von Richard Wagner (1813-1883); Romantische Oper in drei Aufzügen; Dichtung vom Komponisten
Uraufführung: 28. August 1850 in Weimar
Regie: John Dew, Bühne: Heinz Balthes, Kostüme: Jose-Manuel Vazquez
Dirigent: Frank Beermann, Nordwestdeutsche Philharmonie, Chor der Nationaloper Sofia
Solisten: Andreas Hörl (König Heinrich), John Charles Pierce (Lohengrin), Anna Gabler (Elsa), Heiko Trinsinger (Telramund), Ruth-Maria Nicolay (Ortrud), Christoph Burdack (Heerrufer)
Besuchte Aufführung: 24. September 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
König Heinrich ruft die Brabanter zum Feldzug. Graf Telramund, von seiner Gattin Ortrud angestachelt, beschuldigt Elsa von Brabant des Mordes an ihrem Bruder Gottfried. Ein Gottesgericht in Form eines Zweikampfs soll über Elsas Schuld entscheiden. Da erscheint ein Fremder im Boot, gezogen von einem Schwan, und besiegt Telramund. Dieser Fremde will Elsa heiraten unter der Bedingung, daß sie nie nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen würde. Elsa willigt ein. Am Hochzeitstag bezichtigen Ortrud und Telramund vor dem Münster den Fremden der Zauberei und des Betruges. Als sie allein sind, bricht Elsa ihr Versprechen und fragt der Herkunft ihres Bräutigams. Telramund dringt ins Brautgemach, findet dabei den Tod. Jetzt offenbart Lohengrin seinen Namen.
Aufführung
Das im neobarocken Stil 1908 errichtete Stadttheater in Minden wird mit 542 Plätzen nur selten bespielt. Der Richard Wagner Verband Minden stellt mit Lohengrin bereits seine dritte Produktion auf die Beine.
Da der Orchestergraben für Lohengrin zu klein ist, sitzt das Orchester zusammen mit dem Chor hinter einem durchsichtigen Vorhang mit Schwanen-Motiven. Die Personen sind in bunten mittelalterlichen Phantasie-Kostümen gekleidet. Lohengrin wird so zum Kammerspiel und ermöglicht den genauen Blick auf die Motive der Personen und ihr Zusammenspiel. John Dew gelingt das mit einer bis ins kleinsten Detail durchdachten Personenführung und einer Reduktion der Ausstattung, lediglich Schwerter, Königskrone, Stühle sowie Horn, Ring und Schild als Abschiedsgeschenk Lohengrins finden Verwendung. Ortrud beschwört einen heidnischen Ritus, wenn sie die Wotan-Statue und einige rote Steine mit Alkohol einsprüht. Dafür kommt man ohne Brautbett aus. Trotz dieser etwas ungewohnten Bebilderung (Lohengrin tritt mit Kunstnebel durch eine Türe im Zuschauerraum auf, Elsas Schloß-Balkon ist eine Proszeniumsloge) wird genau die Handlung der Partitur erzählt, zur Freude des weither angereisten Publikums und der Schirmherrin Verena Lafferentz-Wagner.
Sänger und Orchester
Der eingangs beschriebene Vorhang und seine Trennung zwischen Orchester und Sängern führen musikalisch zu einigen Abstimmungsproblemen, da der Dirigent keinen direkten Kontakt zu den Sängern hat. Aber das ist genauso unwichtig wie die kleinen Artikulationsprobleme des Chores aus Sofia. Denn Frank Beermann ist der Nordwestdeutschen Philharmonie lange verbunden. Diese Erfahrung kann er in Minden voll ausspielen mit einem manchmal forschen Dirigat und sehr viel Glanz. Da man weite Teile der Produktion als konzertant bezeichnen kann, werden diese Szenen wie die Morgendämmerung oder Vorspiel zum dritten Akt zum überwältigenden Konzert-Erlebnis. Ebenfalls Erfahrung als Lohengrin hat John Charles Pierce, ein lyrischer Tenor mit viel Durchschlagskraft. Leider geht manchmal mit nachlassender Kraft der Glanz verloren. Ihre erste Elsa hat Anna Gabler in der unglücklichen Nürnberger Produktion gesungen, bekannt wurde sie dieses Jahr als Senta in der Kinderproduktion des Holländers bei den Bayreuther Festspielen. Unzweifelhaft noch am Anfang ihrer Kariere entwickelt sie sich zu einem dramatischen Sopran mit einer von Kraft geprägten soliden Höhe und der Neigung zum gelegentlichen Tremolieren. Ruth-Maria Nicolay (Ortrud) läßt die Rolle als Hexe durch ihren hochdramatischer Sopran mit viel Schärfe die Untiefen deutlich werden. Besonders erwähnenswert die absolute Wortverständlichkeit, die man für diese Rolle relativ selten findet. Heiko Trinsinger wurde als Wolfram im Tannhäuser (in Essen und Würzburg) zum Geheimtip, genauso überzeugend gelingt ihm die überaus schwierige Rolle des Telramund. Mit diabolischen Piano singt er noch dort voll aus, wo andere zum Sprechgesang übergehen. Die überragende Figur des Abends ist unzweifelhaft Andreas Hörl als König Heinrich – eine Baß-Stimme mit fast schwarzer Tiefe. Er nähert sich Wagners Ideal der unendlichen Melodie und singt trotzdem jeden Ton und betont jedes Wort überdeutlich. Wahrlich erregend!
Fazit
Musikalisch ein überaus gelungener Abend, der Minden in eine Reihe mit Erl oder Wels stellt, denn besonders das konservative Wagner-Publikum kann mit der RWV Minden durchaus zufrieden stellen. Der donnernde Applaus stellt noch etwas anderes unter Beweis, nämlich, daß es geschätzt wird als private Initiative, die kulturelle Situation zu verbessern – auch gegen den Willen oder die Schlafmützigkeit staatlicher oder städtischer Institutionen. Minden ist eine Reise wert!
Oliver Hohlbach
Bild: Theater Minden
Das Bild zeigt: Der Zweikampf zwischen Lohengrin (John Charles Pierce) und Telramund (Heiko Trinsinger)