von Richard Wagner (1813-1883), Romantische Oper in drei Aufzügen: Libretto: Richard Wagner, UA: 2. November 1843 Dresden, Hoftheater
Regie: Jasmina Hadziahmetovic, Bühne, Kostüme: Natascha Maraval
Musikalische Leitung: Alexander Merzyn, Philharmonisches Orchester des Staatstheaters Cottbus, Opernchor und Extrachor des Staatstheaters und Chorgäste (Chorleitung: Christian Möbius)
Solisten: Ulrich Schneider (Daland), Tanja Christine Kuhn (Senta), Jens Klaus Wilde (Erik), Carola Fischer (Mary), Hardy Brachmann (Steuermann Dalands), Andreas Jäpel (Der Holländer),u.a.
Besuchte Aufführung: 4. Mai 2019 (Premiere)
Kurzinhalt
Der fliegende Holländer ist dazu verdammt, auf ewig die Weltmeere zu befahren, bis er durch die Liebe einer Frau seine Erlösung im Tod findet. Daland, der in einer Bucht auf ihn trifft als er Schutz vor einem Sturm sucht, ist von seinen Schätzen beeindruckt und verspricht ihm die Hand seiner Tochter, die ihm auch die erhoffte ewige Treue verspricht. Als der Holländer jedoch mitanhören muß, wie der Jäger Erik sie an ein einst ihm gegebenes Treueversprechen erinnert, fühlt er sich betrogen, kehrt auf sein Schiff zurück und lichtet die Anker. Senta stürzt sich ins Meer. Das Schiff des Holländers versinkt, Sentas Tod aus Liebe bringt dem Holländer die Erlösung.
Die Bühne zeigt mit vielen Dünen einen weiten Sandstrand, der sich im Hintergrund im Meer und gewaltigen Wolken eines Gewittersturms darüber verliert. Ein dürrer kahler Baum erinnert an Caspar David Friedrich. Zwei Wände links und rechts lassen sich für die Spinnstube zusammenfahren, davor hängen Netze, in die der Frauenchor Papierschiffchen hängt. Die Seefahrer klettern zunächst Stehleitern hinauf und hinunter, bevor sie sich mit Raben- oder Totenmasken verkleiden. Den stärksten Moment hat die Inszenierung am Ende der Liebesszene zwischen Senta und Holländer, als beide händchenhaltend abgehen. Der schwächste Moment ist das Ende, wenn Senta einfach von der Bühne abgeht, ohne den Holländer zu erlösen. Die Kostüme sind zeitlos. Daland kommt im grauen Geschäftsanzug, Senta im blauen Kleid mit Gummistiefeln über das sie ein weißes Hochzeitskleid zieht. Nur der Holländer mit seinen Rüschen und wallender Mähne verweist auf die mystischen Urzeiten.
Sänger und Orchester
Die große Überraschung ist die herausragende Besetzung der Rollen des Holländers und der Senta, auch an der vermeintlich „kleinen Oper“ in Cottbus: Tanja Christine Kuhn verfügt über einen jugendlich klaren aber auch durchschlagsstarken Sopran, der mit den Höhen und Tiefen und den hohen Ansprüchen der Ballade keinerlei Probleme hat. Ihre Senta ist nicht (nur) die Träumerin, sie steht mit beiden Beinen fest im Leben. Die Hauptrolle des Holländers füllt Andreas Jäpel mit großer Durchschlagskraft und ausgefeilter Stimmführung aus. Mit seiner sicherem Gestaltung vom Baß bis hin zu höheren baritonalen Lagen hat er keinerlei Probleme sein Auftrittslied Die Frist ist um dramatisch zu gestalten. Ulrich Schneider kann im baritonalen Bereich punkten, sein Daland ist im Dialog dem Holländer ebenbürtig. Hardy Brachmann kann als Steuermann jugendlich dynamischer herzerfrischend für sich einnehmen, ebenso Carola Fischer als Mary.
Leider gehen Jens Klaus Wilde als Erik diese Eindrücke völlig ab. Alexander Merzyn gibt diesem Frühwerk des großen Meisters die entsprechende Dynamik, die Feinabstimmung zwischen Orchester und Chor ist immer exakt und harmonisch einschwingend. Unter seiner Führung ist das Haus, Orchester und Chor formidabel auf der Höhe der Zeit. Er nimmt das Stück nicht nur mit „stürmischer“ Wucht. Auch die leisen Passagen kann er einfühlsam gestalten, so daß man auch immer wieder neue Schönheiten entdecken kann.
Fazit
Das Staatstheater Cottbus – vom Zuschauerraum her ein formal kleineres Haus – zieht alle Register: etwa achtzig Chorsänger bevölkern als Seeleute und Spinnerinnen die Bühne – dennoch wird der Gespensterchor effektvoll per Lautsprecher zugespielt. Zusammen mit dem Orchester wird die Akustik klangvoll ausgenutzt, die Solisten sind problemlos und wortverständlich aus diesem Klangbild herauszuhören. Szenisch ist die surreale Handlung zusammenhanglos. Das Geschehen auf der Bühne ist ein wenig schwierig zu durchschauen, die Regie will wohl die Handlung als einen surrealen Traum Sentas darstellen. Senta holt einen Raben aus einem stets präsenten Lederkoffer, der auch noch von innen beleuchtet ist. Warum sich der Chor maskiert, bleibt unklar, die sängerische Positionierung des Chors ist aber stets optimal. Am Ende ein fragwürdiger Schluß: Senta geht ab und läßt ihre Traumgestalten hilflos zurück. Vorhang zu und viele Fragen bleiben offen. Der Begeisterung des Publikums tut dies keinen Abbruch, geradezu heftiger Applaus für die Solisten, Chor und Orchester.
Oliver Hohlbach
Bild: Marlies Kross
Das Bild zeigt: (v.l.n.r.) Andreas Jäpel (Holländer), Dirk Kleinke (Steuermann), Ingo Witzke (Daland) sowie Herren des Chores