Nixon in China – Kopenhagen, Königliche Oper

von John Adams (* 1947), Oper in drei Akten, Text von Alice Goodman

UA: 1987 Houston, Texas

Regie: John Fuljames, Bühnenbild und Kostüme: Dick Bird, Licht: Ellen Ruge, Video: Will Duke, Sounddesign: Cameron Crosby, Choreographie: John Ross

Dirigent: Alexander Vedernikov, Königlich dänische Hofkapelle, Chor der königlich dänischen Oper. Leitung: Steven Moore

Solisten: Johan Reuter (Richard Nixon), David Kempster (Chou En-lai), Zachary Altman (Henry Kissinger), Arnold Bezuyen (Mao Tse-tung), Sarah Tynan (Pat Nixon), Sofie Elkjær Jensen (Chiang Ch’ing, Madame Mao Tse-tung), Hanne Fischer (Nancy T’sang, Maos erste Sekretärin), Kari Dahl Nielsen (Maos zweite Sekretärin), Johanne Bock (Maos dritte Sekretärin)

Ko-Produktion mit der schottischen Oper und dem Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater Moskau

Besuchte Aufführung: 12. Mai 2019 (dänische Erstaufführung)

 

 

 

 

 

Kurzinhalt

Richard Nixon und seine Frau Pat landen im Februar 1972 zu einem improvisierten Staatsbesuch in China, dem ersten eines amerikanischen Präsidenten in dem kommunistischen Land. Die Erwartungen sind hoch. Man hofft darauf, daß sich das große isolierte Land dem Westen öffnen wird. Nixon trifft den Revolutionsführer Mao, der sich jedoch in rätselhaften Metaphern ergeht, was das Gespräch mit ihm zu einer bizarren Reihe von Mißverständnissen und abgebrochenen Gedanken werden läßt. Besser läuft es mit dem Premierminister Chou En-lai, der bei einem abendlichen Bankett eine vielversprechende Rede hält, auf die Nixon höflich antwortet, und in der eine zukünftige Zusammenarbeit beider Länder in Aussicht gestellt wird. Alle Teilnehmer stoßen euphorisch auf die neuen Zeiten an. Pat Nixon besucht Schulen, Tierfarmen und Fabriken und bekommt eine Einführung in die revolutionäre Geschichte Chinas in Gestalt des von Chiang Ch’ing geschriebenen Tanztheaterstücks Das Frauenbataillon des roten Heeres. Während dieser Vorstellung identifiziert sich Pat Nixon rückhaltlos mit der Protagonistin des Stückes, einer von ihrem Grundbesitzer mißhandelten Bäuerin, die sich der kommunistischen Bewegung unter Mao anschließt. Am Ende des Besuchs des amerikanischen Präsidenten macht sich Ernüchterung breit. Mao und Chiang Ch’ing, Chou En-lai sowie Nixon und seine Frau erinnern sich an ihre Jugend und den Krieg und fragen sich, was ihr Beitrag zur Geschichte sein wird.

Aufführung

Die Szene ist dank zahlreicher Projektionen von historischen Fotografien und Dokumenten sehr abwechslungsreich und historisch akkurat bebildert. Bilder, Filme und Textdokumente sind authentisch. Sie stammen aus der Richard-Nixon-Stiftung und dem Richard-Nixon-Archiv und Museum. Anhand ihrer kann sich der Zuschauer davon überzeugen, wie exakt das Bühnenbild dem erhaltenen historischen Bildmaterial nachempfunden ist und des öfteren den Charakter eines Lebenden Bildes annimmt. Beleuchtung, Choreographie und Bühnenbild folgen den Spannungsverläufen der Musik. Kostüm und Maske versuchen die Erscheinungen der Sänger den historischen Vorbildern so genau wie möglich anzugleichen, was im Falle von Kissinger und Nixon überaus gut gelungen ist. Die Regie hält sich eng an die szenischen und darstellerischen Vorgaben des Librettos und hält gekonnt die Balance zwischen Tragik und Komik.

Sänger und Orchester

Jeder der drei Akte birgt seine eigenen musikalischen und darstellerischen Herausforderungen in sich. Im ersten Akt ist das Tempo hoch und das Stück gerät bisweilen zur satirischen Komödie. Hier konnte der Sänger der Titelrolle, Johan Reuter, stimmlich und vor allem darstellerisch brillieren. Er sang also nicht nur deutlich und wohlklingend, sondern hatte sich auch die Körpersprache dieser gelinde gesagt kontroversen Figur in der jüngeren Geschichte angeeignet. Seine Passagen sind oft geschwind vorzutragen, mit viel Text und raschen Motivrepetitionen. Nur punktuell, etwa im dritten Akt, kann er einen Ton voll aussingen und das enorme Volumen seines Baritons herausstellen. Arnold Bezuyen, dessen laute Töne vergessen machen, daß er kein regelrechter Heldentenor ist, sondern immer noch dem Fach des Spieltenors verbunden ist, trug den Part des kranken und zeitweise verwirrten Mao mit ebenso großer musikalischer wie schauspielerischer Virtuosität vor. Ihm sekundierte das Terzett der drei Sekretärinnen, zackig und klanglich wie schauspielerisch homogen gesungen von Hanne Fischer, Kari Dahl Nielsen und Johanne Bock. Die darstellerischen Leistungen sämtlicher Akteure in dieser Produktion sind durchweg erstklassig. Das gilt auch für die zwischen Arroganz, Sadismus und Lächerlichkeit changierende Figur Henry Kissingers, glänzend dargeboten von Zachary Altman. Im zweiten Akt stehen die weiblichen Hauptrollen im Vordergrund. Sarah Tynan (Pat Nixon) übernimmt hier den eher lyrischen Part während Sofie Elkjær Jensen in der Rolle der langjährigen Weggefährtin und Frau Mao Tse-tungs zum Ende des Aktes ihre mechanische und virtuose Arie über die sogenannte Mao-Bibel singt. Der einem Kampfschrei gleichende Spitzenton am Abschluß ihres Refrains – „the book!“– wird vom Frauenchor übernommen und beschließt den zweiten Akt mit einem Ausrufezeichen. Im dritten Akt sind die hektischen und triumphalen Töne verklungen, und Sänger und Orchester haben nicht mehr perkussiv, sondern elegisch und verhalten zu musizieren. David Kempster (Chou En-lai) hat das melancholische letzte Wort nach seinen kräftigen Einsätzen im ersten Akt.

Die Königlich dänische Hofkapelle unter Alexander Vedernikov musizierte mit absoluter Perfektion. Die mit elektronischen Instrumenten angereicherte Partitur verlangt vor allem im ersten Akt ein Höchstmaß an rhythmischer Präzision und von Streichern und Bläsern repetitive Figuren, die eher zu einem Schlag- denn einem Melodieinstrument passen. Die Sicherheit, mit der Chor und Orchester vor allem den geschäftig-hektischen ersten Akt zu Gehör brachten, war umwerfend.

Fazit

Man kann es kurz machen: eine inhaltlich und musikalisch anspruchsvolle Oper, die zu Recht als moderner Klassiker gehandelt wird, wird in Kopenhagen auf Weltklasseniveau inszeniert und dargeboten. Auch wenn Sie mit der neueren Musik bisher nicht viel anfangen können – diese Produktion wird Sie begeistern. Garantiert!

Dr. Martin Knust

Bild: Camilla Winther

Das Bild zeigt: Johan Reuter (Richard Nixon)

Veröffentlicht unter Kopenhagen, Det Kongelige Teater, Opern