von Richard Wagner (1813-1883); Romantische Oper in drei Aufzügen; Dichtung vom Komponisten; Uraufführung: 28. August 1850 in Weimar
Regie: Yuval Sharon, Bühne und Kostüme: Neo Rauch & Rosa Loy
Dirigent: Christian Thielemann, Festspielorchester, Festspielchor, Chor: Eberhard Friedrich
Solisten: Georg Zeppenfeld (König Heinrich), Piotr Beczala (Lohengrin), Annette Dasch (Elsa), Tomasz Konieczny (Telramund), Elena Pankratova (Ortrud), Egils Silins (Heerrufer), u.a.
Besuchte Aufführung: 14. August 2019
König Heinrich ruft die Brabanter zum Feldzug. Telramund, von seiner Gattin Ortrud angestachelt, beschuldigt Elsa des Mordes an ihrem Bruder Gottfried. Ein Gottesgericht in Form eines Zweikampfs soll über Elsas Schuld entscheiden. Da erscheint ein Fremder im Boot, gezogen von einem Schwan; er besiegt Telramund. Dieser Fremde wird Elsa heiraten, aber sie darf nie nach seinem Namen und Herkunft fragen. Ortrud und Telramund bezichtigen den Fremden der Zauberei. Im Brautgemach bricht Elsa ihr Versprechen und stellt die verbotene Fragen. Telramund dringt ein, im Zweikampf stirbt er. Nun muß Lohengrin Namen und Herkunft offenbaren. Ortrud triumphiert, aber Lohengrin bewirkt die Rückkehr Gottfrieds.
Aufführung
Markant und prägend sind in dieser Produktion die Landschaftsbilder von Neo Rauch. Sie zeigen eine blaue Auenlandschaft mit Wolken und Schilf, das sich hin und her bewegt, aber keine Sonne oder Wasser. Dafür gibt es blaue Starkstrommasten, Transformatorenhäuschen, Isolatoren aus der Starkstromtechnik. Lohengrin ist somit ein blauer Starkstromtechniker mit einem Blitz in der Hand. Sein Zeichen ist ein W-förmiges Fluggerät, das sich bei seinem Erscheinen vom Dach des Transformatorenhäuschens erhebt. Darüber hinaus trägt man passend zur Schilflandschaft Insektenflügel am Rücken – das Gottesgericht zwischen Lohengrin und Telramund wird in der Luft entschieden: Telramund verliert einen Flügel. Farblich kontrastierend dazu das Ehegemach in Orange, in dem keine Annäherung zwischen Lohengrin und Elsa möglich ist, aber Fesselspiele. Den Schlußpunkt setzt Gottfried als grünes Ampelmännchen der Natur.
Sänger und Orchester
Ein wichtiger Erfolgsgarant ist der ständig präsente Chor der Bayreuther Festspiele – besonders unter erschwerten Bedingungen, denn die V-förmige Aufstellung schräg zur Bühnenrampe scheint doch zu Irritationen, besonders bei den Einsätzen, zu führen. Unter der Einstudierung des Chors von Eberhard Friedrich sind das allenfalls Marginalien, denn die Geschlossenheit als Klangkörper ist stets gegeben. Das ist auch wichtig, denn Christian Thielemanns Tempowahl führt manchmal zu ungewohnten Phrasierungen. Auch die Einsätze nach den (neu eingeführten General-)Pausen sind messerscharf sensationell. Man hat das Gefühl, daß dieser Lohengrin in der Musik immer wieder neu durchdacht wird – gerade im Vergleich zu älteren Produktionen. Dennoch ist ein stets auf Ausgleich zwischen Orchester und Gesangsstimmen ausgerichtetes Dirigat. Da ergeben sich immer noch pathetische Klangwolken wie beim Brautlied, es gibt bislang unerhörte dynamische Steigerungen bis hin zur Ekstase, wie beim Sonnenaufgang im zweiten Akt. Von dieser dynamischen Tempowahl profitieren auch die Solisten, sie können mit der Melodielinie atmen.
So gibt Annette Dasch der Elsa immer noch eine jugendlich klare, aber auch durchschlagsstarke Stimme, mit sicherer Höhe, die jedoch immer eindimensionaler wird und nicht frei von Schärfen ist. Generell zeigen die Solisten eine deutliche Aussprache, so daß man auf eine Übertitelungsanlage weiterhin verzichten kann – auch Piotr Beczala überzeugt mit klarer Diktion Auch beeindruckt er mit seinem lyrischen baritonal fundiertem Tenor, sicherer Höhe und er meistert die anspruchsvollen Passagen der Gralserzählung Lohengrins meisterhaft. Lediglich in der „unendlichen“ Melodie und der Klangbildung wird deutlich, daß er eher ein Verditenor ist – aber ein sehr durchschlagsstarker Tenor. Tomasz Konieczny kann in Punkto Durchschlagskraft in der Bayreuther Akustik nur eingeschränkt mithalten. Sein Telramund klingt aber immer unangestrengt und mühelos, problemlos die Sprünge in die Höhe und die Tiefe. So zieht das Unheil in dies Haus, wird zu einem düsteren Menetekel. Georg Zeppenfeld ist ohne jeden Zweifel derzeit der weltbeste König Heinrich. Diese samtweiche Stimme, mit großer Reichweite in die Tiefe ohne je zu schwarz zu wirken ist mittlerweile unverwechselbar. Elena Pankratova kann der Ortrud ungewohnte menschliche Züge abringen, trotz dramatischen Kräften. Welch eine Wonne die Ortrud nicht gebrüllt sondern technisch sicher ausgesungen zu hören – was auch zu einer besseren Textverständlichkeit führt. Egils Silins bleibt als Heerrufer viel zu unauffällig und so auch zu blaß, auch wenn sein Ruf aufrüttelnd daherkommt.
Fazit
Ein weiteres Mal stellt sich unter Beweis, daß berühmte Maler keine genialen Bühnenbildner sind. Zwar ist es korrekt, daß Wieland Wagners Lohengrin in blau gehalten war (A-Dur ist blau?), aber bei ihm gab es keine verwirrenden Kulissen oder Schilf, das sich hinter dem Projektions-Gazevorhang bewegt und die Akustik behindert. Seine Inszenierung von 1958 gilt als Meisterwerk der Personenpräsentation in prägnanter Bühne.
Daran sollte sich die Regie von Yuval Sharon lieber orientieren, denn diese verwirrende Geschichte um Starkstrom und Insekten in einer blauen Uferlandschaft macht keinen Sinn. Teils heftige Buh-Rufe für eine Szenerie, die auf Insekten statt auf Neuenfelsratten setzt – der Niedlichkeitsfaktor fehlt eben! Ansonsten Jubelstürme für die musikalische Seite, besonders für eine festspielwürdige Sängerriege. Es geht auch ohne Superstars wie Anna Netrebko, die wegen eines nicht genehmigten Teleprompters abgesagt hat. Und von Roberto Alagna, der 2018 absagte, weil er den Text nicht kannte, redet niemand mehr.
Oliver Hohlbach
Bild: Enrico Nawrath
Das Bild zeigt: Elena Pankratova (Ortrud) mit 1. und 2. Edler