. Auf einen Feuerzauber muß man leider verzichten, dafür wird Brünnhilde zu Wotans Abschied in einen langen Mantel gehüllt. Auch dieser Mantel ist, wie alle anderen Kostüme auch, der heutigen Mode entlehnt.
Sänger und Orchester
Die Walküre lebt eigentlich von den Spannungen in der Dreiecksbeziehung im ersten Akt, dem Ehestreit zwischen Wotan und Fricka und Wotans Abschied mit Feuerzauber zum furiosen Finale. Das wird eindrucksvoll umgesetzt von Francesco Angelico. Unter seiner Leitung erlebt man einen unverstellten Blick auf das Notenwerk, das mit großer lyrischer Spielfreude ohne dramatischen Pomp und größere Steigerungen der Lautstärke auskommt. Der Walkürenritt wirkt nicht monumental und der Feuerzauber wird feingliedrig zelebriert als leise Abschiedsfeier. Etwas zurückhaltend starten Nadja Stefanoff als Sieglinde und Martin Ilievs als Siegmund mit voluminöser Stimme. Ilievs ist jedoch spätestens mit den langanhaltenden Wälse-Rufen präsent trotz etwas rauher Stimme, während Stefanoff ihre Rolle der Sieglinde eher ausdrucksstark anlegt und den Schwerpunkt auf die dramatischen Ausbrüche im zweiten Akt legt. Im Zentrum des Dreiecks als statischer Ruhepol steht Yorck Felix Speer als Hunding mit dunkel herben Baß. Stimmlich geht das Duell zwischen Wotan und Fricka unentschieden aus. Ulrike Schneider als Fricka zeigt, wie mit langer Erfahrung am Haus die stimmliche Durchschlagskraft ohne reines Keifen präsentiert werden kann. Egils Silins hält dagegen als kraftvoller, strahlender und in der höhensicherer Göttervater Wotan. Und er kann dieses hohe Niveau im Finale sogar noch steigern, wenn er sich von Nancy Weißbach als Brünnhilde verabschiedet, die als schwerer dramatischer Sopran mit ihrer klangvollen Dynamik besticht.
Fazit
Wieder einer der von den Feuilletons verschiedener Zeitungen hochgelobten Regietheater-Produktionen, die vom Regisseur dazu genutzt wird, zusätzliche Bilder, Kommentare und Handlungsstränge einzuflechten. Leider führen diese Regieeinfälle nicht zu einer stringenten Erläuterung oder einer zusätzlichen Handlungsebene à la Stefan Herheim, sondern stellen nur eine bildgewaltige Darstellung von Einfällen dar. So dürfen die Walküren statt des Walkürenritts die gefallenen Helden (oder Sexsklaven?) an der Leine führen, das Lagerfeuer in Hundings Loft ist leuchtender als der Feuerzauber, und Fricka wird auf einer Harley (mit laufendem Motor!) auf die Bühne gefahren. Den großvolumigen Motor hört man auch unter Frickas pointiert zelebriertem Motiv heraus. Sie kann vom Orchester nicht überdeckt werden. Musikalisch und sängerisch ist diese Walküre dank Francesco Angelico und Egils Silins (Wotan) eine faszinierende, fesselnde und begeisternde Produktion. Stürmischer und langer Applaus des Publikums zum Schluß!
Oliver Hohlbach
Bild: Nils Klinger
Das Bild zeigt: Die Walküren nach dem Ritt