von Jacques Offenbach (1819-1880), Opéra bouffe in drei Akten, Text: Henri Meilhac und Ludovic Halévy, UA: 12. April 1867 Paris, Théatre de Variété
Regie: Renaud Doucet, Bühne/Kostüme: André Barbe
Dirigent: François-Xavier Roth und das Gürzenich-Orchester Köln
Solisten: Jennifer Larmore (La Grande-Duchesse), Emily Hindrichs (Wanda), Dino Lüthy (Fritz), Miljenko Turk (Baron Puck), John Heuzenroeder (Prinz Paul), Vincent Le Texier (General Boum), Nicolas Legoux (Baron Grog)Besuchte Aufführung: 9. Juni 2019 (Premiere)
Der Staat Gerolstein befindet sich im Krieg. Als die Großherzogin ihr Regiment inspiziert, verliebt sie sich in den Soldaten Fritz, den sie auch kurzerhand zum Hauptmann ernennt und damit den General Boum degradiert. Dieser schwört Rache. Prinz Paul, der schon länger um die Herzogin wirbt, wird von ihr ein weiteres Mal vertröstet. Als Fritz aus dem Krieg zurückkehrt, will die Großherzogin ihm ihre Liebe gestehen. Dieser versteht ihre Andeutungen aber nicht und bittet sie, seine Geliebte Wanda heiraten zu dürfen. Die Herzogin ist gekränkt und schließt sich einer Intrige an, die General Boum und Baron Puck geschmiedet haben, um Fritz zu ermorden. Doch bevor es zum Äußersten kommt, erkennt sie ihre Verantwortung als Monarchin, vergibt Fritz und willigt ein, Prinz Paul zu heiraten. General Boum rächt sich an Fritz durch einen Streich, woraufhin dieser sich wieder degradieren läßt und mit Wanda davonzieht.
Aufführung
Die Herzogin wird hier zur Eigentümerin eines Wasserimperiums, die mit dem Erben eines Backimperiums verheiratet werden soll. Dabei unterstützt sie keinen klassischen Krieg, sondern Umweltaktivisten, die die Lebensgrundlage des „Goldenen Froschs“ verteidigen. Die Bühne wird nach jedem Akt umgebaut.
Im ersten Akt zeigt sie beispielsweise Campingwagen und Schilder mit Parolen wie “Hambi bleibt” oder “Earth first”; die Umweltaktivisten tragen Hippie-Kostüme, mit bunten Batik-T-Shirts, langen Haaren und Schlaghosen. Die Großherzogin trägt eine exzentrische rote Robe mit Turban. Naturelemente spielen eine besondere Rolle: die Wandverkleidung ist in einem grünen Muster gehalten und die Ballkleider der Hofdamen sind Blumensträußen nachempfunden. Viel Wert wird auch auf heitere Effekte gelegt: es gibt Tanzeinlagen mit witzigen Choreographien, in denen froschartige Bewegungen nachgeahmt werden oder in denen die Tänzer als Jockeys mit aufgeblasenen Pferdekostümen auftreten.
Sänger und Orchester
François Xavier Roth dirigiert die Ouvertüre in einem mäßigen Allegro und legt dabei besonderen Wert auf rhythmische Ausgewogenheit, was den tänzerischen und marschähnlichen Charakter der Musik hervorhebt. Rhythmische Finesse besitzt auch Dino Lüthys (Fritz) Gesang, der vom ersten Akt an mit seinem klaren und durchdringenden Tenor einen sehr naiven und trotteligen Hippie nachahmt. Seine Betonung der schnellen Achtel im Walzertakt in der Arie Quand prenand les armes – Wenn wir zu den Waffen greifen ist sehr beschwingt und trotz der großen Melodiesprünge präzis. Dabei wirkt sein Gesang stets sehr natürlich und nicht forciert.
Das gilt auch für seine Partnerin Emily Hindrichs (Wanda), die über einen lyrischen Sopran mit einem seidigen Timbre verfügt und diesen sehr spielerisch einzusetzen weiß. Etwas überspitzter dagegen singt Vincent Le Texier (General Boum), der, mit seinem rauhen und sehr dunklen Bariton, durch temperamentvolle Aktionen wie Boxen oder Hinfallen auf der Bühne unterstreicht. Dabei singt er sehr laut und verleiht seiner Stimme große Dynamik besonders in der Höhe.
Auch Jennifer Larmore (La Grande-Duchesse) hat eine sehr dominante Stimme: sie singt mit ihrem dunklen Mezzo oft in der Bruststimme und betont dabei sehr stark die Worte. In ihrem ersten Auftritt, der sehr schnelle Wechsel in der Melodie beinhaltet, muß sie zuerst viel aspirieren, doch im Laufe des Abends singt sie mit mehr rhythmischer Sicherheit und kann ihre Darstellung der lüsternen Grand-Dame gut herüberbringen. Besonders in der Arie Dite-lui – Sagen Sie ihm legt sie sich mit Inbrunst in die einzelnen Gesangsphrasen und läßt ihre Stimme gefühlvoll in der Höhe anschwellen. Erwähnenswert ist auch der Männerchor im dritten Akt, der durch einen sehr synchronen Gesang und gute Dynamik, von Staccato-Tönen in der Tiefe bis hin zu strahlenden Spitzentönen in der Höhe, sehr gute Spannung aufbaut.
Fazit
Das Regie-Team Renaud Doucet und André Barbe interpretiert Offenbachs parodistische Oper modern und macht viele Anspielungen auf die heutige Ökologie-Krise – mit einigen Verweisen auf die Stadt Köln.
Die Inszenierung ist ein großer Eingriff in die Offenbach’sche Oper – keine Frage. Sowohl die Sprechtexte als auch die Handlung wurden stark bearbeitet. Trotzdem trifft sie den Nerv des Stücks. Denn die überspitzte Darstellung der Umweltaktivisten und der Unternehmens-Mogulin sowie ihrer politischen Berater ist nicht nur unterhaltsam, sondern hält der Gesellschaft einen Spiegel vor. Bühnenbild und Kostüme sind phantasievoll und bilden einen schönen Rahmen um die hervorragende, musikalische Darbietung. Publikumslieblinge sind Jennifer Larmore und das Tänzerensemble. Alles in allem, ein gelungener Offenbach-Abend!
Melanie Joannidis
Bild: Bernd Uhlig
Das Bild zeig im Vordergrund von li nach ret: Miljenko Turk (Baron Puck), Jennifer Larmore (La Grande-Duchesse), Vincent Le Texier (General Boum), dahinter: Tanzensemble und Chor der Oper Köln