von Richard Wagner (1813-1883), Romantische Oper in drei Aufzügen; Libretto: R. Wagner, UA: 28. August 1850 Weimar, Großherzogliches Hoftheater
Regie: David Hermann, Bühne: Jo Schramm, Kostüme: Katharina Tasch
Dirigent: Joana Mallwitz, Staatsphilharmonie Nürnberg, Chor und Extrachor des Staatstheater Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask
Solisten: Karl-Heinz Lehner (König Heinrich), Eric Laporte (Lohengrin), Emily Newton (Elsa), Sangmin Lee (Telramund), Martina Dike (Ortrud), Daeho Kim (Heerrufer), u.a.
Besuchte Aufführung: 12. Mai 2019 (Premiere)
Vorbemerkung
Parsifal wählt aus den Gralsrittern seinen Sohn Lohengrin aus, um ihn nach Brabant zu senden. Die Brabanter unter der Führung von Telramund hängen dem alten Glauben an Wotan an, während die christlichen Kreuzritter unter König Heinrich um Unterstützung für den Feldzug gegen die Ungarn bitten. Um die christliche Elsa wieder einzusetzen, kommt es zum Gotteskampf, der von Wotan gestenreich unterstützt und von Parsifal entschieden wird. Ortrud sammelt die von den Brabantern weggeworfenen Glaubenszeichen sowie die Raben Wotans ein und erhält wieder Zugang nach Brabant. Während des Einzugs ins Brautgemach, feiert Wotan eine Orgie, während Parsifal Lohengrin ermuntert zur Sache zu kommen, der aber scheitert. Als Ortrud die Frage nach dem Nachfolger Gottfried stellt, erweckt Parsifal Telramund wieder zum Leben, der die Christen aus Brabant ausweist.
König Heinrich ruft die Brabanter zum Feldzug. Telramund, von seiner Gattin Ortrud angestachelt, beschuldigt Elsa des Mordes an ihrem Bruder Gottfried. Ein Gottesgericht in Form eines Zweikampfs soll über Elsas Schuld entscheiden. Da erscheint ein Fremder im Boot, gezogen von einem Schwan; er besiegt Telramund. Dieser Fremde will Elsa heiraten, aber sie darf nie nach seinem Namen und Herkunft fragen. Ortrud und Telramund bezichtigen den Fremden der Zauberei. Im Brautgemach bricht Elsa ihr Versprechen und stellt die Fragen. Telramund dringt in Brautgemach ein, doch er stirbt im Zweikampf. Nun muß Lohengrin Namen und Herkunft offenbaren. Ortrud triumphiert, aber Lohengrin erwirkt die Rückkehr Gottfrieds.
Aufführung
Prägnantes Bauteil dieser Produktion sind 600 weiße Stäbe, so hoch wie das Portal, die durch ein geschicktes Hänge-System im Schnürboden, fast frei gruppierbar, verschiebbar sind. Computergesteuert wird die Fahrgeschwindigkeit mit Pausen so minimiert, daß die Stangen nicht ins Pendeln kommen und gegeneinander schlagen. Durch den Verfahrweg und die ständig neuen Positionen können Menschengruppen voneinander getrennt, abgegrenzt oder neu positioniert werden. Beleuchtet wirken sie wie eine Weiterentwicklung der Lichtdome der Reichsparteitage von Albert Speer. Die Wirkung paßt zu einer szenischen Umsetzung, die an die zeitlosen Fantasieverfilmungen unserer Tage anknüpft.
Die Gralsrittern sind rot gerüsteten, die Brabanter erscheinen mit Fellen, Hornhelmen und Speeren. Die christlichen Kreuzritter erscheinen in bunter Kleidung.
Sänger und Orchester
Sehr erfreulich ist die deutliche Aussprache, die sich alle Solisten zueigen gemacht haben. Besonders Eric Laporte, der erstmals in Nürnberg als Lohengrin in Erscheinung tritt. Er überzeugt mit seinem lyrischen baritonal fundierten Tenor, sicherer Höhe und meistert die anspruchsvollen Passagen der Gralserzählung. Die geforderte unendliche Melodie und die entsprechende Klangbildung hört sich bei ihm weich, einfach und schwerelos an.
Leider kann Emily Newton als Elsa hier nicht mithalten. Ihr fehlt die jugendlich klare Stimme, sie ist zu durchschlagsstark und neigt zu unschönen Schärfen. Hinzu kommt das Premierenfieber, ein Texthänger steht zu Buche, aber sicherlich wird sie sich in die Rolle mit der Zeit besser einarbeiten. Sangmin Lee kann in punkto Durchschlagskraft dagegen problemlos mithalten. Sein tief fundierter Telramund klingt immer böse und kraftvoll, problemlos die Höhe und die Tiefe. So zieht das Unheil in dies Haus wird zu einem durchdringenden Menetekel. Karl-Heinz Lehner fällt als König Heinrich dagegen ab. Zu verhalten klingt die weiche Stimme.
Martina Dike gibt der Ortrud keinen rauhen hexenhaften Zug, sondern singt technisch sauber aus. Daeho Kim aus dem Opernstudio zeigt als Heerrufer volltönende Rufe und läßt auf eine Zukunft in Nürnberg hoffen. Ein wichtiger Qualitätsträger ist der ständig präsente Chor und Extrachor des Staatstheaters Nürnberg – er ist meist optimal positioniert, manchmal statisch, manchmal in Bewegung, optimal für den dicht gewebten Klangteppich aus Chor, Solisten und Staatsphilharmonie.
Hilfreich sind die etwas sehr breiten Tempi, die Joana Mallwitz anschlägt. Jedoch kann so in den forte vorzutragenden Chören wie Ruhm Deiner Fahrt nicht ihre monumental pathetische Wucht entfalten. Es ergibt sich ein stets auf Ausgleich zwischen Orchester und Gesangsstimmen ausgerichtetes Dirigat – wie zum Beispiel die harmonischen Klangwolken beim Zug zum Münster, die unerhörten dynamischen Steigerungen bis hin zur Ekstase beim In Frühn versammelt uns der Ruf im zweiten Akt.
Fazit
Weniger wäre mehr gewesen: die Optik des Bühnenbilds im Stil von Game of Thrones, Herr der Ringe oder der Superhelden Hollywoods ermöglicht es, wieder gehörnte Helme, Rüstungen, Kettenhemden, Speere oder Messer zu zeigen. Daß Parsifal und Wotan als stumme Rollen die Figuren des Lohengrin und Ortrud quasi anleiten, geht noch in Ordnung. Jedoch geht es viel zu weit, ein Trinkgelage Wotans mit den Walküren statt des Einzugs ins Brautgemach zu zeigen oder daß Parsifal am Ende Telramund wieder zum Leben erweckt und er statt Gottfried die Macht übernimmt.
Musikalisch ist neben dem Licht und Schatten in der Sängerriege die erfrischende Sicht der neuen GMD Joana Malwitz auf das Orchester sehr wichtig. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern gelingt es ihr, dem Orchester Pianostellen abzutrotzen, die es den Solisten ermöglichen, sich auch mit leiseren Tönen in den Vordergrund zu spielen. Hysterischer Beifall für die musikalische Seite, durchwachsener Beifall für die Regie. Enttäuschte Abonnenten sind schon in den Pausen gegangen.
Oliver Hohlbach
Bild: Bettina Stöß
Das Bild zeigt: Eric Laporte (Lohengrin), Karl-Heinz Lehner (Heinrich der Vogler), Emily Newton(Elsa von Brabant)und Ensemble, (v.li.n.re.)