Das Rheingold – Helsinki, Finnische Nationaloper

von Richard Wagner (1813–1883), Vorabend in vier Szenen zu dem Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen, Text vom Komponisten

UA: 22. September 1869 München, Nationaltheater

Regie: Anna Kelo, Bühne, Licht und Videoplanung: Mikki Kunttu, Kostüme: Erika Turunen

Dirigent: Esa-Pekka Salonen, Orchester der finnischen Nationaloper

Solisten: Tommi Hakala (Wotan), Lilli Paasikivi (Fricka), Tuomas Katajala (Loge), Reetta Haavisto (Freia), Tuomas Pursio (Donner), Markus Nykänen (Froh), Jukka Rasilainen (Alberich), Dan Karlström (Mime), Jyrki Korhonen (Fafner), Koit Soasepp (Fasolt), Sari Nordqvist (Erda), Marjukka Tepponen (Woglinde), Mari Palo (Wellgunde), Jeni Packalen (Floßhilde)

Besuchte Aufführung: 30. August 2019 (Premiere)

Kurzinhalt

Wotan hat den Riesen Fasolt und Fafner die Göttin Freia als Lohn für den Bau der Götterburg versprochen. Da die Götter jedoch von Freias Äpfeln essen müssen, um ihre ewige Jugend zu behalten, versucht er mit ihnen zu verhandeln. Dabei hilft ihm Loge, der berichtet, daß der Nibelung Alberich aus dem Rheingold einen Ring geschmiedet habe, der ihm unermeßliche Macht verleiht, indem er die Liebe verflucht habe. Diese Macht nutze er nun, um sein Volk zu knechten, das ihm Schätze schürfen und schmieden müsse. Die Riesen willigen ein, Freia gegen den Schatz des Nibelungen zu tauschen, und Loge und Wotan begeben sich nach Nibelheim, wo sie Zeuge von Alberichs Schreckensherrschaft werden, der ihnen seinen Plan verrät, mit dem Gold der Nibelungen sich die gesamte Welt zu unterwerfen. Loge gelingt es durch eine List, Alberich zu fesseln und gemeinsam mit Wotan zwingt er ihn, ihnen seinen Schatz, einen Tarnhelm und den Ring auszuhändigen. Dafür belegt Alberich den Ring mit einem Fluch, der seinem Träger den Tod bringen soll. Die Riesen bestehen auf der Übergabe des gesamten Schatzes zusammen mit dem Ring, den Wotan nicht herzugeben bereit ist. Erst nachdem die Göttin Erda ihn vor dem Ring warnt und ihm das Ende der Götter prophezeit, wird der Tausch vollzogen. Fafner erschlägt seinen Bruder Fasolt, um an den Ring zu kommen und die Götter ziehen in ihre Burg ein, die von Wotan den Namen Walhall erhält.

Aufführung

Mit der kraftvollen und farbenprächtigen Musik Wagners korrespondiert die bildgewaltige Inszenierung, in der technisch alle Register gezogen werden. Neben der sehr abwechslungsreichen Lichtgestaltung kommen große selbstleuchtende Schirme und Videoprojektionen zum Einsatz. Das Bühnenbild erinnert streckenweise an ältere Inszenierungen etwa von Otto Schenk oder Emil Preetorius. Die Götter sind in klassisch-griechischer Weise kostümiert und auch Walhall sieht wie ein griechischer Tempel aus. Die Riesen erscheinen auf zwei großen Bildschirmen. Die Götterwelt ist in Wolken gehüllt während das finstere Nibelheim von scharfen Kanten geprägt ist. Die Personenregie und das Bühnenbild folgen Wagners Vorgaben detailliert, bis hin zur Farbe des Kostüms der Erda. Nur in zwei Punkten weicht man davon ab und fügt etwas hinzu: Die Götter schwelgen und schmausen in der zweiten Szene und lassen sich dabei von zwei stummen Dienerinnen das Essen servieren. Und Loge fesselt Alberich nicht nur, sondern sperrt ihn in einen Käfig, in den Alberich wiederum Wotan einschließt, als er den Ring verflucht.

Sänger und Orchester

Esa-Pekka Salonen läßt den Es-Dur-Urbeginn des Ring im breitesten Tempo anheben, wählt aber ansonsten eher den goldenen Mittelweg und gibt so den Sängern genug Luft zum Atmen und Singen. Die wuchtigen Orchesterzwischenspiele und der triumphale Des-Dur-Schluß verfehlten ihre Wirkung nicht. Bis auf ein paar leichte Erschöpfungserscheinungen im Blech gegen Ende des Stückes gab das Orchester seinen Part tadellos wieder. Die Sänger hatten in dem einfühlsamen Instrumentalvortrag, der den vokalen Passagen stets den Vorrang gab, ein sicheres Fundament und konnten so ihre unterschiedlichen gesanglichen Stärken voll entfalten. Davon gab es an diesem Abend einige zu bewundern.

Tommi Hakala ist darstellerisch wie sängerisch ein idealer Wotan und bringt alles mit, was diese Rolle verlangt: eine beeindruckende szenische Präsenz, viel Metall in der Stimme, einen nuancierten Vortrag und makellose Aussprache. Lilli Paasikivi (Fricka) präsentierte ihre Partie ohne Schwierigkeiten, mit einer ausgeglichenen Stimme. Auch die kleinen Rollen waren mit exzellenten Kräften besetzt: Reetta Haavisto (Freia) sang ihre kurzen hohen Einwürfe ohne Hektik, Tuomas Pursio gab einen sicheren Donner und Markus Nykänen einen hoffnungslos eitlen Froh mit einer durchschlagenden Stimme. Tuomas Katajala (Loge) war darstellerisch souverän und verfügt über eine enorm deutliche Diktion, die für diese Rolle auch unabdingbar ist. In letzterem Punkt wurde er lediglich von Dan Karlström (Mime) übertroffen. Die Aussprache von Jukka Rasilainen (Alberich) könnte hingegen deutlicher sein, vor allem, was die Zischlaute angeht. Es handelt sich hierbei um den einzigen sängerischen Punkt, den man an dieser Besetzung kritisieren könnte, wäre da nicht sein eminentes darstellerisches Spiel und sein kräftiger und feinst nuancierter Gesang, mit der er dieses Defizit leicht wieder wettmacht. Von einer schwachen Leistung kann hier also keine Rede sein. Jyrki Korhonen (Fafner) und Koit Soasepp (Fasolt), die ihre Parts am Szenenrand stehend sangen, während ihre technisch deformierten Gesichter auf den Bildschirmen zu sehen waren, verfügen über zwei imponierende Organe und hatten mit der Aussprache des Deutschen keinerlei Probleme. Sari Nordqvist (Erda) hat eine recht hell klingende Altstimme. Die drei Rheintöchter, gesungen von Marjukka Tepponen (Woglinde), Mari Palo (Wellgunde) und Jeni Packalen (Floßhilde) harmonieren in ihren kurzen Terzettpassagen vollkommen und sind sängerisch wie darstellerisch einander ebenbürtig.

Fazit

Diese Produktion des Rheingold, die den Auftakt zu einer Inszenierung des kompletten Ring in Helsinki bildet, die innerhalb der nächsten zwei Jahren abgeschlossen sein soll, ist die erste, die ausschließlich mit finnischen Kräften bestritten wird. In Finnland hat die Wagnerbegeisterung Tradition, sowohl unter Musikern als Musikliebhabern, und so war zu erwarten, daß musikalisch und szenisch keine Kosten und Mühen gescheut werden.

Herausgekommen ist eine Inszenierung, die ebenso opulent wie überwältigend geraten ist und in der großartig musiziert wird. Wer eine kluge und unaufdringliche Regie ohne unmotivierte Einfälle, ein mächtiges Bühnenbild, bei dem Licht-, Videodesign und Dekor perfekt ineinandergreifen, sehen und Sänger auf der Bühne erleben will, die durchweg stimmlich und darstellerisch auf allerhöchstem Niveau agieren, der sollte die Reise nach Finnland ernsthaft in Erwägung ziehen. Man darf auf die weiteren Ring-Teile gespannt sein.

Dr. Martin Knust

Bild: Ralph Larmann

Das Bild zeigt: Tuomas Pursio (Donner), Markus Nykänen (Froh), Tommi Hakala (Wotan), Lilli Paasikivi (Fricka), Reetta Haavisto (Freia), v.l.n.r.

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